10
Wieder hockte sie zwischen den Blättern der Büsche und beobachtet die Szene vor sich. Vier Personen, drei gegen eins.
MJ atmete ruhig, ihre Augen hatten sich inzwischen an das fahle Licht des Mondes gewöhnt und so erkannte sie etwas mehr als nur dunkle Schatten. Die drei Menschen hielten Taschenlampen in ihren Händen, sie richteten sie auf den anderen und sprachen auf ihn ein.
Er drückte sich gegen den Baum. Es war ein Mann, Mitte dreißig vielleicht. Seine Haare standen in alle Richtungen ab und glänzten fettig im Schein der Taschenlampen, so als hätte er den ganzen Tag geschwitzt. MJ duckte sich tiefer zwischen die Äste, anders als in ihrer Erinnerung fehlten die Omegas. Es gab nur sie und die Gangster vor ihr.
Fordernd streckte eine der Schattenpersonen die Hand vor. Ihre Stimme wurde lauter und dennoch nahm Mina nicht mehr als ein Rauschen wahr. Da spürte sie etwas auf ihrem Bein, erschrocken zuckte sie zusammen und stolperte im Entengang einige Schritte zurück. Lautes Knacken und Rascheln hallte im Wald nach und zu einer Statue versteinert wagte sie es nicht, sich zu bewegen. Aber es kam niemand auf sie zu, niemand reagierte.
MJ erhob sich, dieses Mal auf ihre beiden Beine. Sie ragte über den Büschen auf und stach zwischen den dicken Baumstämmen hervor. Noch einmal wartete sie ab, ob jemand sie sehen konnte. Da richtete der Mann am Stamm seinen Blick auf sie. Durch seine dicken und halb zerbrochenen Brillengläser, sah sie in seine dunklen Augen und bemerkte die Angst darin. So sah Todesangst aus, dachte sie in dem Moment.
Dann drehte er seinen Kopf und wie vor einigen Stunden warf er die Schusswaffe auf den Waldboden vor sich. Als die kleine schwarze Maschine die Mosspolster und die Laubflächen berührte, wurden kleine Nadeln drumherum hochgeschleudert. Wie in Zeitlupe hob die Frau, die MJ zusammengeschlagen hatte, die Waffe auf und richtete sie auf den Kopf des Mittdreißigers.
Friedlich schloss er seine Augen, mit einer Hand an der Rinde, fuhr er mit ihr auf die andere Seite und ließ etwas fallen. MJ überlegte angestrengt, was wenn die anderen sie nun doch sehen konnten? Ein Lichtstrahl bewegte sich über den gesamten Wald, es schien, als würde einer der Schattenmenschen etwas suchen. Das Taschenlampenlicht verharrte an der Stelle, wo sie letzte Nacht mit ihren Freunden gesessen hatte.
Wieder drehte sie sich dem Mann zu, mit einem Fuß scharte vorsichtig Dreck über das vorhin gefallene Objekt und ließ dabei die ihm gegenüberstehende Frau nicht aus dem Blick. Sie bewegte sich keinen Millimeter, aber sprach offenbar mit dem Mann. Selbstbewusst schüttelte er seinen Kopf und hob sein Kinn. Sie lachte, warf ihr Haar über die Schultern zurück und hob die Waffe.
MJ setzte sich in Bewegung. Langsam bewegte sie sich auf den Baum zu und sah zu den Wurzeln. Auf dem Boden, zwischen den Nadeln und unter den Blättern lag ein kleines mit Leder bezogenes Notizbuch. Ein Symbol auf der Vorderseite. Es sah aus wie ein Spindelstock, dieses Teil auf dem man früher den fertigen Faden gesammelt hatte. Doch der Faden war dick und mit verblasster goldener Farbe bezogen.
MJ bückte sich vor, um nach dem Buch zu greifen, da ertönte der Schuss. Verschlafene Vögel flatterten aus den Nestern, neben ihr sackte die Leiche zu Boden und alles um sie begann zu verschwimmen. Ihre Hand lag am Boden, warmes Blut sammelte sich darauf und als sie zum Mann sah, schaute sie in seine bereits toten Augen. Ein Schrei kam über ihre Lippen, fühlte sich aber gar nicht mehr an, wie ihr eigener.
Das hatten sie anscheinend gehört, zumindestens die Person, die geschossen hatte. Die Frau hob ihren Blick und sah MJ in Gesicht. Ihre Gesichtzüge entglitten der gewohnten Kontrolle und sie sah stirnrunzelnd zu dem Teenager. Langsam verschwamm alles und wurde zu dunklen Umrissen, ehe MJ zu Boden fiel. Sie spürte nur noch den dumpfen Schlag an ihrem Hinterkopf.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro