Eine Bitte
„Willst du wirklich einen Mann mit dieser entstellten Visage in deinem Leben haben? Du könntest sicherlich einen besseren Mann finden, der nicht so furchteinflössend aussieht wie ich." Immer wieder überkamen ihn Zweifel und die Furcht, Kyla könnte ihre Entscheidung bereuen und einen besseren Mann finden. Kyla hatte ihm zwar keinerlei Anlass zu solchen Gedanken gegeben, doch er kam nicht ganz von diesen düsteren Gedanken los. Kyla wusste davon und litt mit ihm, doch sie versuchte ihm immer wieder zu zeigen wie ernst es ihr war und dass Äußerlichkeiten keine Rolle für sie spielten. Er gab ihr die Nähe und Geborgenheit, die sie nach dem Tod ihres Vaters und der Verlust ihrer Heimat so sehr vermisst hatte.
Sie ritten Seite an Seite durch eine verschneite Winterlandschaft, als er ihr wieder mal diese Frage stellte. Sie lächelte seine Zweifel einfach weg: „Niemals! Ich kann mir keinen besseren Mann an meiner Seite vorstellen.", antwortete Kyla bestimmt. „Mein Herz gehört Dir seit unserer ersten Begegnung damals im Wald.", fügte sie mit leiser Stimme hinzu. Er lächelte sie dankbar an. „Es geht mir genauso. Ich habe von Anfang an deinen Mut und deine Klugheit bewundert. Ein solches Weib war mir zuvor noch nie begegnet, welches nicht nur wunderschön ist, sondern auch noch hervorragend mit Pfeil und Bogen umgehen kann." Sie lächelte etwas verlegen. „Tja, Für meinen Vater war ich seine Tochter, aber auch zum Teil der Sohn, den ihm seine Frau nicht mehr schenken konnte. Und so lernte ich halt auch das, was ein Vater seinem Sohn beigebracht hätte. Vater meinte, ich sei ein Naturtalent beim Umgang mit Pfeil und Bogen." Erik nickte anerkennend. „Du hast scheinbar aber auch eine hervorragenden Lehrer gehabt." Kyla war inzwischen still und in sich gekehrt. So ritten sie eine Weile schweigend nebeneinander her. Schließlich hielt Kyla ihr Pferd an und sah nachdenklich vor sich hin. Erik brachte sein Pferd direkt neben ihr zum stehen und sah sie fragend an: „Bedrückt dich etwas?" Sie schüttelte mit dem Kopf. „Ich habe bis jetzt nicht gewagt, dich um Hilfe zu bitten bei einem für mich großen Vorhaben. Aber es mit ein wichtiges Anliegen und ohne deine Hilfe werde ich wohl scheitern.", antwortete Kyla leise und mit gesenktem Blick. Erik lächelte und küsste ihre Hand. „Du törichtes Weib. Wie könnte ich dir jemals eine Bitte ausschlagen." „Gerade deshalb fällt es mir schwer. Ich möchte nicht, dass du deine Entscheidung bereust und unglücklich wirst." Erik verdrehte die Augen. „Ich kann mir kein größeres Glück vorstellen als an deiner Seite. Da mag kommen was will. Also raus mit der Sprache, was hast du vor, wobei du meine Hilfe benötigst?" „Ich möchte wieder nach Hause zurück zu meiner Stammburg, zurück zu meinen Leute. Auf meiner Reise hierher habe ich meines Vaters Grab besucht und dort treue Gefolgsleute meines Vaters getroffen. Nach dem Besuch im Dorf wurde mir klar, dass ich meine Leute im Stich gelassen habe." Sie blickte ihn traurig an. Er sah sie aufmunternd an. „Das waren für uns alle damals schwere Zeiten. Ich glaube nicht, dass eure Gefolgsleute Dir Vorwürfe machen werden." „Es wurde nicht offen ausgesprochen, dennoch hatte ich das starke Gefühl, dass sie sich wieder einen Herrn oder eine Herrin wünschen, der Ihnen Schutz bietet und sich um sie kümmert. Sie waren lange auf sich selbst gestellt....zu lange. Ich hätte früher zurückkehren sollen, aber ich konnte einfach nicht. Die Erinnerung schmerzten zu sehr." Sie hielt kurz inne und fuhr dann fort: „Ich möchte wieder zurück in die Heimat und unsere Stammburg wieder aufbauen. Ich glaube, ich bin jetzt bereit, das Vermächtnis meines Vaters anzutreten und möchte für meine Gefolgsleute das sein was mein Vater immer war, Schutzherr und Förderer. Nur schaffe ich das nicht alleine. Erik, würdest du diesen Weg mit mir zusammen gehen wollen?" Sie sah in bittend an und wartete leicht nervös auf seine Antwort. Doch bevor er auf ihre Bitte antworten konnte, schoss ein Pfeil zischend an ihnen vorbei und verfehlte Erik's Schulter nur knapp. „Was war das?, fragt Kyla erschrocken und schaute sich um. „Runter vom Pferd!", forderte Erik energisch und zog sie vom Pferd ins dick verschneite Unterholz. Weitere Pfeile zischten durch die Luft. Sie hätten auch unweigerlich ihr Ziel gefunden, wenn Erik sie nicht rechtzeitig vom Pferd gezogen hätte.
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