[iii.] Twilight Award pt. 1
Wie der Name schon sagt, gab es auf Wattpad mal einen Twilight Award [Oktober 2021], in dem es - Überraschung :D - um das Schreiben von Kurzgeschichten ging. Herzlichen Glückwunsch an alle aufmerksamen Leser - korrekt, ich habe das Präteritum benutzt. Leider konnte der Award nicht fortgeführt werden. Da ich jedoch bereits eine Geschichte verfasst hatte, fände ich es schade, wenn dieses unglaubliche literarische Meisterwerk vor den Augen der Welt verborgen bleibt. Und ich fasel schon wieder so unglaublich viel, dabei hatte ich mir doch vorgenommen, mich kurz zu fassen. Hrmpf.
Vermutlich wird es in irgendeiner Zukunft eine kleine Überarbeitung und auch eine Fortsetzung davon geben.
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Wie eine große runde Scheibe hing der Mond am Himmel. In seinem bleichen Licht erschienen die Wipfel der umstehenden Bäume wie die Zähne eines Ungeheuers, die vor langer Zeit aus dem Boden gewachsen waren und nun den nächtlichen Himmel zerschnitten.
Es waren kahle Bäume, die ihre knochigen Äste wie Finger in den Himmel reckten und gierig nach dem Licht der Sterne griffen.
Der Mann fühlte sich unwohl in dieser Umgebung, aber er hätte unmöglich weiterlaufen können. Dafür war er zu ausgezehrt von den Strapazen, die seine lange Reise gefordert hatte.
Auch sein Hund kauerte ausgelaugt neben ihm auf dem trockenen Boden, seine Seiten hoben und senkten sich im gleichmäßigen Takt seines Atems. Das einst wundervoll schwarz weiß gefleckte Fell war längst zerzaust, strubbelig und braun geworden.
Anfangs waren sie sieben gewesen, den Hund nicht miteingeschlossen. Nach und nach hatte einer nach dem anderen seinen Tribut gezollt und wurde von der Natur zurückgefordert - hinuntergezogen, in die dunklen Tiefen der Erde.
Sie hatten wohl eine Reise angetreten, die nie hätte sein sollen. Sie waren wohl Menschen gewesen, die nicht hätten existieren sollen. Sie hatten wohl Dinge erfahren wollen, über die keine Seele je Bescheid wissen durfte. Jetzt nicht und nicht in aller Ewigkeit. Dinge, die besser im Verborgenen ruhten.
Eigentlich sollte er wach bleiben, um seines eigenen Lebens Willen. Doch der leise Ruf einer Eule aus dem Wald, das Grillenzirpen, das die Luft erfüllte und ein sanftes Rascheln, das durch das ihn umgebende Gräsermeer fegte, lullten ihn ein. Müde gähnte er.
»Das Moor ist ein gefährlicher Ort«, hatten die Dorfleute aus Morrà gesagt, »geht nicht dort hin, wenn euch euer Leben lieb ist. Vor allem nicht bei Nacht«, hatten sie gesagt, »noch nie kehrte einer der Mutigen, der Törichten, derer, die es wagten, den Geist des Moores herauszufordern und nach der Dämmerung nicht wieder aus dem Moor zu verschwinden, lebend zurück.«
Dämmerung. Hexenstunde. Der Übergang vom Tag in die Nacht - dem Guten in das Böse. Die Zeit, in der die Monster vom Mond geleitet aus ihren Schlupfwinkeln krochen, um arglosen Seelen aufzulauern.
Aber ... hier? Gefahr? Hier sollte Gefahr lauern? Dabei fühlte er sich doch so wohl, an solch einem sanften Ort.
Erneut gähnt er.
Entfernt erinnerte er sich an Schreie. Grauenerfüllte Schreie. Schreie seiner Kameraden. Doch die Erinnerung verblasste ebenso schnell wieder, wie sie gekommen war.
Verschwommen. Alles so verschwommen ...
Das Lagerfeuer, das am Rande der Lichtung vor sich hin prasselte und knackte, wann immer ein Holzscheit in sich zusammenbrach, sandte lange, flackernde Schatten über die dunkle Wiese.
Sie streckten sich, wanden sich umeinander und tanzten ihren Tanz der Dunkelheit. In seinem schläfrigen Zustand nahm er sie Welt nur noch durch flatternde Lider wahr und hatte den Eindruck, dass ihre Kunststücke mit der voranschreitenden Zeit immer ruchloser wurden.
Plötzlich, von einem Windstoß angehaucht, züngelten die Flammen höher.
Sie wollten ausbrechen. Um sich schlagen und die Bäume, die sich in einigem Abstand aufreihten wie wachsame Wächter, zu einem stürmischen Tanz auffordern, sie mit ihrer brennenden Leidenschaft anstecken.
Doch die Brise war es schließlich, die sie an ihren Platz zurecht wies. Sie erhob sich zu einem Wind, der die Gräser auf der Ebene zu Boden drückte und bändigte.
Raschelnd verneigten sie sich.
Und ebenso tat es das Feuer, als es begriff, dass es sich dem Willen des Windes nicht länger widersetzen konnte. Nicht, ohne ausgelöscht zu werden.
Doch das gebändigte Feuer war nicht das einzige Licht, das die Schwärze der Nacht erhellte. In einiger Entfernung ragte eine Burg auf einem Hügel auf. Ihre Mauern und Türme machten einen verfallenen Eindruck und die Brücke, die zu einem Burgtor führte, lag zur Hälfte in Trümmern. Viele Herrschergenerationen hatte sie schon überdauert - sie war alt, sehr alt.
In den vielen Erkerfenstern der Burg glommen goldene Lichter und ergossen sich sanft wie Honig in die Nacht. Die Lichter betörte seine Sinne, seine Augenlider waren bereits am Zufallen.
Plötzlich war da dieses Licht.
Es tauchte langsam auf, anfangs noch beinahe nicht wahrnehmbar, dann wurde es immer präsenter. Schicht um Schicht wurde das Licht heller, bis es sich so deutlich vor seinen Augen abzeichnete, dass er diese, von Neugierde gepackt und gleichzeitig einem Überlebensinstinkt folgend, wieder aufschlug.
Bei der Betrachtung des Lichts rieselten statt der wohligen Wärme jedoch eiskalte Schauer über seinen Rücken. Waren die anderen Lichter alle gutmütig und freundlich, konnte man diesem unter keinen Umständen trauen.
Es hatte keine goldene Farbe, es strahlte keine Wärme aus, er fühlte sich bei dessen Betrachtung alles andere als wohl.
Das Licht war von einem sterilen Blau, das sich wunderbar in die gespenstische Szenerie um das Schloss einfügte, kalt und abweisend. Es befand sich auch nicht, wie die anderen Lichter, in den Erkerfenstern, sondern verweilte direkt auf den Trümmern der Brücke, die sich vor dem Eingang zum Schloss auftürmten.
Hell strahlte es durch den wabernden Dunst, klar und deutlich brannte es sich in seine Netzhaut ein, wohingegen die goldenen Lichter sich in der grauen Nebelwand beinahe auflösten, von ihr verwischt wurden.
Es wand sich. Es bewegte sich, es hielt nicht still. Wie Rauch quoll immer mehr bläuliches Licht aus seinem Inneren hervor, um sich dann wieder an den Rändern aufzulösen und zu Dunstschleiern zu verblassen. Es drehte sich, es schlängelte sich, und doch verließ es seinen Posten nicht. Wie ein schauriger Wächter schwebte es über der Brücke vor dem Schloss.
Es wartete.
Und bald würde es nicht mehr warten müssen.
Das Lagerfeuer war inzwischen beinahe heruntergebrannt. Schwach glomm die Glut noch, ein trauriger Nachhall des Feuers, das vorhin noch triumphierend über die Finsternis geherrscht hatte.
Lange würde es nicht mehr dauern, und die Wiese wäre wieder in samtene Dunkelheit getaucht.
Ein unangenehmes Prickeln auf seiner Kopfhaut ließ ihn auf einmal erschaudern.
Seit wann war es hier so still?
Wo waren die Geräusche geblieben? Das Schreien der Eule, das Zirpen der Grillen, selbst das Rascheln der Gräser war verstummt.
Von dem Adrenalin in seinen Adern angetrieben, stand er auf, alarmiert und plötzlich wieder hell wach. Das Blut rauschte laut in seinen Ohren und von seiner Benommenheit war nichts mehr zu spüren.
Ja, er hatte Legenden über diesen Ort gehört, die eine grauenhafter als die andere. Aber immer hatte er sie mit einem schelmischen Funkeln in den Augen als Ammenmärchen abgetan.
Kalte Finger krochen ihm das Rückgrat hinauf, inzwischen hatte er den warmen Kreis der glühenden Kohlen verlassen und sich weit genug vom Lagerfeuer entfernt, sodass es nur noch als schwacher Schein im immer dichter werdenden Dunst des Nebels zu erkennen war.
Erst jetzt bemerkte er die dichten grauen Schwaden, die aus dem Boden aufstiegen und die sich wie einen feuchtkalten Umhang um ihn legten.
Immer fester.
Immer besiztergreifender.
Immer tödlicher.
Ein unbehagliches Gefühl nistete sich in seiner Magengegend ein. Er hätte auf die Dorfbewohner hören sollen. Wünschte, er hätte sich nie so weit vor gewagt. Hoffte, er würde diese Nacht überleben. Anstatt sich Sorgen zu machen, sollte er jetzt lieber zurück zum Lagerfeuer gehen, dachte er sich, bevor der Nebel es ganz verschluckte und er die Orientierung verlor. Der Gedanke ließ ihn unwillkürlich schaudern. Verirrt im Moor ...
Kaum hatte er sich in Bewegung gesetzt, huschte plötzlich ein Schatten am Lagerfeuer vorbei, durch das Mondlicht konnte der Händler ihn gerade noch so erkennen.
Alarmiert griff er zu dem Messer, das er immer griffbereit an seinem Gürtel trug.
Doch er war zu langsam.
Ein Kratzen zeriss die unheimliche Stille. Ein gellender Schrei. Das Geräusch von reißendem Fleisch.
Dann ... Stille.
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26. Oktober 2021
1225 Wörter
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