Qualen
Ich hatte längst sämtliches Zeitgefühl verloren. Keine Ahnung wie spät es war. Oder welchen Tag wir hatten. Viel zu lange schon saß ich hier in der Dunkelheit fest. Meine Glieder schmerzten stark. Etliche Schürfwunden verspürte ich an den verschiedensten Stellen meines Körpers. Sie brannten und juckten gleichermaßen. Einige von ihnen waren heiß, was bedeutete, dass sie sich bereits entzündeten. Klein Lola hielt sich zurück. Sie wusste genau, wann es Zeit war, Abstand zu wahren. Immer wieder kam Mason zu mir hinein. Versuchte mich auf seine Seite zu ziehen. Doch ich blieb stark. Egal wie sehr er mir Leid zufügte, ich nahm es hin. Dies machte ihn meist noch wütender. Etliche Tritte musste ich bereits einstecken. Viele Male hatte er mir ins Gesicht geschlagen. Drohte mir, mich als seine Gebärmaschine zu nutzen. Spätestens dann, wenn Caleb tot war.
Caleb.
Bei dem Gedanken an ihn, wurde mir warm ums Herz. Umgehend verstummten die Schmerzen. Ich sah seine blauen Augen. Wie sie waberten, in sämtlichen Blautönen die es gab. Wie er mich anlächelte und mich darum bat, stark zu bleiben. Das tat ich. Die ganze Zeit lang tat ich nichts anderes. Doch ich spürte auch, wie mich allmählich meine Kraft verließ. Warum waren sie noch nicht gekommen? Warum? Ich spürte eine Träne, welche ich umgehend wegwusch. Ich würde keine Schwäche zeigen. Vor meiner Tür hörte ich einen äußerst aufgebrachten Mason. Mein Herz erhöhte umgehend seinen Takt. Irgendetwas stimmte nicht. Ich wusste nicht ob ich mich darüber freuen sollte oder ob ich mir Gedanken machen musste. Denn entweder es war gut für mich, oder Mason würde gleich seinen ganzen Frust erneut an mir aus lassen.
„Du hast gesagt, wenn ich sie in meiner Gewalt habe, würde er umgehend hier aufkreuzten! Waren das nicht deine Worte?! Rede Rabushka!", donnerte seine Stimme so laut, dass ich dachte sie stünden in meinem Gefängnis.
„Ich... ja, es tut mir leid Mason. Ich weiß nicht worauf er wartet... vielleicht ist sie ihm doch nicht so wichtig...", wimmerte dieses Miststück und ein lautes Klatschen ließ sie verstummen.
„Sie. Ist. Seine. Gefährtin! Also Rede keinen Unsinn! Du wirst nun ihre Wunden säubern, nicht das sie mir hier wegstirbt. Dies wird fortan seine Aufgabe sein. Denn irgendwo muss ich meine Aggressionen raus lassen", knurrte er gefährlich.
Dann herrschte stille. Außer das hämmern meines Herzens hörte ich nichts mehr. Bis plötzlich der Türknauf betätigt wurde. Das grelle Licht schmerzte in meinen Augen. So sehr, dass ich umgehend meine Augen schloss.
Erst, als der rötliche Schimmer nicht mehr flackerte, öffnete ich sie wieder. Rabu's Wange leuchtete Krebsrot. Dies zauberte mir ein fieses Lächeln auf meine aufgesprungenen Lippen. Was muss das für ein Bild abgegeben haben. Ich, kauernd auf dem Boden. Von oben bis unten übersät mit Schürfwunden und blauen Flecken. Aufgesprungenen Lippen und Beulen im Gesicht, grinste sie an. Die Verräterin.
Sie hatte es verdient. Mehr als sonst irgendwer. Verunsichert kam sie auf mich zu. In ihren zitternden Händen trug sie eine Schüssel mit Wasser und eine kleine Tasche. Deren Inhalt mich keineswegs interessierte. Das Wasser jedoch, umso mehr. Mein Mund war völlig ausgedörrt. Am liebsten hätte ich ihr die Schüssel aus den Händen gerissen. Doch auch diese Blöße wollte ich mir nicht geben. Die Tür schloss sie nicht, doch ich konnte Mason's Umriss erkennen. Nun zu flüchten, wäre töricht gewesen. Abwarten Lola, unsere Zeit wird kommen. Dachte ich mir und blickte zu ihr auf. Sie ging auf die Knie und sah mich unvermittelt an. Ich konnte so etwas wie Reue in ihrem Blick erkennen. Doch dafür war es zu spät. Sie trug die Schuld an diesem Schlamassel. Dies würde ich ihr niemals verzeihen können. Rabu stellte die Schüssel ab und kramte wortlos in der Tasche. Dann überreichte sie mir schweigend eine kleine Flasche Wasser und ein Butterbrot. Gierig riss ich ihr das Wasser aus der Hand. Ein wohliges Gefühl entstand, als das kühle Nass meinen Mund durchspülte. Ich nahm einen weiteren großen schluck. Hustend stellte ich sie hinter mich. Dieses Wasser würde ich mit meinem Leben verteidigen.
„Langsam, du hast schon länger nichts mehr getrunken. Nicht das dir übel wird", flüsterte Rabu und blickte kurz zu Mason.
„Als wenn dich das interessieren würde", fauchte ich, woraufhin sie zurückzuckte.
Sie nahm das Tuch und tauchte es in das Wasser. Dann hielt sie mir ihre Hand hin. Ich hob meine Hand nur widerwillig der ihren entgegen. Die Wunden zu säubern, war eben notwendig. Die Wärme ihrer Finger ließ mich erschaudern. Und ich erschauderte erneut, als ich das warme Wasser auf meiner geschunden haut spürte. Es war wie ein Segen. Ganz sanft und Vorsichtig tupfte sie die offenen Stellen ab. Säuberte sie von dem Schmutz, welchen es hier in meinem Kerker zu genügend gab. Dies tat sie mit beiden Armen, Beinen und meinem Gesicht. Dann sah sie mich abwartend an. Mein Blick huschte zur Tür. Mason war nicht mehr sichtbar. Ich zog mein Shirt aus und Rabu entwich ein Ton des Entsetzens.
Dieser Ton steigerte sich, als ich ihr den Rücken zuwandte.
„Heilige Scheiße...", nuschelte sie und setzte aber dann ihre Aufgabe fort.
Klein Lola spannte sich an. Sie war hervorgekrochen und hatte die Ameisen mitgebracht. Welche nun monoton zu schwirren begannen.
Ihrer Tasche entnahm sie eine Tube und mehrere Verbände. Welche Ironie. Rabu war hier, um meine Wunden zu versorgen. Nur damit Mason mir weiter schmerzen zufügen konnte. Aber genau dies konnte sich zu meinem Vorteil wenden. Wenn er ihr Vertraute und sie unachtsam werden würde, könnte ich Türmen. Also blieb ich ruhig und so freundlich, wie es mir möglich war.
„Benötigst du noch etwas? Ich könnte Mason darum bitten. Du musste es mir nur sagen", gab sie mit zittriger Stimme von sich. Während sie ihre Tasche einräumte.
Mir brannte es auf der Zunge. Ich schluckte jedoch alle bösen Worte hinab. Atmete tief durch.
„Ein anderes Zimmer wäre schön. Vielleicht mit einem Fenster. Hier ist es viel zu kalt", krächzte ich.
„Ich werde ihn fragen. Doch mach dir nicht allzu viele Hoffnungen", nickte sie und stand auf. Als sie an der Tür angekommen war, warf sie mir einen nicht zu deutenden Blick zu. Dann hüllte mich erneut die Dunkelheit ein.
Meine Hand tastete den Boden ab, bis ich die Brottüte gefunden hatte. Es war nur Brot mit Butter, aber es schmeckte vorzüglich. Es war wie ein Festmahl für mich. Meine Euphorie verschwand allerdings, als Mason zu mir in den Raum trat. Er führte fort, was er begonnen hatte. Immer wieder redete er auf mich ein.
Tag um tag. Wollte mich bekehren. Gab sich erst immer nett und freundlich. Doch seine Geduld hielt nie sehr lange an. Zugegeben, ich tat auch alles dafür. Ich provozierte ihn bis er seine Fassung verlor. Dann fiel der Schleier. Wie wild schlug er auf mich ein. Schrie mich an und riss an meinen Haaren. Mein Herz explodierte in meiner Brust. Die Schmerzen selbst waren erträglich. Zu lange unterlag ich seiner Folter schon. Ich schmeckte mein Blut, wie so oft schon. Irre grinsend blickte ich zu ihm auf. Mein Blick war verschwommen. Rote schlieren versperrten mir die Sicht.
„Bist du nun fertig für heute? Wie lange willst du noch versagen? Ich werde dir niemals gehorchen. Du musst mich wohl töten müssen", lachte ich hustend und stützte mich auf dem Boden ab.
„Ich werde dich nicht töten Lola. Ich werde dir weitaus schlimmeres antun. Du wirst dir noch wünschen, du seihst tot. Bleibe weiterhin so stur, allmählich habe ich großen Gefallen daran", grinste er und versetzte mir einen weitern tritt in die Rippen, ehe er mich an Boden kauernd zurückließ.
Wir diskutierten nun schon seit mehr als zwei Wochen und waren uns noch immer nicht einig. Meine Geduld war am Ende. Ich hatte keine Nerven mehr, zu warten. Zu überlegen, wie wir Lola befreien konnten. Klar konnten wir ihren Geruch nicht ausfindig machen, wie denn auch? Er würde ihr wohl kaum erlauben, sich zu wandeln. Und sicherlich hatte sie kein hübsches Zimmer bekommen. Weder Lola als Mensch, noch die Wölfin in ihr nahm ich wahr. Egal wie nahe ich der Grenze kam, Mason's aufdringlicher Duft übertünchte einfach alles. Logan versuchte gerade die Diskussionen in den Griff zu bekommen.
„Schweigt! Wir sind alle dafür, Lola aus seinen Fängen zu entziehen. Dennoch würde ein überstürztes Handeln uns alle gefährden", donnerte er über die Streitgespräche hinweg.
„Ich bin das warten satt Logan. Sie. Ist. Meine. Gefährtin! Wir können doch nicht einfach hier rumsitzen und darauf warten, dass ein Wunder geschieht! Denn dieser Fall wird nicht eintreffen!", unterbrach ich seine Rede und funkelte ihn wütend an.
„Ich sehe das leider genauso wie Cay. Wenn ich an stelle von Lola wäre, würdest du auch nicht warten. Wir müssen Handeln, umgehend", hielt mir zu meinem Erstaunen, Sarah bei. Wofür ich ihr sehr dankbar war.
„Wir sollten abstimmen. Lola zu befreien, heißt ja nicht zwangsläufig, dass es zu einem Kampf kommen wird. Wenn wir geschickt vor gehen, könnte das Glück auf unserer Seite sein", nickte Simon mir zu.
„Wenn er und wittert, wird es zu einem Kampf kommen! Seid ihr wirklich so gutgläubig? Und hofft auf Glück?", warf Phill in den Raum und sah einen nach dem anderen von uns an.
„Wer sagt, dass es unbedingt Glück sein muss? Lola ist schlau, sie weiß was sie tut. Sonst hätte sie sich längst gewandelt und nach uns gerufen. Habt ihr schon mal daran gedacht? Sie wird selbst den passenden Moment abwarten", mischte sich Emma ein. Worauf alle Alpha's sie mit hochgezogener Braue anblickten. Alle außer mir.
Denn Emma war immer noch auf Lola fixiert. Auch wenn sie sich längst mir unterworfen hatte. So ging es dem Großteil aller Wolfinen unserer Gemeinschaft. Aller außer den neuen, jene die Lola noch nicht kannten.
Luna stellte sich schützend an ihre Seite und nickte ihr zustimmend zu.
„Schaut sie nicht so an. Emma darf sich äußern. Ihr alle dürft dies. Es geht hier nicht um albernes Machtgehabe. Es geht um ein Leben. Über diese Belanglosigkeit sind wir längst hinaus. Sonst würdet ihr alle nicht hier in meinem Hause sitzen", übernahm ich erneut das Wort.
Natürlich war es niedergestellten Wölfen nicht gestattet, das Wort zu ergreifen. Doch wir hatten eine völlig neue Situation. Mir saßen fünf Alpha's gegenüber und blickten mich entgeistert an. Wenn Mason nicht aufgetaucht wäre, würde es diese Situation überhaupt nicht geben. Das alles hatte auch etwas gutes. Auch wenn es gerade nicht danach aussah. Kopfschüttelnd stand ich auf und gab mich für heute geschlagen. Emma hatte recht. Lola würde sich schon bemerkbar machen, sobald es eine Chance gab, sie zu befreien.
Ohne ein weiteres Wort, ging ich zurück in mein Zimmer. Ich schloss die Tür und gab mich meiner Verwandlung hin. So wie jede Nacht, seit Lola verschwunden war. Kraftlos trottete ich auf meinen Balkon und ließ mich darauf nieder. Ich wartete auf ein Zeichen. Auf ein Zeichen von meiner Lola.
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