
Kapitel 24
Es fühlte sich komisch an. Hier vor meiner Haustüre auf Lincoln zu warten, damit wir Ellas Oma einen Hausbesuch abstatten konnten. Der Gedanke daran, dass wir zusammen in einem Auto sitzen würden und wir das erste Mal seit zwei Wochen auf engsten Raum alleine waren. Ja, ich bin ihm aus dem Weg gegangen. Einfach aus dem Grund, weil ich mich erstmal sortieren musste. Als er vor meiner Haustüre stand, hatte ich alles erwartet. Mein Körper hat förmlich nach ihm geschrieen und gefleht ihn zu berühren, seinen Duft einzuatmen und sich einfach fallen zulassen. Aber ich bekam ein ,,Wir sind Freunde", was mich mehr vor den Kopf stieß als alles andere. Vielleicht hat es auch einfach meine schlimme Vorahnung bestätigt, dass ich nur ein Lückenfüller war, eine einmalige Sache oder ein Fehler. Die Spannung, die zwischen uns geherrscht hatte, war mit diesen Worten zum Schweigen gebracht wurden und es tat weh. Mehr als es eigentlich tuen sollte, wenn man darüber nachdachte, dass es noch nicht mal begonnen hatte...aber es hätte der Anfang von etwas schönem werden können. Es hätte.
Ein schwarzer Pick-Up fuhr vor und ich griff nach meiner Tasche, um mich dem Auto langsam zu nähern. Lincoln hatte sich anscheinend um einen Leihwagen gekümmert...nicht mal davon wusste ich etwas. Ich öffnete die Tür und mir wehte der Duft von warmen Kaffee entgegen. ,,Guten Morgen", sagte Lincoln und in seiner Stimme schwang Anspannung mit, die ich nur zu gut verstand. Ich wollte das hier einfach hinter mich bringen, schließlich war das auch unsere Arbeit. ,,Guten Morgen", erwiderte ich und schwang mich auf den Beifahrersitz. ,,Ich war eben noch kurz bei Helen in der Bäckerei...da dachte ich mir, ich bringe uns Kaffee mit", versuchte er ein Gespräch zu entwickeln und reichte mir einen warmen Pappbecher auf welchen kleine Lebkuchenmänner drauf waren. Morgen wäre der erste Dezember, also würde bald auch hier in Woodshill die Weihnachtsstimmung eintreffen. Irgendwie war mir dieses Jahr gar nicht so nach Weihnachtsstimmung. ,,Danke", mehr bekam ich nicht heraus und strich über den Becherrand. Mein ganzer Körper war angespannt, ein Zwiespalt zwischen den Wunsch sofort wieder auszusteigen und Lincoln zu berühren, ihm näher zu sein, als nur im Auto neben einander zu sitzen. Er startete den Motor und fuhr los. Ellas Oma wohnte am anderen Ende von Woodshill in einem kleinen Reihenhaus. Sie war seit einigen Jahren, kurz nach dem Tod ihres Mannes, an den Rollstuhl gefesselt, weshalb wir sie öfter besuchen kamen, wenn sie ärztliche Versorgung benötigte. Wobei ich immer noch der Meinung war, dass Ella das hier mit Absicht eingefädelt hatte.
***
Der Hausbesuch lief ohne weitere Komplikationen. Lincoln und ich verhielten uns wie einfache Kollegen. Wir arbeiteten als Team, mehr nicht. Bepackt mit selbst gebackenen Plätzchen und das versprechen, dass wir sie öfter besuchen würden, verließen wir das Haus und stiegen wieder in den Pick-Up. ,,Ellas Oma ist schon ein Herzensmensch", meinte Lincoln als er ausparkte. Dabei streifen seine Finger meinen Oberschenkel, als er den Rückwärtsgang einlegten. Diese Berührung hallte in meinen Körper nach, weswegen ich sofort einen Schluck von dem nun kalten Kaffee nahm. ,,Was dachtest du denn, wo sie ihre guten Gene her hat? Ella ist ihrer Oma so stark ähnlich", kommentierte ich und begann meine volle Aufmerksamkeit auf die Häuser zu legen, auch wenn ich dieses Viertel nur zu gut kannte. Ich spürte wie Lincoln mich eine Zeit musterte, aber ich blieb standhaft. Wir sind nur Freunde.
,,Du hättest hier abbiegen müssen", warf ich ein, denn ich war so auf meine Umgebung fokussiert, dass mir sofort auffiel, dass er einfach über die Kreuzung fuhr, ohne in Richtung Klinik abzubiegen. Ich riss mein Blick vom Fenster und sah ihn an. Aber er blieb stumm, während er sich langsam dem Stadtrand näherte. ,,Wir müssen zurück in die Praxis. Die Patienten warten auf uns. Verdammt, Lincoln was hast du vor?", fragte ich weiter, als er die Straße verließ und einen Waldweg entlang fuhr. Verflucht, wollte er die Achsen seines neuen Autos testen? Wenn er weiter in den Wald fuhr, würden wir noch im Schnee fest stecken bleiben. Aber er antwortete mir nicht. Verflucht. Nach einiger Zeit, blieb er stehen und schaltete den Motor aus. ,,Würdest du mir jetzt endlich erklären was das soll?", fragte ich und verschränkte meine Arme vor der Brust, während ich ihn ungeduldig musterte. ,,Das sollte ich dich vielleicht fragen", waren seine ersten Worte, die sein Schweigen unterbrachen. Ich zog meine Augenbrauen hoch. Das war jetzt nicht sein Ernst. ,,Bitte?", stieß ich hervor und er sah mir direkt in die Augen. ,,Du gehst mir seit zwei Wochen aus dem Weg. Ich habe dir diesen Freiraum gegeben...aber langsam reicht es, ich will wissen, was los ist. Sogar Owen ist das aufgefallen, dass irgendetwas los ist", fuhr er fort. Seine Stimme war so zärtlich, dass ich förmlich schmolz...und natürlich weil es plötzlich so unglaublich warm in diesem Auto wurde. ,,Das fragst du mich? Nach der ganzen Sache, die an dem Abend geschehen war und da rede ich nicht von deinem Dad, sagst du mir, dass wir nur Freunde sind? Nichts weiter?", antwortete ich ihm und er seufzte. ,,Sind wir das etwa nicht?", begann er und ich schluckte. Das hier war mir echt zu blöd. Ich schnallte mich mit meinen zittrigen Händen ab und öffnete die Tür. Ich hörte noch, wie er meinen Namen rief, bevor ich ihm vor der Nase die Tür zuknallte. Wie demütigend wollte er diese Situation zwischen uns noch gestalten? Es war schon schlimm genug, dass wir beinahe Sex gehabt haben und ich ihm nicht mehr bedeutete als Freundschaft. Was hatte er gedacht, was das wird? Eine Freundschaft mit gewissen Vorzügen?
,,Ava, jetzt warte doch", rief er, während ich den Waldweg zurück stapfte. Ich kann auch gut zurück in die Klinik laufen. Nochmal in das Auto stieg ich nicht ein. Mit schnellen Schritten holte er mich ein und griff nach meinem Oberarm, damit ich stehen blieb. ,,Wir sind Freunde schon klar, also lass mich los", erwiderte ich bissig, während er mich zu ihm umdrehte. ,,Was willst du hören? Das irgendetwas zwischen uns ist? Ich kann doch selbst nicht sagen, was das ist...und da lag für mich der Begriff Freundschaft eben am Nächsten", versuchte er sich zu erklären, jedoch ließ er meinen Oberarm nicht los, als würde er verhindern wollen, dass ich nicht doch noch los rannte. ,,Also bin ich einfach nur ein Zeitvertreib? So wie es dein Vater gesagt hat? Nur ein Hure für dich, damit du hier in diesem Kaff, wo du nie hinwolltest, nicht versauerst? Darauf kann ich verzichten, Lincoln", fuhr ich ihn an und er zuckte zusammen, als hätte ich ihm direkt ins Gesicht geschlagen. Gerade als ich mich von ihm losreißen wollte, griff er mit der anderen Hand nach meiner Wange und zog mich ran. ,,Du warst nie ein Zeitvertreib für mich, Ava", hauchte er und presste seine Lippen auf meine. Eigentlich hätte ich mich wegstoßen sollen, ihn eine Ohrfeige geben sollen...aber mein Körper tat was er wollte. Ich schmiegte mich an ihn und erwiderte den Kuss, in welchen so viele Emotionen lagen, dass es mir die Luft zum Atmen raubte. Meine Hände griffen nach dem Kragen seiner Jacke und zogen ihn somit noch näher an mich heran, während seine Zunge über meine Unterlippe strich. Ein Wimmern kam über meine Lippen, als ich diese langsam öffnete. Die Spannung, die ich für erloschen hielt, flammte genau in diesem Moment wieder auf. Mein ganzer Körper begann zu kribbeln, als Lincoln seine Hand, die vorher an meinem Oberarm war, an meine Taille legte und meine Hüfte an seine drückte. Lincolns Lippen lösten sich von meinen und sofort sehnte ich mich nach ihnen. Er lächelte mich an und strich mir eine Haarsträhne hinter das Ohr. ,,Du bist mehr als nur eine Freundin, Ava. Die letzten zwei Wochen waren ein Qual. Ich habe dich vermisst", flüsterte er, so als wollte er, dass wirklich nur ich es hörte. Die Worte, die alles wieder zusammen klebte, was kaputt ging. ,,Ich habe dich auch vermisst, Lincoln", raunte ich ihm zu und überbrückte den Abstand unserer Lippen. Bitte lass das ein Anfang für etwas Großartiges sein.
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