Vollmond
Am Abend saß ich in meinem Zimmer, die Sonne ging allmählich unter und wich der Nacht. Unten konnte ich Mom und Dad hören, die erneut in eine Auseinandersetzung geraten waren. Ich war niemand der Gespräche andere belauschte. Doch als ich meinen Namen hörte, sah ich von meinem Buch auf. Mein Herz begann zu klopfen. Hatte die alte Holmes bei mir zuhause angerufen? Wussten sie was heute geschehen war? Leise setzte ich einen Fuß auf den alten Dielenboden meines Zimmers und stellte mich hin. Lautlos schlich ich zu meiner Tür und öffnete sie ganz vorsichtig einen Spalt breit. Gerade genügend, um besser hören zu können.
„Aber es muss nicht so kommen Ronan", Mom klang besorgt.
„Clara, Schatz. Es wird so kommen. Ich wünschte nur, wir hätten mit ihr darüber gesprochen. Lola wird damit überfordert sein", sagte Dad beschwichtigend.
Ein Schauer jagte mir über den Rücken. Die Ameisen waren in ihren Bau zurückgekehrt. Was wird kommen und womit werde ich überfordert sein? Was redeten die bloß? War ich doch krank? Wussten sie etwas darüber? Mir platzte fast der Schädel.
„Aber vielleicht trägt sie es nicht. Wenn sie sich ihnen zu erkennen gibt, dann ...", Mom brach ihren Satz ab.
„Ich weiß Liebling. Doch du vergisst eines, wir reden hier von Lola. Sie wird sich schon zu behaupten wissen. Vorausgesetzt, es wird ihr überhaupt gestattet", Dad's Worte hallten in meinem Kopf nach.
Was wurde mir hier verschwiegen? Was war los mit mir? Was wussten meine Eltern, was ich nicht wusste? Angst übernahm mein weiteres denken. Ich wollte nicht länger lauschen. Leise schloss ich meine Tür und verkroch mich zurück in mein Bett. Mein Atem ging immer noch viel zu schnell. Das pochen war nach wie vor an Ort und stelle. Der Schmerz schwoll jedoch weiter an und wurde von Minute zu Minute stärker. Ich hatte Angst. Ich spürte wie sie mich völlig einhüllte. Selbst die kleine aufmüpfige Lola schwieg, sie war verschwunden. Hatte sich versteckt. Meine Augen brannten wie Feuer, dass Licht meiner Lampe war viel zu grell. Ich losch das Licht und lag schweratmend einfach nur dar. Ich drehte mich Richtung Fenster. Der Mond zog mich in seinen Bann. So groß, rund und atemberaubend schön, stand er am Horizont. Ich klammerte mich an ihn, er beruhigte mich ungemein. Ließ mich Geborgenheit fühlen. Tränen stiegen empor, doch den Grund dafür kannte ich nicht. Mein gesamter Organismus spielte verrückt. Auf einen Schlag war die Hitze in mir zurückgekehrt. Kleine Schweißperlen drangen aus allen Poren. In mir loderte das Feuer. Urplötzlich wurde mein Körper von Krämpfen überrollt. Ich wollte schreien, doch ich blieb still. Stumm wandte ich mich unter den Schmerzen. Meine Muskeln zogen sich zusammen, um kurz darauf sich auf das doppelte zu dehnen. Mein Herz hämmerte wie wild gegen meine Rippen. Ich krümmte mich und etwas zwang mich in dieser Haltung zu bleiben. Auf meinen Armen spürte ich etwas weiches, Flaum.
Nein.
Fell.
Fell?
Rasend schnell breitete es sich über meinen Körper aus.
Mein Kiefer knirschte.
Wurde ich verrückt?
Träumte ich? Verspürte man in Träumen schmerzen? Es musste ein Traum sein.
Das letzte was ich sah, war die Anzeige meines Wecker's.
00:01.
Was ist das? Seltsam.
Ich sah hinab und erschrak fürchterlich. So sehr, dass ich rückwärts kroch. Dies war unmöglich. Ich sah Pfoten.
Riesige weiße Pfoten.
Traum. Eindeutig Traum.
Ich wollte aufstehen, doch diese Pfoten, Beine machten es mir unmöglich. Ich fiel von meinem Bett und landete unsanft auf meinen Rippen. Doch ich verspürte seltsamerweise keinen Schmerz.
Oder bin ich tot?
Wackelig raffte ich mich auf und beugte meinen Kopf hinab. Ich sah meinen eigenen Bauch. Erschrocken wandte ich mich mehrmals um die eigene Achse.
Ein Schwanz?
Ein Schwanz!
Was zum Teufel...
Mein Herz blieb jedoch ruhig. Es klopfte stark und sanft vor sich hin. Behutsam machte ich einen Schritt vor dem andern, bis ich vor dem Spiegel stand. Wie eingefroren stand ich da und sah verblüfft meinem Spiegelbild entgegen.
Ich fühlte mich, jedoch war es anders.
Und dass, was mir im Spiegel gegenüberstand, war ein Wolf.
Ein Wolf?
Ich bin ein riesiger weißer Wolf!
Vorsichtig trat ich näher heran.
Ich öffnete meinen Mund und der Wolf sein riesiges Maul. Ich wandte mich etwas, um meine Seite sehen zu können. Der Wolf drehte mir seine Flanke zu. Sein weißes Fell war mit roten Strähnen überzogen. Dem gleichen rot meiner Haare.
Heilige scheiße!
Ich ging noch näher und begutachtete meine Augen. Das Grün waberte in mehreren Tönen.
Ich setzte mich hin.
Das war verrückt!
Ich begann zu lachen. Was sich äußerst verstörend anhörte. Glucksende, hechelnde laute drangen aus meinem Maul. Als ich mich wieder beruhigt hatte, ging ich zum Fenster. Es stand offen, wie immer.
Ich sah hinauf zu den Sternen. In mir wuchs der Drang, hinaus zu gehen. Ein Geruch umhüllte mich. Rosen. Ich begann zu wittern. Es roch unglaublich intensiv, als ob meine Nase, direkt auf der Blüte läge.
Das gibt es doch nicht.
Was war das?
Ich spitzte meine Ohren. Mein Kopf zuckte nach links. Erneut vernahm ich ein Geräusch. Einen Ruf.
Einen Ruf der mich erschaudern ließ. In Wellen kam die Hitze zurück und nahm mich völlig ein. Wer auch immer da rief, ich wollte ihn. Erneut witterte ich und fand augenblicklich diesen unwiderstehlichen maskulinen Duft, der mir meine Sinne nahm.
Ich stieß ein jaulen aus und erschrak, als ich meine Stimme wahrnahm.
Dann wurde ich plötzlich von einem Schwindel übermannt, dem ich mich nicht widersetzen konnte. Ich fiel zu Boden und driftete davon...
...Ich war völlig in meine Gedanken vertieft. Dieses Mädchen, mit ihren wilden Locken hatte etwas Animalisches an sich. Sie ging mir einfach nicht mehr aus dem Kopf. Wie sie sich mir in den Weg gestellt hatte. So mutig war schon lange keiner mehr gewesen. Das war genau dass, worauf ich die ganze Zeit über gewartet hatte. Es langweilte mich, dass jeder sofort aufgab. Doch Sie, Sie war anders.
War sie neu an unserer Schule? Ich hatte Sie zuvor zumindest nie wahrgenommen.
Ich sah ihr zierliches Gesicht genau vor mir. Wie sie mich provokativ angrinste.
Dies wird sie schon noch bereuen.
„Caleb kommst du? Wir wollen los!"
„Ja komm endlich"
„Caleb"
Mein Rudel riss mich zurück in die Realität. Als Alpha hatte ich gelernt, meine Gedanken für mich zu behalten. Dies war äußerst anstrengend, doch es gelang mir sehr gut. Ich blickte hinauf zum Himmel. Den Wolf in mir begrüßte ich mit offenen Armen. Längst spürte ich die Verwandlung nicht mehr. Keine Schmerzen, eher eine Erlösung. So fühlte ich mich wesentlich wohler in meiner Haut. Olivia pirschte sich an mich ran.
Warum können wir dieses Biest nicht zuhause besuchen? , ihre Stimme klang genervt in meinem Kopf.
Weil wir dies in menschlicher Gestalt erledigen werden.
Du hast aber schon gesehen, dass sie Rabu geschlagen hat, oder?, keifte Olivia.
Ich bin dein Alpha, halte dich zurück Olivia!
Du machst das, was ich dir sage!, knurrend und zähnefletschend zwang ich sie in die Knie.
Jammernd unterwarf sie sich. Ehe sie zurück an Rabu's Seite lief. Benny gab ihr einen stups mit einer Nase. Doch Olivia interessierte sich nicht für ihn. Auch ich hatte bisher noch keine Gefährtin gefunden. Keines der Mädchen im Rudel, erregte meine Aufmerksamkeit. Phönix war groß, irgendwo da draußen lief sie rum und ich würde sie finden. Denn ich bin der Alpha und mein Rudel wird das größte Rudel der Westküste werden. Sie wird an meiner Seite kämpfen und mir gehorsam sein.
Ich peitschte los, gefolgt von meinem Rudel. Es war Vollmond. Eine gute Zeit, neue Wölfe zu finden. Denn das Wolfsgen schlummerte und brach erst nach dem sechzehnten Geburtstag aus. In jeder Vollmondnacht machten wir uns auf die Suche nach ihnen. Denn dieser spielte bei der ersten Verwandlung ebenfalls eine wichtige Rolle. Er löste die erste Verwandlung aus. Da mein ehemaliger Beta Logan mir meinen Platz abspenstig machen wollte, entfachte er den Machtkampf. Dieser galt es stetig zu gewinnen. Was für mich bedeutete, so viele Wölfe wie möglich auf meine Seite zu ziehen. Sie mussten sich mir unterwerfen. An meiner Seite und für mich kämpfen. Ich durfte keine Schwäche zeigen. Bei niemandem. Derweil gab es auch keinen Beta in unseren Reihen. Wer auch immer es werden würde, musste sich diesen Posten erst verdienen. Loyal mir gegenüber sein.
Wir liefen den Wald entlang horchten und witterten. Doch diese Nacht schien niemand neues zu uns zustoßen. Um mir endgültig sicher zu sein, stieß ich meinen Ruf aus.
Laut.
Lang.
Melodisch.
Lauschend schlich ich über den moosbedeckten Waldboden.
Was?
Verwirrt sah ich mich um, witterte.
Dieser Duft. Er vernebelte meine Sinne.
Intensiv.
Weich.
Wie ein Blumenmeer.
Dies war mir kein bekannter Duft.
Auch das Rudel nahm ihn wahr.
Sie streckten ihre Nasen in die Höhe.
Ein Mädchen!, Benny sprach es als erster aus.
Ja...Ein äußerst gut duftendes Mädchen., gab ich zurück und sog den Duft tief in mir auf.
Dabei fühlte ich die Hitze aufsteigen. Ein Gefühl, dass ich schon zwei Jahre nicht mehr vernahm.
Mein Mädchen!, sprach ich mit fester Stimme.
Sie war meine Gefährtin und ich musste sie finden. Erneut stieß ich meinen Ruf aus.
Lauernd wartete ich ab. Dann vernahm ich ihren Ruf.
Kurz.
Hell.
Leidenschaftlich.
Dies war unser Stichwort.
Ich schlug die Richtung ein, aus der ihr Ruf kam. Ihr Duft wurde stärker. Intensiver. Doch da war noch ein Duft. Ein Duft den ich nur allzu gut kannte.
Logan.
Knurrend lief ich noch schneller.
Er würde sie mir nicht wegnehmen.
Niemals.
Logan! Er ist ganz in der Nähe., Rabu klang nervös.
Ich weiß., keifte ich zurück.
Ihr Duft verflüchtigte sich plötzlich. Nahm ab.
Nein!
Das durfte nicht sein. Nicht, ehe ich sie gefunden hatte.
Doch das Glück meinte es heute nicht gut mir mir. Wir hatten ihre Fährte verloren, ehe wir sie finden konnten. Sie war verschwunden und mit ihr auch Logan's Geruch. Er hatte aufgegeben. Die Hitze in mir war nach wie vor präsent. Ich wusste, dass sich fortan alles ändern würde. Denn es gab für mich nichts wichtigeres mehr, als sie zu finden...
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