Kleine Auseinandersetzung
Ich spürte bereits ein leichtes Kribbeln in meiner Magengrube. Dieses kribbeln war immer der Vorbote, dass etwas seltsames geschah. Es schwoll weiter an, was mich dazu bewegte von meinem Buch aufzusehen.
Unruhig rutschte ich ein Stück zurück und lehnte mich gegen die Trauerweide in meinem Rücken.
Ich ließ meinen Blick über das Schulgelände schweifen.
Einige meiner Mitschüler lagen in der Sonne und genossen diesen ersten lauen Frühlingstag.
Mein Blick wanderte in Richtung Sporthalle, was mich augenblicklich versteifen ließ. Kein Wunder das mein Magen von Ameisen aufgesucht wurde.
Caleb Blair und seine Gefolgschaft war im Anmarsch. Was auch der Grund war, weshalb einige Schüler ihren hart erkämpften Platz fluchtartig räumten.
Caleb und seine Sippschaft waren die angesagtesten Schüler unserer gesamten Schule. Jeder wollte in seine Gang, doch nur wenige kamen wirklich an ihn heran. Er war der heiße, immer Ärger suchende, achtzehn jährige Bad Boy. Mit seinen ein Meter neunzig war er hoch gewachsen. Seine Caramel braune Haut, schimmerte wie flüssiges gold im Sonnenlicht. Caleb's Körper war durchtrainiert, jeder einzelne Muskel war klar definiert. Ich mochte ihn nicht. Aber ich musste zugeben, er war heiß. Ein echter Leckerbissen.
Jedes Mädchen hätte ihm zu Füßen gelegen, bereitwillig ihre Schenkel gespreizt. Seltsamerweise interessierte er sich nicht die Bohne für die Mädchen an unserer Schule.
Gespannt verfolgte ich jeden seiner Schritte.
Seine strubbeligen schwarzen Haare wehten sanft in der frühlingshaften Brise, er sah so sexy aus.
Er wusste genau, wie er sich bewegen musste. Sodass seine Muskeln gut zur Geltung kamen. Als seine stechenden blauen Augen mich erfassten, sah ich umgehend beschämt zu Boden. Das Kribbeln wurde immer stärker, es nahm mir die Luft zum Atmen. Seltsamerweise konnte ich ihre Anwesenheit nun deutlich spüren.
„Das ist unser Platz, also verdünnisiere dich. Oder benötigst du eine extra Einladung?"
Seine raue kehlige Stimme hatte einen leicht aggressiven Unterton. Jetzt hatte ich den Salat. Ich hatte ihn ja unbedingt ansehen müssen. Ich Lola Anderson. Das ein Meter fünfundsechzig kleine, zierliche Mädchen mit den wilden roten Locken und den grünen Augen. Ich hatte ihn herausgefordert, in dem ich ihn angesehen hatte. Doch ich würde meinen Lieblingsplatz nicht einfach so aufgeben. Obwohl sich alles in mir sträubte, die Ameisen bereits besitz von meinem gesamten Körper genommen hatten, blickte ich zu ihm auf. Ich sah ihm direkt in seine Augen. So nahe war er mir noch nie. Das Blau seiner Augen waberte, als würden alle Blautöne eines Farbkastens geschmeidig ineinander verlaufen. Ein Mädchen, das immer an seinem Zipfel hing, ich glaube ihr Name war Olivia, stieß gegen meinen Fuß und keifte mich an.
„Hast du gehört was er gesagt hat? Oder bist du taub? Verzieh dich, sonst wirst du es bitter bereuen!"
Ich bereute es bereits schon jetzt. Ich wohnte gerade erst ein Jahr wieder in Phönix, Arizona.
Meine Eltern waren mit mir nach Deutschland gezogen, als ich noch ein Baby war. Mein Dad hatte deutsche Wurzeln. Weshalb es sie dort hin zog. Nun wollten sie zurück, was mir nicht leicht fiel. Leider hatte ich bei dieser Entscheidung kein Mitspracherecht. Dennoch hatte ich all meine Freunde zurück lassen müssen und ich hatte hier immer noch keine neuen gefunden. Ich war das seltsame Mädchen aus Deutschland, mit dem niemand etwas am Hut haben wollte. Eigentlich hielt ich mich immer von Ärger fern, doch nicht heute. Ich ahnte nicht, was diese kleine Auseinandersetzung freisetzte. Das dies mein Leben für immer verändern würde.
Ich sah noch immer in seine wunderschönen wabernden Augen und schloss mein Buch. Olivia schenkte ich keine Beachtung. Gespielt langsam erhob ich mich, ohne den Augenkontakt zu unterbrechen und faltete meine Arme vor meiner Brust.
„Warum sucht ihr euch nicht einen anderen Platz? Dieser hier ist mein, also werde ich genau hier bleiben."
Ich hatte nicht die geringste Ahnung was ich da gerade getan hatte, oder warum ich das getan hatte. Aber es fühlte sich gut an. Auf Caleb's Gesicht lag ein erstaunter Ausdruck. Ein Raunen ging durch seine Gefolgschaft. Es verstummte jedoch augenblicklich, als er seine Faust hob. Mein Herzschlag beschleunigte sich.
Wie ein Raubtier kam er auf mich zu, ein gefährliches lächeln umspielte seine vollen Lippen. Er blickte auf mich hinab.
„Ganz schön mutig, für so ein zierliches Persönchen wie du es bist. Findest du nicht? Ich werde dir deine Aufmüpfigkeit verzeihen, wenn du nun brav deine Tasche nimmst und gehst.", seine Stimme war nicht mehr als ein flüstern.
Sein aufdringlicher männlicher Duft drang in meine Nase. Er hüllte mich völlig ein. Wie konnte jemand nur so unverschämt gut riechen? Ich nahm seinen intensiven Geruch tief in mir auf. Trotz meines schnellen Pulses, machte ich einen schritt auf ihn zu. Ich bot ihm die Stirn. Obwohl alles in mir schrie, ich solle die Flucht ergreifen. Es fühlte sich an, als würde sich mein Körper auflösen. Als würde ich aus tausenden und Abertausenden Ameisen bestehen, die nun auseinander stoben und die Flucht ergriffen. Jetzt da ich ihm so nahe war, konnte ich kaum einen klaren Gedanken fassen. Mein Kopf war leer und doch herrschte darin das Chaos. Wirre Gedanken schwirrten durch meinen Kopf. Er begann zu pochen. Ich spürte einen Stich, direkt hinter meinen Augen. Ein leichter Schmerz. Doch ich hielt seinem eindringlichen Blick weiterhin stand.
„Nein.", atemlos und doch bestimmt drang dieses winzige und doch so bedeutende Wörtchen aus meinem Mund.
Das pochen hinter meinen Augen wurde stärker. Es war so, als wollten mich meine Gedanken in die Knie zwingen. So als ob mir jemand befahl, dies zu tun. Mein Instinkt jedoch setzte sich zur Wehr. Erstaunt und leicht verunsichert sah er mich an. Niemand bewegte sich, oder sagte auch nur ein Wort. Einzig das Geräusch meines Herzens nahm ich war. Es schlug hart gegen meine Rippen. Das Kribbeln der Ameisen wich einer Hitze, die nun vollends Besitz von meinem Körper nahm. Sie breitete sich aus wie flüssige Lava, die gerade aus einem Vulkan ausbrach und ihren Weg ins Tal aufnahm. Gerade als Caleb erneut zum sprechen ansetzte, läutete die Glocke. Sie erlöste mich aus seinen Fängen.
„Wir sprechen uns noch.", flüsterte er gepresst in mein Ohr.
Caleb wandte mir den Rücken zu und gab seiner Gruppe ein Handzeichen. Sie lösten ihre seltsamen Blicke von mir und folgten ihrem Anführer. Der wild gestikulierend Richtung Schulgebäude schritt.
Kaum war er gegangen, verflüchtigte sich die Hitze. Die Lava war erkaltet. Mein Herzschlag beruhigte sich allmählich. Auch das pochen verschwand. Doch das Adrenalin pumpte noch immer durch meine Adern. Mit zittrigen Händen hob ich meine Tasche auf und ging ebenfalls in das Gebäude.
Ich bekam nicht das geringste mit, was Mr. Lockwood uns versuchte beizubringen. Meine Gedanken hingen noch außerhalb des Gebäudes. Was war dort eben geschehen? Warum war ich so dumm gewesen, mich ihm in den Weg zu stellen? Was war bloß in mich gefahren? Aber vor allem, was war mit meinem Körper geschehen? Diese Hitze, der pochende Schmerz in meinem Kopf. Diese wirren Gedankenfetzen. Wurde ich etwa krank?
Ich versuchte diese Gedanken zu vertreiben, doch selbst am Abend verfolgten sie mich noch.
„Lola liebes, dein Vater hat dir eine Frage gestellt", Mom sah mich besorgt mit der Gabel in der Hand an.
Ich hatte ihrem Gespräch keine Beachtung geschenkt. Selten bezogen sie mich beim Essen in ihre Gespräche mit ein.
„Entschuldigt, ich habe euch nicht zugehört", sagte ich wahrheitsgemäß und blickte sie fragend an.
„Schon gut. Ich wollte nur wissen, ob du zu deinem Geburtstag ein paar Freunde eingeladen hast. Schließlich muss ich wissen, wieviel ich kochen muss", sagte Dad und tauschte einen geheimnisvollen Blick mit Mom aus.
Mein Geburtstag. In zwei Tagen wurde ich sechzehn und dies würde der zweite Geburtstag werden, den ich alleine mit meinen Eltern verbringen würde. Armselig, ich weiß. Ich nahm tief Luft und stocherte in meinem Salat.
„Nur wir drei, Dad", nuschelte ich vor mich hin.
„Lola, du musst unbedingt kontaktfreudiger werden. Du wirst nun sechzehn. Das ist ein bedeutendes Alter. In diesem Alter haben deine Mom und ich uns gefunden...", Mom unterbrach Dad's rede.
„Nicht Ronan", warnend sah sie ihn an.
„Was, warum nicht Clara? Sie wird es sowieso erfahren. Der Ruf ...", weiter kam Dad nicht.
„Ich sagte genug jetzt!", unterbrach ihn Mom erneut.
Verwirrt folgte ich ihrer Auseinandersetzung. Sie benahmen sie äußerst eigenartig an diesem Abend. Waren alle um mich herum heute verrückt geworden? Oder lag es am zunehmenden Mond? Es hieß ja, dass viele Menschen Mondsüchtig waren. Ich jedenfalls liebte den Mond und die Sterne. Auch ich konnte selten Schlaf finden, wenn der Mond groß und rund am Firmament stand. Während dieser Zeit, kramte ich immer mein Teleskop heraus. Ich war erneut in meinen Gedanken gefangen. Nach dem Essen ging ich rasch in mein Zimmer und beschloss heute früher zu Bett zugehen.
In den letzten drei Wochen, war dies eine richtige Tortur. Ich hatte seltsame Träume, glaubte ich zumindest. Denn ich erinnerte mich am Morgen kaum daran. Jedoch war ich geschlaucht, als hätte ich überhaupt nicht geschlafen. Hin und wieder blitzten Bilder auf, grüne Augen in der Dunkelheit. Oder ein Wald, ab und an auch das Firmament. In dieser Nacht träumte ich jedoch zum ersten Mal von blauen Augen.
Von Caleb Blair.
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