19
Ein mulmiges Gefühl breitete sich in MJ Magenbereich aus, während sie die holprigen Straßen durchquerten. Nervös sah sie aus dem Fenster und spielte mit ihren Fingern. Immer wieder fuhr sie mit dem Daumen über den Zeigefinger, bis dieser brannte und sie kurz eine Pause einlegte.
"Wir sollten vielleicht nicht direkt davor anhalten. Stell Betsy", Té betonte den Namen extra, "lieber hier ab und wir laufen den kurzen Rest." Pou musterte ihn zwar grimmig, nickte aber und verlangsamte die Fahrt, bis er schließlich neben dem Gehweg anhielt.
Die Gruppe stieg aus dem Auto und schlenderten die restliche Strecke zu Fuß. MJ spürte, wie ihre Nervosität immer stärker wurde, je näher sie ihrem Ziel kamen. "Bist du sicher, dass das eine gute Idee ist?", fragte sie TJ leise und beugte sich zu ihr vor, wobei sie seinen warmen Atem an ihrem Gesicht spürte.
Sie lächelte aufmunternd. "Natürlich, wir haben doch alles genau geplant. Du brauchst dir keine Sorgen zu machen", flüsterte sie zurück, doch ihr Gesicht sprach Bände. Ihre gesamten Muskeln waren angespannt bis zum Reißen und von Innen biss sie auf ihrer Lippe herum, bis diese erneut anfing zu bluten. Sie erreichten schließlich das Gebäude.
Nun, wo sie die Mauern empor blickte, verspürte sie nicht mehr Nervosität sondern Angst. Riesig standen die Mauern vor ihr und obwohl sie sie nur von einer Seite beengten, fühlte es sich so an, als würde man sie gleich zerquetschen.
"Wie kommen wir rein?", flüsterte Té. "Von hinten!" TJ klang nicht gerade überzeugt und seine Stimme zitterte etwas, doch trotzdem war MJ mehr als dankbar über diese Antwort. Leise schlichen sie gemeinsam über den dornigen Pflanzenboden.
Als sie sich dem hinteren Teil des Hauses näherten, hörten sie das Knarren eines alten Holztores. Sie blieben abrupt stehen und lauschten angestrengt. Nach einem Moment der Stille, hörten sie erneut ein Geräusch - diesmal das Knallen einer Tür. MJ spürte, wie ihr Herz zu rasen begann und ihr Atem stockte. Angestrengt versuchte sie sich zu kontrollieren, doch es klappte nicht wie gewünscht.
TJ drehte sich zu ihr um und legte beruhigend eine Hand auf ihre Schulter. "Alles wird gut, MJ", flüsterte er und lächelte ihr zu. Doch sein Lächeln wirkte gezwungen und seine Augen verrieten seine eigene Unsicherheit. Dann schloss er sie ihn seine Arme.
Die Welt, die noch vor Sekunden drohte auseinander zu brechen, stand mit einem Mal vollkommen still. Sie schaute in sein Augen und nickte. Erst als er von ihr losließ, fing die Zeit wieder an zu Ticken.
Schleichend liefen sie weiter. Schließlich erreichten sie die offensichtlich alte und halb auseinander gefallene Holztor und lugten durch die Löcher ins Innere. Nichts außer eine klaffende Dunkelheit enthüllte sich ihnen. Letztendlich zog TJ die Tür mit einem kurzen Ruck auf, kein einziger Laut konnte sie verraten.
Ein muffiger Geruch schlug ihnen entgegen, als sie das verlassene Haus betraten. MJ konnte kaum sehen, da das Haus kaum Fenster hatte und das wenige Licht, das hereinsickerte, von Staub und Schmutz verdeckt wurde.
Sie spürte die Spinnweben an ihrem Gesicht kleben und hörte das Knirschen von Schutt unter ihren Füßen. Es war so still, dass man ihre eigenen Atmungen hören konnte. MJ zog ihre Jacke enger um sich und folgte der Gruppe weiter ins Innere des Hauses.
Niemand wagte es, irgendetwas zu sagen. Mina konnte beinahe hören, wie sehr ihr Herz schlug und auch, dass die Herzen der anderen gleich aus deren Brust springen würden.
"Sie werden nicht kommen, Die haben doch keine Ahnung, dass ich hier bin!", erklang eine ihnen bekannte Stimme. Trotzig hallte sie in den dunklen Kellergängen nach. "Und außerdem haben wir kein Tagebuch, brauchen wir auch nicht. Ehrlich gesagt, ist keiner von uns so wissbegierig, dass er sich mit unnötigen Fakten eines Doktors füttern müsste", knurrte Lily von irgendwo her.
"Sie kommen schon", entgegnete eine tiefe und gelangweilte Stimme. MJ konnte sie zu einem der Männer zuordnen, welchen sie schon am See und in ihren Träumen gesehen hatte. Bleischwer lag das kleine Büchlein in ihrer Tasche, so trug es wahrscheinlich die ganze Schuld an Lilys Entführung.
Plötzlich hallte ein lauter Knall durch die Halle und ließ alle an Ort und Stelle erstarren. MJ spürt, wie ihr Herz in ihrer Brust raste, während sie sich umsah und versuchte, die Quelle des Geräuschs zu lokalisieren. Nach einigen Momenten angespannter Stille hörten sie ein weiteres Geräusch, diesmal von oben.
Ohne ein Wort bedeutet Té allen, ihm zu folgen, während er sie näher zu seiner Schwester führte, so hoffte MJ. Sie bewegten sich langsam und leise und versuchten so wenig Lärm wie möglich zu machen. Als sie eine Kurve erreichten und zum ersten Mal seit gefühlten Ewigkeiten Licht erblickten, sahen sie um die Ecke. MJ hielt ihre Luft an. Dort vor ihr saß Lily.
Ihre Arme hatte man mit einem dicken Seil an den Stuhlarmen befestigt, wie in einem Film. Mit ihren Füßen trat sie immer wieder gegen den Boden und wirbelte somit Staub auf. Außerdem konnte MJ nur einen anderen Menschen erblicken. Er lehnte an der Mauer und musterte Lilo regungslos. Ermüdet gähnte er und offenbare dabei seine gelben und krummen Zähne. Angewidert zog sich MJ wieder tiefer in ihre Deckung.
Noch immer hallten die Geräusche von Oben zu ihnen hinunter, doch so wussten sie zumindest, das der Typ alleine war.
Té bedeutete allen, in Deckung zu gehen, als er sich der Öffnung näherte. Als er hineinspähte, erblickte auch er nur den einen Mann, welcher leise vor sich hindämmerte und immer wieder kurz in die Welt der Träume sank. Té bückte sich und hob einen der rumliegenden Steine auf. Entgeistert musterte MJ ihn.
Dann, mit einem schnellen Ruck, sprang der Teenager aus dem Versteck. Mit all seiner Kraft schlug er dem Mann das Gestein auf den Hinterkopf. Noch ehe dieser aufschreien konnte, sank er zu Boden.
Fassungslos blickte Lily ihren Bruder an. Wie ein Fisch klappte sie ihren Mund zuerst auf und dann zu. "Du?", sagte sie dann und hob eine Augenbraue. "Ich", antwortete Té und grinste ihr triumphierend entgegen, "Oder hast du etwa einen Ritter auf einem weißen Ross erwartet?"
Nun löste sich auch der Rest der Gruppe aus dem Schatten und sprang in den schwach beleuchteten Raum. MJ stürzte zu ihrer Freundin und begann verzweifelt zu versuchen, die Fesseln von ihren Handgelenken zu lösen. "Es tut mir so leid", murmelte sie dabei und zog an dem Seil, welches sich daraufhin noch enger um Lilys Haut schloss.
"Aua!", rief diese unterdrückt und schüttelte ihren Kopf. "Du kannst doch nicht dafür", sagte sie bestimmt, "Hilf mir hier einfach raus und wir sind uns quitt, egal was du meinst." Mina wollte sich bedanken, da drückte TJ ihre Hand weg und durchtrennte die Fesseln mit einem Messer.
Erleichtert stand Lily auf. Sie schüttelte ihre Beine aus und rieb sich an den Armgelenken. "Lass uns von hier verschwinden", flüsterte Pou, doch zu spät ...
Plötzlich hörten sie Schritte, die sich vom Flur näherten. Zu Eis erstarrt blieben sie stehen, es gab keinen Fluchtweg mehr. In dem Tunnel, aus welchem sie gekommen waren, stand nun ein breitgebauter Mann und versperrte den Weg. Aus dem anderem Gang drangen die Schritte zu ihnen hindurch.
Sie saßen in der Falle.
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