Viel Zeit zum Schreiben hatte ich nicht, als auch schon Remus auftaucht. In weiser Voraussicht habe ich den Muffliato vorher einfach bestehen lassen, auch die zweite Decke liegt noch bereit für ein weiteres Gespräch. Einladend deute ich darauf und Remus schüttelt belustigt den Kopf: „Ich sollte mich wirklich nicht wundern, dass du mich erwartet hast. Du machst das ganz schön professionell. Vielleicht solltest du über eine Karriere als Psychologe nachdenken". „Als was?", frage ich nach. „Psychologe. Das ist... Im Prinzip genau das was du machst. Ein Muggelberuf. Der Psychologe hört sich Probleme von Leuten an und versucht, ihnen zu helfen, oder sowas in der Art", erklärt Remus. „Das ist ziemlich genau das, was ich mache. Ich glaube nicht, dass ich sowas wirklich mein Leben lang machen will. Andererseits ist es wahrscheinlich einfacher, wenn es nicht meine besten Freunde sind, die mir erzählen, dass sie in jemand anderen aus meinem Freundeskreis verliebt sind. Ich schätze, deswegen bist du hier?", komme ich zum Thema. Remus nickt. Dann erzählt er: „Als ich den Jungs von meinen ... sexuellen Präferenzen erzählt habe, war die Reaktion nicht wirklich vorhanden. Peter hat einfach mit den Schultern gezuckt und gemeint, dass das ja nichts ändert. James war ein bisschen überfordert, aber er hat es auch gleich akzeptiert. Sirius... Er hat nichts dazu gesagt. Zuerst dachte ich, dass es ein Problem für ihn ist, aber ein paar Tage später hat er mich darauf angesprochen. Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, wie es ausgegangen ist, immerhin hast du ihn davon überzeugt, dass er seine blöden Fragen mir stellen soll". Beim letzten Satz wirft Remus mir einen etwas genervten Blick zu, der mich zum Lachen bringt. „Ich weiß nicht, was genau er für blöde Fragen hatte – auch wenn ich schon irgendwie eine Vorstellung habe – aber ich hab ihm eigentlich nur gesagt, dass es keinen Sinn macht, mich zu fragen, weil ich selbst keine Ahnung von dem Thema habe. Und dass du es ihm nicht übel nehmen wirst, dass er neugierig ist", gebe ich lachend zurück. „Damit hattest du auf jeden Fall recht. Ich glaube nicht, dass ich Sirius irgendwas lange übel nehmen könnte", wird Remus wieder ernst.

Ich verändere meine Haltung ein wenig, damit ich besser zu Remus sehen kann. Es ist klar, dass jetzt das kommt, über das er wirklich reden will. Erwartend sehe ich ihn an, bis er weiterspricht. „Ich kann ihn nicht einfach nach einem Date fragen. Nicht weil es unsere Freundschaft gefährden könnte, da haben wir definitiv schon Schlimmeres überstanden, sondern weil er definitiv hetero ist. Du weißt doch selbst, wie viele Freundinnen er in den letzten Jahren hatte. Ich glaube, du und Lily seid die einzigen, bei denen er es nicht versucht hat und die ihm auch nicht hinterherschmachten. Und das liegt von seiner Seite nur daran, dass er nichts mit Lily anfangen kann, solange James in sie verliebt ist, und dass er dich als Freundin zu sehr mag, als dass er es mit einer zweiwöchigen Beziehung aufs Spiel setzen würde. Wenn es überhaupt so lange halten würde". Ich schmunzle. „Ich weiß, warum Sirius' Beziehungen nie lange gehalten haben. Aber das soll er dir selbst sagen. Und nur weil er viele Freundinnen hatte, heißt das nicht, dass er nicht auch auf Jungs steht. Das müsstest du doch am besten wissen, oder?" „Schon", gibt Remus zu, „aber Sirius hat mich ausgefragt, wie das funktioniert. Wenn er selbst auch auf Mädchen und Jungs stehen würde, wüsste er das ja und müsste mich nicht fragen". „Das stimmt nur zum Teil", versuche ich Remus zu erklären, „Du darfst nicht vergessen, dass Sirius sehr streng und konservativ aufgewachsen ist. Vielleicht wusste er einfach nicht, dass so etwas möglich ist. Oder er hat die Stimme seiner Eltern im Hinterkopf, die ihm sagen, dass es falsch ist. Auch wenn er sich in ungefähr allem ihnen widersetzt, ist es schwer, etwas abzulegen, dass einem von klein auf beigebracht wurde. Also, wie du gesagt hast, eure Freundschaft überlebt die Wahrheit. Aber überlebt sie es auch, wenn du deine Gefühle in dich hineinfrisst?"

Nachdenklich starrt Remus mich an, dann rafft er sich auf und läuft ohne ein weiteres Wort vom Turm. Lächelnd sehe ich ihm nach, in der Hoffnung, dass er sich traut, Sirius um ein Date zu bitten.