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vierunddreißig

take my mind
and take my pain
like an empty bottle takes the rain

ENTGEGEN meiner Erwartungen ist die Feuerwehr doch noch aufgetaucht. Allerdings in Begleitung der Polizei. Und allmählich dämmert mir, warum Yannik mich angerufen hat, und nicht die Ordnungshüter. Mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit ist es illegal, einen Kran hochzuklettern und sich dort im Führerhaus zu verstecken.

Yannik sagt kein Wort. Nicht, als die Feuerwehr ihren eigenen Kran nutzt, um uns zurück auf den Boden zu befördern, nicht, als wir sicher und unversehrt unten ankommen und auch dann nicht, als wir von Polizisten umzingelt werden.

Erst während der Befragung lässt er sich ein paar Worte aus der Nase ziehen. Eigentlich betont er bloß immer und immer wieder, dass ich auf den Kran geklettert bin, um ihn zu retten und man mich gehenlassen soll.

Die Polizisten nehmen meine Daten trotzdem auf und weisen mich darauf hin, dass ich in den nächsten Wochen Post von ihnen bekommen werde. Doch es sieht ganz danach aus, als wäre ich mit einem blauen Auge davongekommen.

Nach einer halben Stunde lassen sie uns in Ruhe und versammeln sich am Wagen, um die gesammelten Daten an die Wache durchzugeben.

Yannik steht ein paar Meter weiter weg, die Hände in den Hosentaschen vergraben, die Kapuze seines Pullovers tief in die Stirn gezogen, so als würde er sich vor der ganzen Welt verstecken wollen. Als ich ihm schließlich in die Augen schaue, erwidert er meinen Blick. Unbewusst mache ich ein paar Schritte auf ihn zu. Er tut es mir gleich, bis wir uns direkt gegenüberstehen.

Der Wind rauscht leise im Hintergrund. Ein paar Strähnen haben sich aus meinem Pferdeschwanz gelöst und wehen mir ins Gesicht. Aber ich habe nur Augen für Yannik. Er sieht wirklich schlimm aus. Seine Haare hängen ihm trüb und leblos in die Stirn und unter seinen roten, geschwollenen Augen zeichnen sich dunkle Schatten ab. Sein müder Blick ruht auf mir, abwartend, ruhig. Das Blaulicht wirft in regelmäßigen Abständen etwas Farbe auf sein blasses Gesicht.

»Musst du mitfahren?«, breche ich die Stille zwischen uns. Meine Hände brennen vom Klettern und meine Arme fühlen sich schwer an, kaum noch wie meine.

Yannik lässt seinen Blick wandern, zum Polizeiauto neben uns. Dann nickt er langsam.

Wieder ist es still zwischen uns. Wieder sehen wir uns an.

Mein Kopf ist voller Fragen, aber kein Wort kommt mir über die Lippen.

»Ich weiß, dass du nach Antworten suchst, Raya«, sagt er irgendwann, wahrscheinlich, weil er die Stille nicht mehr aushält. Er schüttelt den Kopf und schaut auf den Boden. »Aber ich kann dir keine geben.«

»Ich bin für dich auf einen Kran geklettert«, sage ich mit belegter Stimme. »Findest du nicht, dass ich Antworten verdient habe?«

Vielleicht sollte ich jetzt wütend sein. Das wäre zumindest ein guter Zeitpunkt für kochendes Adrenalin, scharfe Zungen und böse Gedanken. Doch ich fühle mich leer. Heute Nacht habe ich alles für ihn gegeben. Aber selbst das scheint nicht genug gewesen zu sein.

»Yannik?«

Er könnte mich wenigstens ansehen, während er mich fallen lässt. Das ist er mir schuldig.

»Warum kannst du nicht ... «, setze ich erneut an, ein letzter verzweifelter Versuch, die Wahrheit aus ihm herauszulocken. Doch ich komme nicht weit. Ein Polizist stellt sich zwischen Yannik und mich und bittet ihn, mitzukommen.

Mit gesenktem Kopf und hängenden Schultern trottet er neben dem Beamten her und lässt sich widerstandslos von ihm zum Auto begleiten.

Ich bleibe auf der Stelle stehen und lausche meinem pochenden Herzen. Ich bin wütend. So verdammt wütend auf mich selbst. Weil ich so dumm gewesen bin zu glauben, Yannik würde sich mir öffnen, wenn ich nur lange genug versuche, mir einen Platz in seinem Herzen zu erkämpfen. Aber er wird sich nicht öffnen, das habe ich jetzt verstanden.

Kieselsteine und Trümmer knirschen unter schwarzen Autoreifen. Die Polizeiwagen fahren alle nacheinander vom Platz und irgendwann wird es dunkel um mich. Stockdunkel.

xxx

Die Nacht ist kalt. Eisiger Wind weht durch die Straßen. Fröstelnd reibe ich meine Hände aneinander und sehe an mir herunter. Ich bin zu dünn angezogen. Meine dreckigen Füße benötigen dringend eine Dusche. Nicht nur meine Füße – eigentlich alle Muskeln meines Körpers könnten warmes Wasser vertragen. Es gibt keine Stelle, die mir nicht wehtut. Meine Schultern und der Rücken schmerzen. An meinen Handinnenflächen haben sich vereinzelt Blasen gebildet. Meine Arme und Beine brennen. Sogar mein Kopf pocht, fühlt sich an, als wäre er mit einem Hammer malträtiert worden, doch das hat andere Gründe. Gründe, die irgendwo bei einem Y beginnen und bei Australien enden.

Seit einer halben Stunde sitze ich im Innenhof auf der schmutzigen Betontreppe vor der WG. Ich kann mich nicht wirklich daran erinnern, hergekommen zu sein. Der ganze Abend ist in wirre, zusammenhangslose Gedankenfetzen geteilt, die gelegentlich vor meinem inneren Auge umher schwimmen.

Ich zittere am ganzen Körper. Mir ist unsagbar kalt, ich bin müde und ausgelaugt. Schon mehrere Male wollte ich aufstehen und reingehen, aber ich konnte mich einfach nicht aufraffen.

Meine Gedanken laufen Amok. Sie können sich nicht entscheiden, was ich zuerst verarbeiten soll. Da ist so viel. Zu viel.

Draußen ist es still. Ungewöhnlich still, fürs Hamburger Zentrum. Eine Weile lausche ich meinen unregelmäßigen, schnellen Atemzügen und versuche, mich zu entspannen.

Es ist, als hätte die heutige Nacht einen Knoten in meinem Inneren gelöst. All die Erinnerungen an Australien, die ich stets hinter einem stabilen Damm aus Verdrängung versteckt habe, schwimmen nun zurück an die Oberfläche und drohen, mich mit in ihre Tiefe zu reißen. Denn der Damm ist gebrochen. Das Klettern hat mich mit einem Schlag zurück in die Vergangenheit katapultiert.

Genau deshalb meide ich seit über neun Monaten konsequent alle Kletterhallen und Berge. Mir war klar, was ein Abstecher in meine alte Welt anrichten würde. Schließlich habe ich nie verarbeitet, was damals passiert ist. Ich habe mit niemandem darüber gesprochen, nicht einmal mit Livi, und stattdessen einfach weitergemacht. Weitergelebt. Während ein anderes Leben stehengeblieben ist. Wegen mir.

Das war nicht fair von mir. Ich hätte nie abhauen dürfen. Ich hätte mich dem Schmerz und der Verantwortung stellen müssen. Ich hätte auf seine trauernde Familie acht geben und auf seine Beerdigung gehen sollen. Stattdessen habe ich mich exmatrikuliert, meinen Mietvertrag gekündigt, die Koffer gepackt und in den erstbesten Flieger gesetzt, sobald man die polizeilichen Ermittlungen beendet und seinen Tod als ›Unfall‹ deklariert hatte. An sich ist das nicht einmal falsch. Es war ein Unfall. Doch dieser Unfall wäre nie passiert, hätten Livi und ich uns die Mühe gemacht, ihn vernünftig auf unseren Ausflug vorzubereiten.

Es war ein besonders heißer Donnerstag, Ende August, als Livi und ich uns nach der Uni verabredet hatten, um im Outback klettern zu gehen. Unser gemeinsamer Freund Spencer hatte zufällig Wind von unserem Vorhaben bekommen und wollte sich uns anschließen.

Während der Fahrt in die verlassene Berglandschaft erzählten wir ihm halbherzig, was er beachten musste, wenn er sich absicherte. Spencer war ebenfalls Sportstudent an unserer Uni gewesen und hatte sich eine derart waghalsige Aktion zweifellos zugetraut.

Dabei hatten wir jedoch nicht bedacht, dass er zwar ein begnadeter Footballspieler war, mit Klettern jedoch nichts am Hut hatte. Er hatte keine Ahnung, worauf er achten, wie er greifen und sein Körpergewicht ausbalancieren musste. Er konnte seine Leistung schlichtweg nicht richtig einschätzen.

Es gibt so viele Dinge, die wir falschgemacht haben. Ich kann sie nichtmal an einer Hand abzählen.

Livi und ich klettern seit unserem sechsten Lebensjahr. Es liegt uns im Blut. Ich weiß nicht wieso, aber aus irgendeinem unerfindlichen Grund gingen wir einfach davon aus, Spencer wüsste, was er tat. Er hatte diese Ausstrahlung – ruhig, konzentriert, bedacht. Zu keinem Zeitpunkt wirkte es auch nur ansatzweise so, als würde er an sich oder seiner Kondition zweifeln. Doch das ist keine Ausrede. Es gibt keine Ausreden. Denn die knallharte Wahrheit liegt glasklar auf der Hand: Livi und ich hätten ihn besser vorbereiten müssen. Dann hätte er auch gewusst, dass der Gurt, mit dem er sich abgesichert hat, zu locker saß. Und, dass der Karabinerhaken seines Seils lose war. Das blöde Ding hatte jahrelang unberührt als Ersatzteil in Livis Kofferraum gelegen und keiner von uns war auf die verdammte Idee gekommen, es vor dem Gebrauch zu prüfen.

Mit zittrigen Händen fahre ich mir durch die Haare. Es ist nicht so, als würde ich nie an diesen verhängnisvollen Donnerstag denken. Manchmal kann ich Spencers überraschten Schrei hören, als er gefallen ist und gemerkt hat, dass ihn niemand auffangen wird. Meistens dann, wenn es ganz besonders still um mich ist. Das ist schon immer so gewesen. Die ersten Wochen nach seinem Unfall waren die Schlimmsten. Ich musste pausenlos an das denken, was passiert ist und es verging kein Tag, an dem ich nicht weinte.

Doch je mehr Zeit verstrich, desto einfacher wurde es, zu vergessen. In Deutschland, tausende Kilometer weit weg, erinnerte mich nichts an ihn. Gar nichts. Ich hatte alles in Australien gelassen – meine Möbel, den Großteil meiner Klamotten, alles was ich besaß und nicht zwingend brauchte. Sogar mein altes Handy hatte ich nach meiner Ankunft in Deutschland entsorgt, und mit ihm all die Bilder und Videos, Telefonnummern und  Chatverläufe, die ich besaß.

Aber da hörte es noch nicht auf – Ich verbannte unter Protest meines Vaters alles, was ich mit dem Klettern in Verbindung brachte, aus dem Haus meiner Eltern und meldete mich von meinen sozialen Medien ab. Ich orientierte mich komplett um und weil ich das Gefühl hatte, das allein würde nicht reichen, verließ ich letztendlich auch noch meine alte Heimatstadt.

Ich hörte nicht auf mich zu verändern, bis nichts mehr von dem Mädchen übrig war, das in Australien Sport studiert hatte.

Ich machte nicht nur einen innerlichen Wandel durch, sondern auch einen äußerlichen. Ich hörte auf, mir die Haare zu färben und beschloss, endlich zu dem Mahagoni zu stehen, das ich von meiner Mutter geerbt hatte. Auch den Longbob, den ich trug, seit ich dreizehn war, ließ ich rauswachsen.

Ich nutzte meinen leeren Kleiderschrank, um meinen Stil zu ändern und wurde von der dunkel und sportlich gekleideten Abenteurerin zum bunten Paradiesvogel.

Wohin auch immer ich ging, ich hatte stets das Gefühl, die Leute könnten mir am Gesicht ablesen, was passiert war. Also versuchte ich, die triste Trauer mit den buntesten Farben zu überdecken, begann mir die Nägel zu lackieren und immer ein Lächeln auf den Lippen zu tragen.

Und eigentlich hat meine Verdrängungsstrategie auch gut funktioniert – bis jetzt. Die ganze Zeit über war mir klar gewesen, dass mich die Erinnerungen irgendwann einholen würden. Aber ich fühlte mich einfach nicht bereit, das Geschehene aufzuarbeiten. Wahrscheinlich werde ich nie bereit sein. Und ausgerechnet jetzt bin ich dazu gezwungen. Ich bin dazu gezwungen mich zu erinnern und es tut weh. So sehr, dass ich kaum atmen kann.

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