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𓆈 4. Kapitel 𓆈 Die Falle

Amelie starrte minutenlang auf das Blatt Papier. Immer und immer wieder las sie die Schrift, die im Licht der Kerzen schimmerte. 

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Hoheitliche Berufung in die Schule der Drachenkünste von Tausendwasser -

Sonderbrief für die Einschulung auswärtiger Schüler und Schülerinnen 

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Darüber prangte ein kunstvolles Wappen, ebenfalls in goldener Farbe und zeigte Wasserfälle, die sich durch ein Muster von Ringen schlängelten. 

Nachdem sie es zehnmal gelesen hatte und das Wappen in all seinen Details bewundert hatte, dämmerte ihr langsam, dass es vielleicht eine Rückseite gab. 

Langsam, als könnte sie es mit einer unbedachten Bewegung kaputt machen, drehte sie das Pergament um und las mit immer größerem Staunen weiter: 

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Im Auftrag der Direktorin Lohit Leuchtfeuer  
Trägerin der Goldenen Schuppe, ehemalige Heerführerin, Mitglied des Hohen Kabinetts, Bändigerin der zehnten Stufe, Ring-Führerin der Widder und Herrin über die Weltenschlange Tarak 

ergeht an Sie,

 ehrenwerte Amelie Sturzflug, Tochter von Sachin Sturzflug, 

mit Vollendung ihres zehnten Lebensjahrs, die Aufforderung, sich zum Start des neuen Semesters in der Schule der Drachenkünste einzufinden, um ihre Ausbildung zur Bändigerin in der Hauptstadt Tausendwasser anzutreten. 

Das Semester beginnt am 25. Juni nach Mumpitz-Kalender . Die Abreise nach Tausendwasser erfolgt in der Nacht des 17. auf den 18. Juni nach Mumpitz-Kalender.

Erscheinen Sie bitte spätestens eine Stunde nach Mitternacht, planmäßiges Ablegen ist um 2 Stunden nach Mitternacht.

Bitte beachten Sie, dass kein anderer Termin möglich ist. Werden sie jedoch unfreiwillig an einem pünktlichen Erscheinen gehindert, wird Ihnen geholfen. 

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Ihre Zugangs-Zuordnung: 

040920 Siehdichum 

Bezirk Kochlöffel

Gullideckel 24A -B

Dock

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Nach Eintreffen in Tausendwasser erhalten Sie alle weiteren Informationen, inklusive einer Liste aller benötigter Schulmaterialien.

 Führen Sie bitte maximal einen Koffer Gepäck bei sich. Weitere Rucksäcke und andere Taschen können nicht mitgenommen werden. 

Ein Hinweis:

Ehrenwerte Eltern, bitte berücksichtigen Sie das Verbot für Jungbändiger, vor Schulantritt einen Funkling zu besitzen. Funklinge, die dem Schutz in der Außenwelt dienen, werden für die Überfahrt konfisziert und zu geeignetem Zeitpunkt zurückgegeben. 

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Möge Feuer Euren Weg erleuchten und Schwingen Euch beflügeln,

Scribbus Schuppenschrift 
Oberster Bibliothekar, Bändiger der sechsten Stufe

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Amelie las es. Und las es noch einmal. Und las es noch einmal. Mit jedem Mal ergab es weniger Sinn. Amelie Sturzflug? War damit sie gemeint? Aber sie hieß nicht Sturzflug, sondern Bauer!

 Was sind das überhaupt für Nachnamen? Sturzflug. Leuchterfeuer... Schuppenschrift? 

Sie wollte sich irgendwie darüber lustig machen . Würde sie es nämlich ernst nehmen, wüsste sie nicht, wie sie sich fühlen würde. Vielleicht wäre sie sogar vorfreudig. Vielleicht würde sie tatsächlich hoffen, dass das alles wahr war. 

Ach, zur Hölle! Drachen gibt es nicht! Das ist alles irgendein komischer Scherz!

Sie wollte das Papier aus einem überwältigenden Gefühl der Enttäuschung zerknüllen, da fing es auf einmal an, in ihrer Hand zu zerbröseln. Erschrocken versuchte sie, die Schnipsel aufzufangen, doch sie lösten sich zu einem hauchdünnen Papierstaub auf. 

Die Hälfte des Papiers war bereits verschwunden, da entdeckte Amelie einen kleinen, nicht ganz unbedeutenden Satz am Ende des Pergaments: 

WICHTIG: Schreiben Sie ihre Zuordnung innerhalb der nächsten Minuten auf ein separates Stück Papier, da dieses Schreiben aus Geheimhaltungsgründen nach fünf Minuten zerfällt. 

Sofort sprang Amelie auf, rannte so schnell sie konnte aus dem Speisesaal zu einem Schreibpult im Flur, packte den nächstbesten Stift und bekritzelte mit zitternder Hand den Zettel, den Minna als Einkaufsliste benutzt hatte . 

040920 Siehdichum

Bez. Kochlöf

Gulli 24A -B

Als der Zettel endgültig als Papiersand durch ihre Finger rieselte, konnte sie noch Dock 3 aus dem Gedächtnis hinzufügen. Immer noch zitternd hielt sie den Einkaufszettel fest umklammert. Anais war ihr hinterher gelaufen und schnupperte misstrauisch an dem Häufchen, das jetzt unscheinbar auf den Marmorfließen lag. Amelie sah abwechselnd zwischen dem Zettel und dem Haufen hin und her.

Jetzt hatte sie es doch aufgeschrieben. Diese Worte, die keinen Sinn ergaben.
Amelie sank mit glühenden Wangen und wummerndem Herz an der Wand hinab zum Boden und legte den Kopf in den Nacken. Der Flur war dunkel, bis auf das Blitzlicht, das immer noch die Decke über ihr in unregelmäßigem Takt erhellte. Anais setzte sich zu ihr und legte ihren Kopf auf die Schulter des Mädchens. 

Amelie lehnte ihren Kopf an den der Hündin. "Was soll das alles, Anais? Ich versteh' gar nichts mehr..." Sie hob den Zettel hoch und las ihn noch einmal.
Siehdichum, Kochlöffel, Gullideckel. Wie sollte sie das ernst nehmen?
Es gibt keinen Bezirk Kochlöffel! Und warum Gullideckel? grübelte sie wütend und raufte sich die Haare. Wollte jemand, dass sie in die Kanalisation hinabstieg? Sie schüttelte den Kopf und ärgerte sich, dass sie es überhaupt versuchte, zu verstehen. 

 17. Juni... das war morgen! 

Amelie ballte die Fäuste. Sie wollte aufhören, das alles für wahr zu halten. Eine Stimme in ihr wollte sie davon überzeugen, dass das vielleicht das Geheimnis war, das ihre Mutter ihr offenbaren hatte wollen. Das das irgendwie mit ihrer Andersartigkeit zu tun hatte. 

Aber sie hatte so große Angst, wieder enttäuscht zu werden. Sie fühlte sich nicht wie jemand Besonderes. Eher wie jemand Missratenes. Und wenn dieser Brief wirklich echt war... Dann... dann...

Während die Gefühle in ihr verrückt spielten, überkam sie schleichend eine lähmende Müdigkeit. Sie gähnte, dass ihr die Mundwinkel weh taten und rieb sich über die Augen. Wie spät es wohl war?
Sie klammerte sich an Anais und kam wackelig auf die Beine. Mit einer Hand auf den Schultern ihrer Hündin, in der anderen den Zettel, wobbelte sie langsam in ihr Schlafzimmer. Noch bevor sie ihr Bett erreicht hatte, fing sie an, einzuschlafen und das letzte, was sie mitbekam, war die Wärme von Anais, die sich an sie drückte. 

Am nächsten Tag wartete keine heiße Schokolade neben ihrem Bett. Stattdessen wurde sie von Anais geweckt. Amelie fühlte sich schrecklich unausgeschlafen und ihr Kopf tat weh. Etwas raschelte und sie sah, wie die Dobermann-Hündin ihr einen Zettel auf die Decke legte. Sabberflecken verunstalteten das Papier. 

Amelie streckte sich stöhnend und warf einen Blick auf die Standuhr neben der Tür. Kurz vor halb Sieben. Ihre übliche Zeit, um sich für die Schule fertig zu machen. 

Schule... irgendwie kam es ihr unwirklich vor, daran zu denken. Nach allem was passiert war, wollte sie nicht, dass es einfach so weiterging wie immer. 

Sie ahnte nicht, dass sie sich darum bald keine Sorgen mehr machen musste. 

Amelie nahm den Zettel und überflog die Nachricht. Die Handschrift war eindeutig Madame Minnas. 

Ihre Mutter und ich sind wegen einer dringenden Angelegenheit noch mehrere Stunden fort. Gehen Sie bitte wie gewohnt zur Schule. Ich oder ihre Mutter holen Sie um Punkt 13 Uhr ab.

Minna hatte die Worte in großer Eile geschrieben. Die Buchstaben sahen aus, als hätte der nächtliche Sturm sie umgepustet. 

Besorgt runzelte Amelie die Stirn und ihre Brust verengte sich. Ein ungutes Gefühl rumorte in ihrem Bauch. Irgendetwas war los und sie wollten es ihr nicht sagen, was. Sie warf die Decke von sich und schubste Anais unnötig grob weg, die vor ihr im Weg lag. 

Ihre Wut wich einem undefinierbaren, abgestumpften Gefühl und auch nachdem sie die kalten Reste des Abendessens gegessen hatte und sich auf den Weg in die Schule machte, begleitete Amelie das Gefühl wie ein schwerer Mantel, der sie nach unten zog. 

Die Welt kam ihr grau und schrecklich vor. Vorbeifahrende Autos bespritzten ihre Uniform mit Schlammwasser und machten ihren Regenschirm nutzlos. Bald waren ihre Strümpfe klatschnass und klebten wie Waschlappen an ihren Schenkeln.  Mit jedem Schritt erzeugte das Wasser in ihren Schuhen ein flatschendes Geräusch. Der Lärm der vorbeitosenden Motoren dröhnte schmerzhaft in Amelies Kopf. 

Anais hielt den Kopf geduckt und blinzelte gegen den entgegenpeitschenden Regen. Amelie hatte den Eindruck, die Hündin nahm ihre schlechte Laune persönlich. 

Während sie auf dem harten Asphalt dahin trottete, war sie sich des Stück Papiers in ihrem Mäppchen so bewusst, als würde sie eine Waffe offen mit sich herum tragen.  Sie hatte es heute morgen eingesteckt. Sie wusste nicht warum, aber... man konnte ja nie wissen. 

Bei der Schule angekommen, leinte sie Anais ab und sah ihr hinterher, wie sie in einem eiligen Trab nach Hause davonlief. Ihr athletischer Körper wurde bald von der grauen Regenwand verschluckt. 

Amelie zog die Schultern hoch und trug den bleischweren Knoten in ihrer Brust bis in ihr Klassenzimmer. Als sie an der Tür der Parallelklasse vorbeikam, beschleunigte sie. Auf keinen Fall wollte sie Johannes oder einem seiner Freunde begegnen. Mit dem Blick auf die geöffnete Tür hastete sie vorbei, nur um direkt in jemanden hineinzurennen. Sie stolperte zurück und hob den Kopf. Die kackbraunen Augen von Johannes starrten ihr entgegen. 

Natürlich. Natürlich musste es ausgerechnet Johannes sein. Ihr Herz sank in ihre Kniekehlen. 

"Tschuldigung.", murmelte sie kaum hörbar und wollte mit dem Blick auf den Boden geheftet an ihm vorbeihuschen, da trat er einen Schritt zur Seite und stellte sich ihr in den Weg. 

"Ey, du bist doch die Fette von gestern!", rief er so laut, dass es sicher noch im Stockwerk drunter zu hören war. 

Amelies Kopf schoss nach oben. 

Der dürre Junge mit dem roten Haar sah sie an, als könnte er sich zwischen Wut und Ekel nicht entscheiden. "Mit dir und deiner Freundin hab ich noch eine Rechnung offen", knurrte er und ließ seine Fingerknöchel knacksen. Seine hohe Stimme nahm ihm etwas von seiner Bedrohlichkeit, doch für Amelies Geschmack blieb genug Bedrohlichkeit übrig. 

Sie ging einen Schritt rückwärst und wich seinem Blick aus, aber Johannes machte einen Schritt vorwärts und packte sie am Oberarm. Amelie keuchte erschrocken, als der Schmerz durch ihre Schulter zuckte.  Verängstigt versuchte sie, sich zu befreien und griff nach seinen Fingern, die sich noch tiefer in ihren Arm bohrten.

"Heute bist du dran, Specki", fauchte er und schubste sie mit einem heftigen Stoß nach hinten, dass Amelie stolperte und hinfiel. Ihr Rucksack dämpfte den Aufprall, doch für ihre Emotionen hatte sie keinen Airbag. Voller Angst und Scham lag sie da und konnte die Blicke der vorbeigehenden Mitschüler nicht ertragen. Johannes grinste verächtlich auf sie hinab, bevor er sich umdrehte und mit lautem Gelächter in seiner Klasse empfangen wurde. 

Amelie vergrub ihr Gesicht in ihren Händen und unterdrückte ein Schluchzen. Sie versuchte aufzustehen, aber ihre Beine zitterten so stark, dass sie es nicht schaffte. Ihr Herz schlug bis zum Hals. Sie wollte nicht weinen, nicht hier, nicht vor Johannes und allen anderen! 

Plötzlich spürte sie, wie jemand seine Hände unter ihre Achseln schob und sie auf die Beine stellte. Sie sah über die Schulter und erkannte ihre Mathematik-Lehrerin Frau Kummerich, die sie besorgt begutachtete. "Fräulein Amelie, was machen Sie denn da auf dem kalten Boden?", fragte sie bestürzt und klopfte ihr den Staub von der Uniform. "Warum sind Sie überhaupt in der Schule? Nach gestern hatte ich erwartet, dass Sie heute zuhause bleiben!"

Amelie schniefte und wich dem Blick der hageren Lehrerin aus. "Danke, mir geht's gut", krächzte sie wenig überzeugend und hoffte, dass Frau Kummerich nicht weiter nachfragte. Das tat sie auch nicht. Mit einer Hand auf ihrer Schulter begleitete sie Amelie ins Klassenzimmer und als sie sich auf ihren Platz setzte, war Amelie doch enttäuscht, dass sie nicht nachgehakt hatte. 

Sie wollte Hilfe bei ihrer besten Freundin suchen, aber als sie sich umdrehte, war der Platz schräg hinter ihr leer. Raffa war nicht da. Sie fragte sich, wie es ihrer besten Freundin ging. Wie schwer war sie verletzt worden? War sie deswegen nicht in der Schule?
Amelie schluckte ihre Hoffnungslosigkeit hinunter und versuchte sich darauf zu konzentrieren, was Frau Kummerich sagte. 

Der Schultag zog wie hinter einer Nebelwand an ihr vorbei. Niemand rief sie auf oder schimpfte, dass sie die Hausaufgaben nicht gemacht hatte. Mit den Gedanken war Amelie überall und nirgendwo. Johannes Worte liefen in Endlosschleife durch ihren Kopf. Heute bist du dran. Heute bist du dran. Heute bist du dran. 

Was hatte er vor? Amelie knabberte an dem Radiergummi ihres Bleistifts. Immer wieder holte sie den Papierfetzen aus ihrem Mäppchen, als würde er ihr Kraft spenden. Doch wie konnten Siehdichum, Kochlöffel und Gullideckel ihr schon helfen? Sie kam sich lächerlich vor und stopfte ihn zurück zwischen die Stifte. 

Mama holt mich ab, dachte sie im Bemühen, sich selbst zu beruhigen. Auf dem Schulgelände konnte er ihr nichts tun und ihre Mutter würde am Tor warten. 

Doch ihre Mutter wartete nicht am Tor. 

Unter ihren Regenschirm gekauert, stand Amelie im Eingang der Schule und beobachtete, wie die Kinder nacheinander von ihren Eltern abgeholt wurden. Der Schulhof wurde leiser und leiser. Die Zeit verstrich und immer weniger Schritte hallten durch die Gänge hinter ihr. Amelie sah sich um, als könnte Johannes jederzeit aus einem Hinterhalt hervorspringen. 

Wenn nur Anais hier wäre... 

Jemand tippte auf die Schulter. Amelie zuckte zusammen und hätte beinahe ihre Faust in dem Gesicht des blonden Mädchen versenkt, das sie unsicher anlächelte. Gerade rechtzeitig stoppte sie sich und versteckte verlegen ihre Hand hinter dem Rücken. "Oh tut mir leid, ich dachte, du wärst jemand anderes", entschuldigte sie sich eilig.
Das Mädchen schien so alt wie sie zu sein, wahrscheinlich aus der Parallelklasse, und wirkte ganz schüchtern, wie sie da stand und von einem Bein auf das andere wippte. Sie wich Amelies Blick aus. 

"Ich... ich suche jemanden, der mir hilft.", stammelte sie und ihre Wangen wurden rot. Es war ihr anzusehen, wie viel Überwindung es sie kostete, Amelie anzusprechen. Nachdem sie einige Sekunden unsicher hin und her gewackelt war, brachte sie es endlich über die Lippen. Ihre Stimme war ein leises Flüstern, sodass Amelie sich ganz nah zu ihr beugen musste, um sie zu verstehen. "In meiner Unterhose ist... ist B...Blut. Ich weiß nicht, was ich machen soll." Ihre Lippe zitterte. 

"Oh." Amelie begriff. Madame Minna hatte erst vor kurzem mit ihr darüber geredet: was sie als Mädchen erwartete, wenn sie älter und zur Frau werden würde.  Auch das mit dem Blut hatte sie ihr gesagt, aber bisher war es Amelie noch nicht passiert.
 "Warte, ich glaube ich hab da was", sagte sie, nahm ihren Rucksack vom Rücken und wühlte in eine der Seitentaschen. Minna hatte ihr für alle Fälle etwas mitgegeben und ihr eingebläut, es immer bei sich zu tragen. 

Mit einem kleinen Gefühl von Triumph holte sie ein schmales, in Plastik gehülltes Etwas heraus und streckte es dem Mädchen hin. "Hier. Ich glaube, es ist ein Tapon oder so ähnlich." Das Mädchen sah sie mit großen Augen an. "Es ist... naja, du kannst es...", stammelte Amelie und wurde plötzlich selbst rot wie eine Tomate. 

Das Mädchen sah sie flehend an und machte einen Schritt rückwärts. "Können wir woanders hin gehen?" Amelie stimmte sofort zu und gemeinsam flüchteten sie mit glühenden Wangen durch das Tor hinaus. Sie liefen den Gehweg hinunter und kicherten wie verrückt. Außer Atem bogen sie bei der nächsten Kreuzung um die Ecke und verschnauften kurz unter einem der Bäume, die die Straße säumten.

Amelie sah sich um. Sie kannte diesen Teil der Stadt nicht. Ihre Mutter hatte ihr verboten, irgendwo anders hin zu laufen, als den direkten Weg nach Hause. Und sie waren in die andere Richtung gelaufen. 

"Passt es hier?", fragte sie und drehte sich um, doch das Mädchen war weg. Sie entdeckte ihre wehenden blonden Haare, wie sie hinter einer Tankstelle am Ende der Straße verschwanden. "Warte!", rief Amelie und lief ihr hinterher. Unruhe kroch ihr unter die Haut. Sie wollte zurück. Hier kannte sie sich nicht aus. 

Das Mädchen bog noch einmal um die Ecke und winkte ihr. "Bleib hier!", rief Amelie, doch sie war bereits wieder hinter der Mauer verschwunden. Amelie war sich ihres pummeligen Körpers schmerzhaft bewusst und war froh, dass die Tankstelle verlassen da lag. Niemand, der über das schwitzende Kind lachen konnte. 

Keuchend und hustend bog sie um die Ecke. Die Gasse war komplett dunkel und erstreckte sich ewig lang zwischen den zwei riesigen Gebäuden in die Dunkelheit hinein. Amelie blieb stehen. Ihre Angst meldete sich. "Wo bist du?" Amelie traute sich nicht lauter zu rufen. 

Das Mädchen rief von irgendwo in der Dunkelheit zurück. "Bitte komm, hier fühle ich mich wohl. Du musst nur ein paar Schritte laufen!" Amelie zögerte. Warum konnte sie die Schülerin nicht sehen? Vielleicht war sie ganz am Ende der Gasse und die Mauern hallten einfach besonders stark? Sie legte ihren Regenschirm zur Seite. Er war zu breit.

Unsicher tappte Amelie in die enge Gasse und sah sich immer wieder um. Das Licht der Straße wurde beunruhigend schnell kleiner und die Wände rückten immer näher auf sie zu. Amelie war vor Angst ganz steif. Die Luft roch abgestanden. Der Regen kam nur noch tröpfchenweise. 

Sie schimpfte sich selbst dafür, dass sie so feige war. Das andere Mädchen wollte nur unbeobachtet sein und hier konnte sie niemand sehen. Kein Grund zur Sorge. Wenn das Mädchen das schaffte, dann schaffte sie das auch. 

Amelie atmete tief durch und folgte der Gasse, bis die Mauern wieder etwas auseinander rückten und sie auf einen schattigen Hinterhof kam. Ihre Augen hatten sich noch nicht an die Dunkelheit gewöhnt, da hörte sie Schritte hinter sich. Sie fuhr herum.

Oscar!

Amelie erkannte Johannes' kurzrasierten Freund sofort wieder. Er hatte sich in den Eingang der Gasse gestellt und grinste ihr zahnlückig entgegen. Seine verschränkten Arme sprachen eine eindeutige Sprache:

Hier kommst du nicht mehr raus. 

Amelie fing sofort an zu zittern. Sie starrte Oscar an und Panik jagte heiß und kalt durch ihren ganzen Körper. Wenn Oscar hier war, dann -

"Wie schön! Du bist meiner Einladung gefolgt!"

Amelie schluckte. Drehte sich langsam um. Die Schockstarre lähmte sie. Ihr Mund war staubtrocken. 

Da stand Johannes. Hinter ihm das blonde Mädchen. Sie sah gar nicht mehr schüchtern aus. Eher wie eine sadistische kleine Hexe. 

Amelie konnte nicht schreien, nichts sagen. Sie starrte den Baseballschläger in Johannes' Händen an. 

Er kam gemächlich auf sie zu. Schwang seine Waffe wie eine Diskusscheibe. 

"Ich hab doch gesagt, du bist heute dran." Seine Schritte waren raumgreifend und selbstsicher. Kamen immer näher. 

"Deine dreckige kleine Freundin hat sich nicht in die Schule getraut", philosophierte er weiter und umkreiste Amelie. Sie ließ ihn nicht aus den Augen. "Das musst du jetzt natürlich ausbaden", sagte er mit einem bedauernden Tonfall, der so falsch klang, dass es weh tat. 

Als er einen ganzen Kreis um sie gedreht hatte, hob er den Schläger. Seine Zähne blitzten im Halbdunkeln. Amelie rannte los. Oscar riss die Augen auf und wappnete sich, da traf ein Schlag mit so einer Wucht ihren Rücken, dass sie lautlos zu Boden ging. In ihrer Brust war ein Vakuum. Sie bekam keine Luft. 

Schmerz tobte zwischen ihren Schultern. 

Johannes stellte seinen Fuß auf ihren Rücken und drückte sie noch fester auf den Boden. Amelie schrie auf. Er drückte seine Ferse genau dort hinein, wo er sie getroffen hatte. 

"Hör auf!! Bitte hör auf!", weinte Amelie und schluchzte verzweifelt, ihre Hände über dem Hinterkopf, um ihn zu schützen. "Ich hab doch gar nichts gemacht!" 

"Nichts gemacht?" Johannes schnaubte ungläubig. "Da haben wir unterschiedliche Meinungen, Pummelchen." 

Sein Schläger surrte durch die Luft.

Doch der Schlag kam nicht. Stattdessen kreischte Johannes auf. 

Amelie riss die Augen auf und konnte nicht glauben, was sie sah. Der riesige Streuner von gestern stand mit gefletschten Zähnen über Johannes, packte seinen Schläger und zermalmte ihn in kleine Stücke. Die Holzteile fielen klackernd auf den harten Stein. 

Johannes schrie und schaffte es irgendwie unter dem Hund hervorzukriechen, der noch beschäftigt war, die Holzsplitter auszuspucken. Kaum hatte er festen Boden unter den Füßen, sprintete er Oscar und dem Mädchen hinterher und ließ Amelie alleine mit dem Streuner zurück. 

Amelie lag immer noch bäuchlings auf dem Boden und bekam kaum Luft. Ihr Brustkorb schmerzte so sehr. Es war, als hätte ihn einer riesige Hand brutal zusammengedrückt.

Mit großen Augen beobachtete sie, wie der riesige Streuner in die Gasse starrte. Nach ein paar Sekunden drehte er sich um und ging langsam auf Amelie zu. 

Amelie weinte jetzt in Strömen. "Bitte", schluchzte sie. "Ich hab nichts getan. Ich hab deinem Welpen nicht weh getan" Die Schluchzer waren genauso schmerzhaft wie das Atmen. Johannes war weg. Aber dieser Hund jagte ihr eine genauso große Angst ein. Wollte er sie jetzt für die Taten der Jungs büßen lassen? Oder dafür, dass Raffa den Welpen mitgenommen hat? 

Die Krallen des Hundes kratzten über den steinigen Boden und Amelie kniff die Augen zu. Sie spürte seinen Atem über ihr. Dann, ohne Vorwarnung, schleckte eine warme Zunge über ihre Wange. 

Unendliche Erleichterung durchströmte sie. Mit verweinten Augen sah sie zu ihm auf. Sein Ausdruck war sanft und seine feuchte Schnauze schnüffelte ihr ins Gesicht. Er stupste ihre Schulter an und half ihr, sich aufzusetzen. 

Dankbar hielt sie sich an dem Fell ihres Beschützers fest. 

Doch als ihre Fingerspitzen sein Fell berührten, jagte plötzlich ein elektrischer Impuls durch ihren ganzen Körper. 

Vor ihren Augen wurde alles grell weiß und ihre Ohren piepsten so laut, dass sie es in ihren Zehenspitzen fühlte. 

Ihr wurde so heiß, dass sie nach Luft schnappte. Ihre Haut glühte und die Hitze kroch ihr in jede Pore. Ihr Herz trommelte in einem feurigen Rhythmus gegen ihre Rippen. 

Nach ein paar Herzschlägen voller Orientierungslosigkeit wurde ihr Sichtfeld wieder klarer und sie versuchte zu begreifen, was sie sah. 

Der Streuner verlor vor ihren Augen sein Fell. Büschelweise verschwand es und eine ledrige Haut kam darunter zum Vorschein. Sein Kopf schwoll an, als würde er platzen, doch dann verlängerte sich plötzlich sein Kiefer, wurde breiter, größer. In dem aufgerissenen Maul wuchsen die Zähne zu riesigen Dolchen heran und die Zunge verfärbte sich dunkel. 

Amelie verfolgte die Verwandlung mit stillem Entsetzen. Immer noch wurde ihr heißer und heißer. Schwindel ließ ihre Sicht verschwimmen. 

Die Geräusche gingen ihr unter die Haut. Es klang als würde Knochen an Knochen reiben. 

Innerhalb weniger Sekunden hatte der Hund die Größe eines Kleinwagens. Ein paar Sekunden mehr und er war so groß wie ein LKW. Sein Hals wurde länger und seine Vorderbeine verformten sich. 

Amelie schrie, als gewaltige Fortsätze aus seinen Pfoten hervortraten und sich vor ihren Augen mit einem feinen Membran verbanden. Es waren Flügel. Flügel mit einer Unterarm-großen Klaue an der Stelle, wo vorher die Pfote gewesen war. 

Sie bekam keine Luft mehr. Die Hitze und der Schmerz überwältigte sie. Schwarze Flecken tauchten vor ihrem inneren Auge auf. Ihr ganzer Körper prickelte. 

"AMELIE!!"

Die Stimme ihrer Mutter. Das war alles was Amelie brauchte. Jetzt würde alles gut werden.

Alle Geräusche erstickten und Amelie versank in einem fiebrigen Nebel. 

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Hehe und weiter geht es mit unserem Abenteuer! ヾ( ˃ᴗ˂ )◞ • *✰ aaa es macht mir so Spaß, dieses Buch zu schreiben!! 

Ich wollte eigentlich das Kapitel an einem Punkt später in der Geschichte enden lassen, aber das ist einfach so ein perfekter Cliffhänger, also... sorry meine Lieben (˶˃⤙˂˶)

MUCHA AMORE ♡〜٩( ˃▿˂ )۶〜♡




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