[v.] halloween challenge [🎃 1 🎃]
»Write an interview between a cowardish journalist and a vampire.«
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Händeringend stand der kleine Mann vor dem großen eisernen Tor.
Es ragte unüberwindbar hoch vor ihm auf und schnitt wie die rostige Klinge eines Hackbeils in den dunklen Himmel. In der Entfernung glitzerten die Sterne wie frische Blutstropfen ... nervös trat der Mann von einem Fuß auf den anderen. Fahrig zupfte er die Mütze auf seinem Kopf zurecht, seine Gedanken kreisten um eine einzige Frage. Wieso bin ich noch gleich hier?
Sein inneres Stresslevel stieg mit jeder Minute, die er vor dem abweisenden Tor in der Kälte stand. Als seine Finger schon anfingen, unangenehm zu kribbeln, fasste er sich ein Herz, griff die mit Rost überzogenen Gitterstäbe und drückte. Zog. Keine Regung. Er seufzte.
Der Seufzer verwandelte sich allerdings schnell in ein entsetztes Keuchen, als er sich die Gitterstäbe etwas genauer ansah. Dort zeichneten sich dunkle, rote Spuren auf dem Metall ab. Zwar war es in der herrschenden Dunkelheit nicht sonderlich gut zu erkennen, aber er könnte schwören, dass es Schlieren von verkrustetem Blut waren, die sich vor ihm über die matt glänzende Oberfläche zogen. Seine Augen wurden groß vor Schreck. Tetanus und Sepsis, er wollte gar nicht wissen, an wie vielen Blutvergiftungen er alleine durch die kurze Berührung schon sterben würde.
Langsam kroch ihm die Kälte in die Knochen und der Mann zog seinen Schal enger um den Hals. Gegen Abend wurde es in den letzten Tagen zusehends nebeliger und die aufkommenden Schwaden sorgten nicht gerade dafür, dass das unwohle Gefühl in seiner Magengegend sich verzog. Der Nebel pirschte sich Meter für Meter an ihn heran, und dann - ZACK, würde er zuschlagen. Allein beim Gedanken daran fuhr er schon zusammen.
Einmal tief einatmen, Pause, einmal tief ausatmen. Eins, zwei, drei. Pause. Eins, zwei, drei.
Wieso musste es auch schon so verkackt früh so verkackt dunkel werden!? Der Termin war gerade mal auf fünf gelegt! Vor drei Wochen hatte er die Idee seines Chefs noch gut gefunden ...
Unruhig spähte der Mann jetzt zwischen den Metallstreben hindurch auf das Anwesen dahinter. Das unwohle Gefühl in seiner Magengegend stieg ins Unermessliche, als er die Allee an hoch aufragenden Bäumen erkannte, die zum Anwesen führten und deren kahle Äste wie knochige Finger nach dem Licht der Sterne griffen. Als wollten sie es auslöschen. Wie Kerzenflämmchen. Zack. Einfach so.
Und dich werden sie auch auslöschen. Zack. Einfach so, flüsterte ihm seine boshafte innere Stimme ins Ohr. Der Mann schüttelte den Kopf, als könne er seine Gedanken damit wegschleudern. Auf dass sie in den Tiefen der Dunkelheit verrotteten - in dem Loch, aus dem sie gekrochen waren.
Er schütelte sich noch einmal, gab sich einen Ruck und drückte auf den Knopf, von dem er ausging, dass es sich um etwas wie eine Klingel handelte. Erwartungsvoll beobachtete er das Tor, das sich sicher gleich öffnen würde. Nichts passierte. Unsicher trat er von einem Bein aufs andere. "Niemand da", murmelte er leise vor sich hin, wobei er nervös zu den erleuchteten Fenstern des Anwesens hoch starrte, "Dann kann ich jetzt ja-"
Ein scharfes Zischen wie eine akustische Rückkopplung unterbrach den Mann und erschrocken stolperte er zurück. Erst nachdem sich sein rasender Puls wieder etwas beruhigt hatte, stellte er fest, dass die blecherne Stimme aus einer Gegensprechanlage drang, die direkt neben dem Klingelknopf angebracht war. Doch keine Aleininvasion. Es brauchte einige verwirrte Sekunden, bis der Mann verstehen konnte, was die Stimme sagte.
"Hallo? Siend Sie taüb? Sie sprrrecken miet Büttler Joh- hann. Wie kann ick diennen?"
"Guten Abend, hallo. Ich habe, also nein, nicht ich, mein Chef. Er hat einen Termin für ... für heute ausgemacht. Genau, heute, auf fünf Uhr, ein Interview. Mit einem gewissen", hektisch kramte er in den Taschen seines Mantels nach einer Visitenkarte, "Vladimir ... Vladimir Marcel Hessli- nein, Hesseling."
"Aaaaahhhhh ... ja. Korrrektt. Das Inttervieww. Ihrrr Namme biette?"
"Mein Name? Ach, Name. Ja. Klar. Wohlprecht. Wolfgang Wohlprecht. Das ist mein Name. Wohlprecht, mit h nach dem o."
"Woohlprrechtt ... guuut. Tretten Sie ein."
Ein Schaudern lief Wolfgang über den Rücken, als der dubiose Butler seinen Namen aussprach. Ob es nur an der Gegensprechanlage lag wusste er nicht, aber es klang dunkel grollend und trug einen bedrohlichen Unterton mit sich.
"Jaaa ... und jetzt?"
Nur noch undeutliches, statisches Rauschen drang aus der Gegensprechanlage.
"Das Tor ... also, es ist zu. Ich ... ich kann nicht rein." Kaum hatte er die Worte ausgesprochen, kam er sich wie der größte Vollidiot vor. Er bekam immer noch keine Antwort, nur das Rauschen war inzwischen abgebrochen. Nach einigen Minuten des untätig Herumstehens war Wolfgang schon entschlossen, umzukehren und sich einfach eine Ausrede für seinen Chef einfallen zu lassen, die möglichst glaubwürdig war. Seine Theorie zur Alieninvasion würde er sicherheitshalber rauslassen. Doch genau in der Sekunde, als er sich umdrehen wollte, setzte das Tor sich mit einem schrecklichen Quietschen in Bewegung und schwang langsam nach innen auf. Das Geräusch zertrümmerte die erdrückende Stille wie ein Backstein eine Schädeldecke und hallte noch unerträglich lange in Wolfgangs Ohren nach.
Vor seiner dicklichen Gestalt öffnete sich der riesige Garten des Anwesens, der zu beiden Seiten mit seinem dichten Gestrüpp die Allee säumte. Ein Blick ins schattenhafte Dickicht und ein beunruhigender Gedanke überwucherte sein Gehirn. Was, wenn das Eingangstor die Leute nicht draußen halten sollte, sondern etwas ... hier drinnen? Mitten in der Bewegung blieb Wolfgang stehen, erstarrt, wie in Stein verwandelt. Seine Augen weiteten sich schreckhaft. Ein einziger Schweißtropfen floss an seiner Stirn herab.
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Leises, regelmässiges Platschen erfüllte die nächtliche Stille, als Wolfgang sich von einer Wasserlache zur nächsten kämpfte. Zum Glück trug er seine guten wasserfesten Stiefel, ansonsten wären seine Socken längst durchweicht und die Füße nass bis auf die Knochen.
Das silbrige Mondlicht drang nur zaghaft durch die Nebelschwaden, reichte jedoch gerade so aus, dass Wolfgang den Weg vor sich erkennen konnte. Wenn man das denn einen Weg nennen konnte. Je näher er dem Anwesen kam, desto stärker hatte sich die Pflastersteinstraße unter seinen Füßen aufgelöst und in den abgeschwächten Ableger eines Sumpfs verwandelt. Sporadisch ragten hier und da Büschel von Grünzeug aus dem Wasser, die schleimig glänzten und angaben, wohin Wolfgang als nächstes treten konnte, ohne dass seine Stiefel unnötig tief in den Schlamm gesaugt wurden. Denn es kostete ihm einiges an Kraft, die Schuhe jedes Mal wieder aufs Neue anheben zu müssen. Wolfgang keuchte schon verdächtig.
Gleich hatte er es geschafft! Wenige Schritte vor ihm konnte er schon wieder einigermaßen festen Boden erkennen.
Wieder auf dem festen, vergleichsweise trockenen Weg angelangt, musste Wolfgang seiner Lunge zuliebe eine kurze Verschnaufpause einlegen. Die kalte Luft brannte in seinen Atemwegen, weshalb er seinen Schal etwas höher zog. Dann drehte er sich um, um auf den bereits zurückgelegten Weg zurück zu blicken. Hätte er das lieber nicht getan, denn augenblicklich wurde der empfundene Stolz und die Erleichterung mit Unbehagen und ... einem kleinen Tropfen Angst verseucht.
Wolfgang schauderte unmerklich, als er die vielen Wasserlachen sah, die im zwielichtigen Mondschein wie milchige, blicklose Augen leuchteten und das Licht der Sterne aufzusaugen schienen. Unheimlich. Schnell drehte Wolfgang sich um.
In den letzten Minuten war er so sehr auf seinen Untergrund fokussiert gewesen, dass es ihn nun überrascht erwischte, als er seinen Blick von dem nun wieder aus Pflasterstein bestehenden Boden hob und das Anwesen vor ihm aufragte. Als wäre es in der Sekunde aus dem Boden geschossen - er hätte schwören können, dass es vorhin noch nicht so nah gewesen war.
Die gotische Fassade des Gebäudes würde einen deutlich weniger einschüchternden Eindruck machen, wenn sie weniger dunkel und verwittert aussehen würde. Wolfgang konnte nicht sicher festlegen, ob es sich bei den Außenmauern um verbranntes Holz oder nur sehr dunklen Stein handelte. Giftige Efeustränge schlängelten sich an den zwei Türmen und Erkern hinauf und vermittelten den Eindruck, als würde das Anwesen schon seit dem Mittelalter Wind und Wetter trotzen und bedrohliche Hexenwesen, sadistische Dämonen und menschenfressende Guhle mit offenen Armen empfangen.
Doch der Lichtschein, der aus den Fenstern nach draußen in die Nacht drang, erzählte von einladender Wärme im Inneren des Anwesens. Zögernd machte Wolfgang sich auf den Weg, dem Lichtschein folgend, unter das kleine Vordach der Eingangstür.
Kurz stoppte er, als er den Türklopfer aus Messing sah, der sein Gesicht zu einer schmerzverzerrten Fratze verzogen hatte und aussah, als würde er ihn mit den fingerlangen Reißzähnen gleich anspringen wollen. Doch Wolfgang überwand sein Unbehagen und tröstete sich mit den Worten, dass es ja nur ein Türklopfer war. Er musste sich keine Sorgen machen, der Türklopfer würde ihn schon nicht auffressen. Anders als der Bewohner des Anwesens. Aber es half ja nichts.
Bevor er es sich anders überlegen konnte, ließ Wolfgang den schweren Ring mit einem dumpfen Knall zwei Mal gegen die Türe donnern.
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