Kapitel 4
Ich lehnte an dem großen Drucker, welcher an der Wand stand hinter Ella und nippte an meinem Kaffee, während ich die Personen musterte, die bei Lincoln ein und aus gingen.
Es war wirklich die halbe Stadt hier, nur um ebenfalls Teil am Stadtgespräch zuhaben, was vermutlich nach diesem Tag überkochen wird.
Lincoln trat aus seinem Behandlungsraum und blätterte durch einer Akte, bevor er sie Ella reichte. ,,Nimmt das kein Ende mehr?", fragte er und warf einen Seitenblick in das Wartezimmer.
Seine braunen Haare lagen ihm etwas chaotisch im Gesicht. ,,Nop. Willkommen in deinem neuen Job, Doktor Lincoln", sagte Ella lächelnd und reichte ihm eine neue Akte.
Er seufzte und verschwand wieder im Behandlungsraum, im Schlepptau von seiner neuen Patientin.
,,Und was hältst du von ihm?", fragte Ella und drehte sich zu mir. Ich nahm einen Schluck meines Kaffees und zuckte mit den Schultern.
,,Scheint ganz nett zu sein", meinte ich knapp, was mir einen fragenden Seitenblick von Ella einbrachte.
,,Ganz nett? Der Typ ist vermutlich der attraktivste Mann hier...wir werden uns vor willigen Frauen nicht mehr retten können", Ella lachte und ich verdrehte die Augen.
Bitte nicht. Darauf hatte ich nun wirklich keine Lust, dass hier Frauen ankamen, die wegen Kleinigkeiten einen Termin bei Lincoln haben wollte und sinnlose Zeit verschwendeten.
Die Praxistür schwang auf und Jenn betrat den Flur. Sie trug ihre Polizeiuniform und ihre dunklen Haare waren zu einem strengen Zopf geflochten.
Wenn man sie nicht kannte, wirkte sie auf den ersten Blick extrem kühl und arrogant, aber das war sie nicht...also zumindest, wenn sie einen mochte. Sie warf einen Blick in das Wartezimmer und zog eine ihrer dunkelbraunen Augenbrauen hoch.
,,Man könnte meinen hier gäbe es etwas umsonst", stellte sie fest und lehnte sich an die Rezeption, dabei musste sie etwas schmunzeln.
,,Naja unser neuer Chef ist förmlich zum Anbeißen", erklärte Ella mit einem vielsagenden Augenbrauen Zucken und ich verdrehte die Augen. Wenn jetzt Ella auch noch anfing von ihm zu schwärmen, musste ich mir wohl einen neuen Job suchen.
,,Oh, wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass ich noch einen Bissen abbekomme?", fragte Jenn provokant lächelnd, als Lincoln aus seinem Behandlungszimmer trat.
,,Hhm heute ist schon alles ausgebucht...aber vielleicht morgen?", schlug Ella vor und beide verfielen in ein lautes Lachen.
Jenn war dafür bekannt, dass sie sich nicht festlegte und von jedem Kuchen ein Stück nahm. Mit niemanden hat sie es bisher länger als eine Woche ausgehalten. Was wiederum bedeutete, das Lincoln nur ein Name auf der Liste wäre.
Das Theater wollte ich mir beim besten Willen nicht mehr geben, weshalb ich in den Pausenraum ging und meine leere Kaffeetasse in die Spüle stellte.
Unser Pausenraum war das einzig schön dekorierte hier in der Praxis. An der großen Pinnwand neben den Hängeschränken, hingen viele Zeichnungen, die uns Kinder geschenkt hatten oder einige Bilder von Owen, Ella und mir, wie wir irgendetwas unternahmen.
Wir drei sind zusammen aufgewachsen und besonders durch die Arbeit sind wir ein eingeschweißtes Team geworden, welches ich vermutlich nie wieder in dieser Form finden werde.
Nachdem ich etwas in Erinnerungen geschwelgt hatte, schnappte ich mir eine frische Tasse und füllte sie mit Kaffee, bevor ich in das Behandlungszimmer von Lincoln ging.
,,Kaffee gefälligst?", fragte ich und stellte ihm eine Tasse auf seinen Schreibtisch. Er war gerade über eine Akte gebeugt und lächelte mich dankend an.
,,Danke, du bist meine Rettung", sagte er seufzend und ich musste lachen.
,,Tja, das sagst du jetzt. Aber wenn ich dir die nächste Junggesellin herein bringe, verfluchst du mich", konterte ich und verschränkte die Arme vor der Brust.
Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück, welcher ein quälendes Knacken von sich gab.
Hier müsste mal dringend renoviert werden. Am Schreibtisch blätterte der Lack ab und schrie förmlich nach Erneuerung. Ganz zu schweigend von dem restlichen Behandlungszeug. Bisher hatten wir nur wenig Geld zur Verfügung, um irgendetwas zu erneuern. Deshalb war ich auch dankbar, dass wir endlich unser Wartezimmer erneuern konnten.
,,Bitte sag mir, dass das bald nachlässt", er stützte seinen Kopf auf seinen Händen ab und ich sah ihn mitleidig an.
,,Eine Woche und dann ist der ganze Trubel wieder vergessen, versprochen", versicherte ich ihm, bevor ich die Tür wieder hinter mir schloss und mich an die Arbeit machte.
***
Leider mussten wir wegen diesem Wahnsinn eine Überstunde machen, weshalb es schon lange dunkel war, als wir endlich aus der Praxis traten.
,,Wie wäre es mit Burger und Pommes bei Livi?", fragte Owen motiviert, als wir auf den Gehweg traten. Livi war Ellas große Schwester, die den kleinen Pub leitete, welche früher ihren Eltern gehört hatte.
,,So verlockend das Angebot auch ist, aber Bucky wartet sicherlich schon auf mich zuhause", meinte ich und steckte meine Hände in die warmen Taschen meiner Jacke.
,,Schade. Aber du, Lincoln, kommst doch mit, oder?", Owen gab nicht auf und sah ihn mit großen Augen an.
Diesen Blick konnte kaum jemand widerstehen, außer man war der gefühlskälteste Mensch der Welt.
,,Ich bin echt ziemlich k.o", antwortete Lincoln und Owen sah ihn enttäuscht an.
,,Pfff, komm ich mit klar, dass ihr keine Zeit für mich habt. Dafür hab ich ja noch Ella. Auf sie ist immer verlass", sagte er gespielt beleidigt und legte einen Arm um Ella.
,,Bei einem anderen Mal, Owen. Du weißt, dass Bucky dich sonst wieder in den Unterschenkel beißt", erinnerte ich ihn schmunzelnd, woraufhin er lediglich mit den Schultern zuckte.
,,Bucky Barnes ist auch der einzige gute Grund. Für ihn würde ich auch alles stehen lassen", meinte Owen schließlich und verabschiedete sich mit Ella von uns, um sich in Richtung Livi zu machen.
,,Bucky Barnes? Der Typ von Marvel?", ergriff Lincoln das Wort, als die beiden sich immer weiter von uns entfernten und ich nickte.
,,Genau der", erklärte ich stolz und ging los. Es waren ungefähr fünfzehn Minuten Heimweg, was nun wirklich keine große Leistung war, aber ich war so kaputt, dass ich auch nur eine kleine Runde mit Bucky gehen wollte, bevor ich dann total übermüdet in mein Bett falle.
Die Stadt war jetzt schon wie ausgestorben. Während wir über den einigermaßen freien Gehweg liefen, begegnete uns keine Menschenseele.
Die Fenster der Backsteinhäuser waren hell erleuchtet und es würde nicht mehr lange dauern, bis die Halloweendeko Einzug in die Vorgärten der Stadt nahm.
Die Straßenlaternen spendeten gerade so viel Licht, sodass man den vereisten Flächen gekonnt ausweichen konnte. Morgen würde vermutlich alles wieder eingeschneit sein und die Kinder hatten endlich genug Schnee, um Schneemänner zubauen und Schlitten zufahren.
,,Ich hoffe der erste Tag hat dich nicht total abgeschreckt", sagte ich und warf ihm einen kleinen Seitenblick rüber.
Er brauchte dringend wärmere Klamotten. In seinem Mantel musste er sich ja alle Gliedmaßen abfrieren. Die Kälte ließ er sich natürlich nicht anmerken
,,Naja...damit hab ich nun auch wieder nicht gerechnet gehabt. Ich hab mich schon etwas wie auf einem Sevierteller gefühlt. Du hättest mich ruhig vorwarnen können", gab er zu und ich lachte.
,,Dann wärst du vermutlich sofort wieder in den Heli gestiegen und nie wieder her gekommen. Das hätte ich nun wirklich nicht verantworten können", ich zuckte mit den Schultern und Lincoln seufzte.
Als wir an meinem Haus ankamen, fing es langsam an wieder zu schneien. ,,Was hast du eigentlich Freitag Abend vor?", fragte ich, bevor ich die wenigen Stufen bis zu meiner dunkelgrün gestrichenen Haustür hochstieg. Neben dieser stand eine kleine Holzbank, auf welcher ich gerne saß und einfach die Seele baumeln ließ.
,,Was sollte ich schon vorhaben?", stellte er etwas irritiert die Gegenfrage und ich lächelte.
,,Hiermit bekommst du die offizielle Einladung zu deiner eigenen Einweihungsparty. Nur eine kleine Runde, damit du dich besser einlebst", meinte ich begeistert und Lincoln zog seine Augenbrauen hoch.
,,Wenn das eine kleine Runde wird, so wie heute in der Praxis, dann bring ich dich eigenhändig um", seufzte er, was mich nur breiter lächeln ließ.
,,Tja zum Glück ist mein Testament schon längst geschrieben", konterte ich und lief geradewegs auf meine Haustür zu.
,,Ava", knurrte Lincoln drohend und ein Schauer lief über meinen Rücken. Ohne zu antworten ließ ich die Haustür hinter mir ins Schloss fallen und atmete tief ein.
Das war krank.
○●○●○●
Vergiss das ☆ nicht, wenn es dir gefallen hat.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro