-(11)- Alte Bekannte
Harry
Ich glaube ich hatte noch nie so viel Angst in meinem Leben, wie in diesem Moment.
Die erschlagenden Ereignisse machten mich einfach nur verrückt. Und die Tatsache, dass ihr etwas zugestoßen sein könnte , während ich im Vollsuff war, lässt mich beinahe dazu leiten, mich einfach in die nächsten Ecke zu flüchten. Und zu verkriechen. Verkriechendes klingt gut. Sich zu verkriechen klingt im Moment einfach wunderbar.
Ich bilde mir Sirenengeräusche ein und hoffe dennoch, dass sie echt sind. Aber Polizeiautos sehe ich keine. Die wären auch viel zu weit weg von diesem Ort.
Hibbelig rutsche ich auf meinem Sitz auf der Rückbank weiter hin und her, in der Hoffnung die Zeit geht so schneller vorbei.
Niall fährt immer noch wie ein betrunkener, einbeiniger Rentner, der die Ausfahrten nicht rechtzeitig sieht. Aber gleichzeitig schlängelt er sich wie eine Kopie des großen James Bond durch den Verkehr, ohne auch nur einmal ein anderes Auto zu rammen.
Wo hat er gelernt so zu fahren?
Die Einzige schlechte Sache daran ist, dass einem ziemlich übel durch die ganzen Kurven und Manöver wird. Vorhin hat es mich getroffen - jetzt scheinen Louis und sogar Shawn enorm blass.
Ach ja, RIP Liams Bauchtasche.
Ich kralle meine Finger in den Türgriff, um wenigstens etwas Halt zu finden. Gleichzeitig male ich mir sämtliche Szenarien aus, die eintreffen könnten, wenn wir den Ort erreicht haben.
Vielleicht wurde sie Zerstückelt oder in irgendeiner Lauge bereits aufgelöst. Wer weiß denn schon, was das für ein kranker Psycho ist.
Hat dieses Mädchen denn überhaupt nichts gelernt?
Am Ende mit den Nerven fahre ich mir über die Stirn um den Schweiß wegzuwischen. Aber viel bringt es nicht. Es fühlt sich immer noch so an, als wäre ich in einer Sauna.
Liam redet neben mir mit Zayn, aber ich verschwende keine Energie damit ihnen zuzuhören.
Viel eher konzentriere ich mich auf die Straße vor mir, in der Hoffnung mich etwas ablenken zu können. Vielleicht übersieht Niall ja doch noch aus Versehen ein Kätzchen oder eine alte Lady.
Anstatt den angegebenen zwei Stunden brauchen wir dank Niall nur eine und zehn Minuten. Ich glaube es liegt daran, dass er teilweise mit hundert durch die Straßen gerast ist. Teilweise habe ich schon damit gerechnet, dass meine Zeit hier abläuft, aber hey. Ich lebe noch.
Die Gegend ist abgelegen und ruhig. Die Häuser passen nicht in das typische Hollywood Image. Sie sind um einiges heruntergekommener.
Ich springe, als Niall den Wagen anhält, sofort heraus, um mir ein Gesamtbild der Umgebung einprägen zu können. Aber viel zu sehen gibt es hier irgendwie nicht.
"Das muss es wahrscheinlich sein, oder?", höre ich Shawn hinter mir fragen. Ich werfe noch einmal einen Blick auf die gegebene Adresse und vergleiche sie mit dem Haus vor uns, aus dem eindeutig Musik zu hören ist.
Vermutlich, damit man Emmas Schreie nicht hört, wenn er sie umbringt.
Mein Adrenalin ist am Höhepunkt angekommen, als wir alle vor der Türe stehen und nach einer Klingel suchen, die es anscheinend gar nicht gibt.
Damit niemand ihn bei seinem Vorhaben stören kann, vermutlich.
Ich sehe wie meine zittrigen Finger nach etwas suchen, das wie eine Klingel aussieht.
"Ach scheiss drauf! Jetzt bin ich dran!", meint Niall dann aber plötzlich und wirft sich nun, wie ich vorhin, mit all seiner Kraft gegen die Türe, die unter seinem Gewicht aufbricht und uns den Weg nach drinnen ermöglicht.
"Also Jungs, können wir nicht einfach wie ganz zivilisierte Menschen klopfen und warten, bis man uns die Türe öffnet?", beschwert sich Liam etwas.
"Halt die Fresse", fahren Niall und ich ihn nur synchron an, ehe ich selbst ins Haus trete und mich im ersten Raum umschaue.
Die Musik dröhnt durch alle Räume, durch die wir uns hindurch schleichen, wobei schleichen eher der falsche Ausdruck ist.
Louis und Zayn bekommen es irgendwie hin, gefühlt vier Mal gegen irgendetwas zu laufen, das dann auf den Boden fällt.
Sie sagen es liegt an dem fehlenden Licht hier drinnen. Also können sie, ihrer Meinung nach, ja überhaupt nichts dafür.
Also ich hätte unsere Ankunft schon längst mitbekommen.
Der Flur, durch den wir gehen, ist modrig und nicht gerade modern eingerichtet. Würde ich hier wohnen würde ich sofort einmal ein Renovierungskommando durchführen. Am besten gleich durch das ganze Haus.
Die Tapeten sind längst nicht mehr weiß. Ich würde sie eher mit einem netten eidottergelb beschreiben.
Der Teppichboden weist überall Flecken auf, die sogar in dem schwachen Licht leicht zu erkennen sind. Ich will gar nicht wissen, was das für Flecken sind.
Fenster und Rolladen sehen so aus, als würden sie das nächste Unwetter nicht geil überleben. Und diese hässlichen Bilder an der Wand, lassen einen nur daran denken, dass dahinter irgendetwas versteckt wird. Anfassen und nachgucken will ich aber trotzdem nicht.
Ich spüre, wie mich die Aufregung immer mehr übernimmt, je näher wir dem Lärm kommen, der immer noch gedämpft klingt.
"Was ist das hier..", höre ich Cameron hinter mir flüstern, während ich mich entlang der Wand taste.
Die Rollläden der Fenster sind hinunter gelassen worden. Nur vereinzelt treten Sonnenstrahlen hindurch.
Niall vor mir bleibt auf einmal stehen, sodass ich voll in ihn hinein laufe.
"Was-?", beschwere ich mich sogleich, aber da drückt er mir nur seine Hand auf den Mund.
Stumm zeigt er auf eine Türe, die einen Spalt geöffnet ist. Leichtes Licht drückt sich aus ihr heraus.
"Wo ist eigentlich diese bescheuerte Polizei? Hätte die nicht schon längst hier sein müssen?", höre ich Shawn fluchen. Er klingt bei weitem nicht mehr so ruhig und ausgelassen. Der Alkohol lässt wohl auch bei ihm endlich nach. Dennoch soll er gerade lieber die Klappe halten.
"Keine Ahnung. Stau vielleicht oder so", murmelt Zayn zurück, der in seinem Kleid bei weitem nicht so mysteriös wirkt, wie üblich. Es lässt ihn eigentlich eher schwul wirken. Wäre die Situation nicht so ernst, würde ich so schnell wie möglich ein Bild machen, um ihn damit so oft es geht aufzuziehen.
"Wie wäre es, wenn wir uns aufteilen?", schlägt Zayn vor.
"Oh ja perfekte Idee. Hast du denn überhaupt nichts aus Horrorfilmen gelernt?", keift Liam sofort zurück. Zayn verdreht darauf hin nur seine Augen.
"Tut mir leid, Herr Payne, aber ich habe noch nie einen gesehen!"
"Jetzt echt?", fragt Cameron überrascht.
"Mhm", stimmt er leise zu. "Die haben mir eben immer Angst gemacht."
"Scheiß egal, ob die dir Angst machen! Was sollen wir jetzt tun?", unterbricht Niall sie genervt. Ihm geht es wohl ähnlich wie mir.
"Also, Vorschlag: Ihr beiden Retter in Not geht jetzt da rein und checkt die Lage ab. Wenn alles rein ist, kommen wir nach. Klingt doch gut oder? Wer ist dafür? Hände hoch jetzt!", säuselt Cameron schnell herunter.
"Nichts da. Entweder alle oder keiner", widerspricht Shawn. "Motto aus meiner Jugendzeit in Kanada."
"Wunderbar", meint Louis weniger interessiert. "Los jetzt!"
Ohne auf weitere Meinungen zu warten, schlängelt Louis sich an uns vorbei um in die Richtung zur Türe zu gehen. Gespannt folge ich ihm dicht.
Ohne weiter großes Drama zu machen, was sich entweder als Fehler oder richtige Lösung herausstellen kann, öffnet er die Türe und verschwindet in dem Raum.
Niall zischt kurz nach ihm ebenfalls in die Türe, sodass uns allen gar nichts anderes übrig bleibt, außer ihnen zu folgen, es sei denn wir wollen sie elendig sterben lassen.
Na ja, was bleibt uns anderes übrig? Mit Popcorn gespannt auf ihre Rückkehr warten?
Also springe ich ebenfalls in den Raum, um festzustellen, dass sie bereits einen weiter gegangen sind. Mit schnellen Schritten folge ich ihnen.
Ich erkenne die steigende Lautstärke und die ansteigende Hitze, als hätte jemand absichtlich die Klimaanlage ausgeschalten. Vielleicht will dieser kranke Typ Emma ja grillen?
Oder mit ihr grillen um sie danach umbringen zu können?
Ich habe gar nicht bemerkt, das Louis und Niall stehen geblieben sind. Beide lehnen sich an den Türrahmen, der zum nächsten Raum führt, und sprechen irgendetwas miteinander, das ich nicht verstehen kann.
"Was ist?", frage ich ganz leise, als ich mich auf leisen Sohlen neben Niall stelle. Dieser schenkt mir einen kurzen, missbilligenden Blick, den ich versuche zu ignorieren.
"Hör hin! Da sind mehrere Stimmen als nur eine!", flüstert Louis zurück und nickt in Richtung des Geschehens.
Und tatsächlich höre ich nicht nur eine Person, oder zwei. Es klingt viel mehr nach drei oder fünf Leuten. Zuordnen kann ich jedoch keine.
"Und was nun?", frage ich mit großen Augen.
"Na ja, sagen wir mal, die sind zu fünft, dann sind wir immer noch zwei mehr", spricht Liam aus, der nun ebenfalls bei uns steht. Auch, wenn er sich etwas hinter Louis versteckt.
"Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit dass wir diesen Tag überleben werden?", fragt Zayn uns alle weniger ruhig. "Denn verdammt, ich hab 'ne Freundin und n' paar Haustiere und außerdem will ich wirklich nicht in einem Kleid sterben."
"Reg' dich ab!", fahre ich ihn genervt an. "Du wirst heute schon nicht sterben!"
"Kannst du mir das denn garantieren?", fragt er zurück. Ihm ist es wirklich ernst. Ich kann darauf hin nur meine Augen verdrehen und hoffen nicht auszurasten.
"Mama mia", höre ich Shawn gähnen. "Gehen wir jetzt rein oder soll ich uns noch n' Kaffee kochen?"
Cameron winkt nur irgendwas in seine Richtung und atmet tief durch.
"Bereit?," frage ich in die Runde, um
noch einmal abzuchecken, wie es allen geht.
Nicht, dass irgend jemand noch einen Herzinfarkt vor Aufregung bekommt. Wäre unvorteilhaft. Vor allem wäre es dann nicht mehr sieben zu fünf, sondern sechs zu fünf, und das wäre ja fast schon wieder Ausgleich.
Mit Mördern? Unvorteilhaft.
"Dann los!", sagt Niall, als jeder zugestimmt hat.
Mit einem Knall geht die Türe, angestoßen durch Louis und Niall, auf, und knallt gegen die Wand. Unsere Präsens wäre dann auf alle Fälle allen Leuten hier bewusst.
Falls es mit der Band die nächsten Jahre nicht mehr klappt, weiß ich auf jeden Fall, dass ich mich nicht als Einbrecher oder Krimineller insgesamt versuchen werde. Oder ich muss zuerst einmal einen Kurs belegen.
Mein Herz schlägt mir bis zum Hals, als ich ohne weiteres Überlegen mit in den nächsten Raum stürme, so bedrohlich wie es nur geht. Mein ganzer Körper ist angespannt, meine Venen stechen heraus und ich vermute mal, mein Kopf ist rot wie eine Tomate.
Ich bin so nervös, dass ich nicht mal klar denken kann.
Zwei Köpfe drehen sich überrascht in unsere Richtung, als wir zu siebt in den Raum eintreten, wie kleine Action Helden.
Ich muss zugeben; ein bisschen fühle ich mich ja schon wie in dem nächsten Actionblockbuster. Nicht wie in James Bond. Den Akzent hat nur Niall drauf.
"Was-?", ruft einer der zwei Männer aus, die mir überhaupt nicht bekannt vorkommen. Beide sitzen an einem kleinen Holztisch und haben die Zeit mit einem Kartenspiel verbracht.
Sie spielen Karten, während Emma da drin umgebracht wird? Ist das ihr fucking ernst?
Allein der Gedanke macht mich rasend vor Wut, sodass ich überhaupt nicht richtig denke, als ich einen der Beiden am Kragen packe und ihn mit voller Wucht gegen die Wand schleudere.
"Harry!", schreit jemand panisch.
"Wo ist sie?", fahre ich den Zweiten der beiden an, der mich nur ängstlich anguckt. Besser für ihn.
"Wer? Was? Wer seid ihr?", stottert dieser nur herunter und hebt die Hände ergebend vor den Körper.
"Wo zum Fuck habt ihr Emma hingebracht?!", brüllt nun Liam. Ich habe Liam schon lange nicht mehr so laut erlebt.
"E-Emma?", stellt er sich weiter dumm.
"Es reicht!", rufe ich aus und packe auch ihn an seinem Kragen, allerdings hebe ich ihn nur daran hoch. Noch.
"Okay, okay!", wimmert der Typ. "Wir sollten sie hier her bringen. Es war ein geschäftlicher Auftrag. Zwei Leute haben ihn uns gegeben. Sie müsste im Keller sein! Hier das nächste Zimmer die Stufen runter!", rackert er in einem Zug herunter.
Ich kneife meine Augen zufrieden zusammen und merke, wie die anderen sich schon auf den Weg machen. Da ich keine weitere Verwendung mehr für diesen Typen sehe, lasse ich ihn einfach fallen und springe den anderen hinter her.
Ich nehme zwei Stufen auf einmal, als ich die Geräusche, die sich unten ergeben, wahrnehme. So schnell es geht springe ich die letzten Meter zu meinem Mädchen, in völliger Angst und Panik.
"What The...?", höre ich Louis verwirrt sagen, als ich außer Atem neben ihm zu stehen komme.
Denn das Bild, das sich vor meinen Augen ergibt, kommt auch mir so vor.
Emma, gefesselt in einem Stuhl mit Apfel im Mund, die uns mit großen Augen anguckt. Auf ihrem Schoß liegt ein Bilderalbum, mit Bildern die ich vermutlich noch nie gesehen habe.
Und vor ihr stehen zwei Menschen, mit denen ich niemals an Ort und Stelle gerechnet hätte.
"Was macht ihr denn hier?", ruft Niall ungläubig aus.
Meine Augen mustern den Dänen und Laura lange, ehe ich überhaupt in der Lage bin die Situation zu realisieren.
"Was zum?", höre ich auch Zayn sagen.
Alex und Laura wurden von Cameron und Shawn gegen die Wand gepresst, damit sie vermutlich nicht wegrennen können.
"Ihr kennt die?", fragt Shawn verwirrt und lockert seinen Griff etwas.
Während die anderen damit beschäftigt sind, den beiden ihre Fragen an den Kopf zu werfen, jogg ich zu Emma und knie mich neben ihr herunter.
Ich kann gar nicht anders als sie anzulächeln. Einfach, weil ich so froh bin, dass ihr nichts passiert ist.
"Hi, du Problemmacherin!", spreche ich sie an, nachdem sie mich nur angeguckt hat. Ihre großen, blauen Augen schimmern verdächtig.
Na ja. Mit dem Apfel im Mund könnte ich vermutlich auch nicht sprechen.
Schnell löse ich sie von ihren Qualen ab und nehme ihr den Apfel aus dem Mund. Parallel schneidet Liam die Fesseln mit seinem Taschenmesser weg.
Einen Moment bleibt sie perplex sitzen, ehe sie mir direkt in die Augen guckt und dankbar nickt.
"Danke", flüstert sie leise, da kullert ihr auch schon eine Träne aus den Augen.
Es gibt nur ein paar, zählbare, Momente, in denen ich Emma weinen haben sehe. Und jedes Mal bricht es mir erneut das Herz sie so zu sehen.
Ich schließe einfach meine Arme um sie, weil ich mir vorstellen kann, das sie genau das, gerade braucht.
Jemanden zum Festhalten.
Auch Liam versteht und schließt sich ebenfalls der Umarmung an, die Emma dazu bringt immer weiter und lauter zu schluchzen.
Tröstend fahre ich ihren Rücken auf und ab. Ihre Finger krallen sich leicht an meiner Brust fest.
"Könnt ihr uns mal erklären, was hier los ist?", höre ich Louis aufgebracht fragen.
"Könnt ihr uns sagen, warum der Pakistani ein Kleid trägt?", fährt Alex zurück. Ein Blick zu ihm zeigt mir wie fertig er aussieht. Tiefe Schatten zieren seine Augen. Laura blickt nur stumm auf den Boden und sagt nichts.
"Das geht dich überhaupt nichts an!", ruft Zayn nur aufgebracht und zeigt mit dem Finger auf ihn.
"Leute!", ruft Niall genervt.
"Beruhigen wir uns doch alle mal. Wir haben sie gefunden. Unserer Freundin geht es gut, sie lebt. Und unsere anderen beiden Freunde hier werden uns jetzt mal schön sagen, was das Ganze Szenario hier überhaupt soll!"
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Hättet ihr das erwartet?:D
Dass Laura und Alex dahinter stecken? Also ich schon :D
Ein Kapitel für euch, frisch geschrieben aus Kroatien. Da bin ich nämlich gerade und liege im Meer. Nur so nebenbei erwähnt :)
Ich hoffe es hat euch gefallen!
Wer weiß wie die Beiden das nur rechtfertigen können 😏🤔
Ily,
Alina xx
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