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"Hat er dir geglaubt?", begrüßte die Gruppe sie, als MJ in den alten VW stieg. Alle schienen die Luft anzuhalten. Es würde Mina nicht wundern, wenn sie bald wegen Sauerstoffmangel umkippen würden.
"Nein", seufzte sie und ließ sich auf eine der Bänke fallen. Wütend trat JJ gegen eine leere Bierdose. Klappernd sprang sie durch den ganzen Wagen. Lilo zuckte zusammen und sah ihn mit weit aufgerissenen Augen an.
"Aber er hat gesagt, dass er mich heute noch anruft, und wir die Stelle suchen", sagte sie und lächelte gequält.
"Wenigstens ein kleiner Erfolg. Mehr konnten wir von ihm gar nicht erwarten", erwiderte Pou. In dem Auto war kaum Platz für sie alle, und so saß er mit Tè vorne auf den Sitzen. Beide hatten sich umgedreht und sahen zu ihnen nach hinten. MJ verwirrte der zweite Teil des Satzes.
"Warum konntet ihr nicht mehr erwarten?", fragte sie und hob ihre Augenbrauen. Was verheimlichten sie ihr? Sie wusste nicht von ihnen, wie konnte sie der Gruppe trauen? Die einzige, die sie kannte, war Lilo, und sie war so anders.
Anders als sonst war sie still und bedacht, ständig in ihren Gedanken versunken. MJ vermisste ihre lustige und laute Freundin. Sicher, es konnte auch am Mord liegen, aber alle anderen kamen damit klar. Auch sie selbst verdrängte es. Sie kannte diese Person nicht, sie...
Nein. Was versuchte sie sich nur einzureden? Eine Person war gestorben, jemand wird wahrscheinlich versuchen, sie umzubringen, und diese Leute waren möglicherweise ausgebildete und kaltblütige Killer. MJ schluckte schwer. Alles war schrecklich.
Schnell blinzelte sie ihre aufkommenden Tränen weg und sah zu den anderen. Sie schwiegen und sahen sich gegenseitig betreten an. "Was ist los? Sagt mir vielleicht jemand, was genau ihr ihm angetan habt?", erkundigte das Mädchen sich. Noch immer wollte sie die Antwort kennen.
"Es gab ein paar Auseinandersetzungen, so wegen Partys und ein paar Fights", murmelte Tè irgendwann. "Fights?" Ungläubig sah sie die anderen an. Natürlich! Man hörte immer davon, der Edel gegen die Minder. Es war wohl unnötig zu erwähnen, wer meistens gewann.
Die Edel fühlten sich so herrlich und halt edel. Wenn sich ihnen jemand widersprach, oder sie gar angriff, waren es immer zu viele. Wollte MJ wirklich zu ihnen gehören? Was anderes sollte die neue Schule bezwecken? Es war wie ein Ticket in die erste Klasse.
"Fights halt, also Prügeleien und so", versuchte Pou zu erklären. Genervt schüttelte sie ihren Kopf.
"Ich weiß doch, was das bedeutet", herrschte sie ihn an. "Aber gerade jetzt haben uns diese tollen Fights die Chance genommen, dass dieser Allister uns ernst nimmt." Genervt rollte sie mit ihren Augen und sah aus dem Fenster. Sie fühlte sich unwohl in ihren verschwitzten und schmutzigen Klamotten, welche klebrig an ihrem Körper hafteten. Sie seufzte und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
Erst ein lautes Geräusch ließ sie und die anderen aufschrecken. "Was ist das?!", fragte Lilo, die trotz der Fahrt aufgesprungen war und sich umsah. Ihr Bruder Té zog sie an ihrer Hand zu sich herunter. "Bleib doch sitzen, du kippst noch um", erklärte er ihr.
JJ, der auch im hinteren Teil des Autos saß, beugte sich hinunter und griff nach etwas. Dann hob er es hoch - ein Handy. "Deins?", fragte Jordan und hob dabei eine seiner Augenbrauen. Wie versteinert nickte sie. Seit gestern Nachmittag hatte sie nicht mehr bei ihrer Mutter angerufen, kein Lebenszeichen von sich gegeben und stattdessen mit einem Polizisten geredet und zwei Angriffe überlebt.
MJ schluckte und griff nach ihrem Telefon. Dann nahm sie ab. "Hallo Mama", murmelte sie. "Ach Minchen, ich habe mir solche großen Sorgen gemacht. Anscheinend haben sie eine Leiche gefunden", plapperte ihre Mutter. "Am Forbidden Lake", unterbrach ihre Tochter sie. "Was?", fragte die Frau am anderen Ende verwundert, "Nein, bei den Fabriken, irgendwo hinten im Gray Quarter." Ein Schauer durchfuhr ihren gesamten Körper. "Eine zweite Leiche?", flüsterte sie für sich selbst, aber sofort richteten sich alle Blicke auf sie.
"Bist du noch bei Lily? Wann kommst du wieder?", fragte ihre Mutter sie. "Ja, ja Mama. Ich weiß es nicht. Vielleicht heute Abend. Meinst du, ich kann dich später nochmal anrufen?", sprach MJ hastig und eigentlich wollte sie den Anruf so schnell wie möglich beenden. "Ja, klar Mausi, aber bitte passt auf euch auf. Ich habe ja keine Ahnung, was hier gerade passiert", flüsterte sie leise die letzten Worte, geheimnisvoll und mit tiefer Stimme. Ihre Mutter war abergläubisch und etwas zu sehr naiv und dennoch blieb sie ihre stets hilfsbereite Mama. Ein leises und knappes Piepen erschreckte MJ und sie hielt das Handy etwas weiter von ihrem Ohr entfernt. Ihre Mutter hatte aufgelegt.
Vorsichtig verstaute sie das Gerät in einer Tasche, bevor sie aufsah. "Noch eine Leiche?", flüsterte Té. Neben ihm saß Lilo und auch sie selbst sah aus wie eine Tote. Lou hatte an einer Straßenseite geparkt und drehte sich gespannt zu ihnen nach hinten. JJ räusperte sich und sah sie fragend an.
"Ich weiß es nicht."
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