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einunddreißig

tore my shirt to stop you bleeding
but nothing ever stops you leaving

»WARUM lachst du?«, frage ich Yannik verwundert und betrachte seine verweinten Augen, auf dessen Wimpern noch immer so unendlich viele Tränen ruhen.

»Ich habe das Gefühl, wir treffen uns immer in besonders beschissenen Situationen.«

Ich denke an unbequeme Rasenflächen, Baumwurzeln, Wodka, Jascha und wie er mich sitzengelassen hat. An Hauspartys, dröhnenden Bass, Gin Tonic, Billigfußböden und Haare, die Yanniks Kopf wie ein Heiligenschein umrahmen.

»Hast Recht«, sage ich dann und mache einen Schritt auf ihn zu. Automatisch macht er einen zurück. Ich nutze die Chance, um den Bandraum zu betreten und die Tür hinter mir zu schließen. Schlagartig wird es dunkel um uns.

Ein Klicken ertönt und das Licht geht an. Yannik steht direkt vor mir und schaut mich an. Seine Augen sind rot und Tränen verschleiern seinen Blick. Ein trauriges Lächeln umspielt seine Lippen. »Und genau deshalb habe ich dich eigentlich auch für schlauer gehalten.«

Verständnislos erwidere ich seinen Blick. »Was meinst du damit?«

»Du hast dir die CD angehört, oder?« Ich weiß nicht, worauf er hinauswill und das scheint er zu bemerken. »Die CD, die in deinem Briefkasten lag. Dein fertiger Song. Du hast ihn dir angehört, oder liege ich da falsch?«

»Woher weißt du, dass die CD in meinem Briefkasten lag? Davon habe ich dir nie erzählt.«

Yannik lacht erneut. »Sag ich doch. Ich hätte dich für schlauer gehalten.«

Genervt verdrehe ich die Augen. »Lass das«, fordere ich. »Deine seltsame Nachricht von gestern Abend hat mir schon gereicht! Genug mit der Geheimnistuerei. Sag mir, was hier los ist!«

»Wo ist da der Spaß?«

Ich habe keine Lust auf diese Spielchen. Ich bin keine Marionette und Yannik ist kein Puppenmacher. Aber ich muss unbedingt wissen, was er mit seinen komischen Andeutungen meint, sonst drehe ich noch völlig durch!

Da simples Nachfragen bei ihm zu nichts führt, muss ich wohl zu härteren Maßnahmen greifen. Vielleicht kann ich ihn ja irgendwie unter Druck setzen.

Ich seufze theatralisch, drehe mich wieder um und gehe zurück zur Tür.

»Das hat keinen Sinn«, stöhne ich gespielt genervt.

»Hast du dich nie gefragt, wofür WHY überhaupt steht?«, fragt er plötzlich, als meine Hand bereits auf dem kalten, silbernen Türknauf liegt. Ich muss mir ein zufriedenes Lächeln verkneifen. Er hat angebissen. Sein Drang, sich mitzuteilen, ist größer als der Kick, den ihm diese Geheimnistuerei wahrscheinlich gibt.

Ich schließe die Augen und atme tief durch, drehe mich aber nicht zu ihm um. Ich erinnere mich an die Abende, die ich hellwach im Bett verbracht und einfach nur nachgedacht habe, und an die, die ich verschwendet habe, auf der Suche nach WHY. »Jeden verdammten Tag.«

»Und hat Jascha dir eine Antwort auf diese Frage gegeben?«

Zögerlich lasse ich die Türklinke wieder los. »Nein«, gestehe ich leise. Bisher hat er mir überhaupt keine Antworten gegeben. In diesem Punkt sind die beiden sich ziemlich ähnlich.

Ich fahre erschrocken zusammen, als Yannik seine Hand auf meine Schulter legt.

Mein Herz schlägt mir bis zum Halse. Ich wusste es, schreit mein Kopf. Ich wusste, dass an der Sache etwas faul ist. Aber das wollte ich nicht sehen. Vielleicht, weil ich mir gewünscht habe, dass es Jascha war, der meinen Song beendet hat. Vielleicht, weil es einfacher war, die Wahrheit zu ignorieren und mit einer Lüge zu leben.

»Ich habe dir immer gesagt, dass du Talent hast. Schon damals, als du noch ein Kind warst und mit unseren alten Küchenschubladen Musik gemacht hast. Mama hast du wahnsinnig damit gemacht. Ich war beeindruckt. Du hast Rhythmus im Blut, Yannik. Gib das niemals auf

Ein Schock durchfährt mich, so unerwartet und doch so hastig, dass er mich beinahe lähmt. Kälte breitet sich in mir aus und läuft mir wie ein Schauer über den Rücken, als ich mich ruckartig zu Yannik umdrehe.

Er hält ein zerknittertes Blatt Papier in der Hand, die nicht auf meiner Schulter liegt. Sobald wir uns gegenüberstehen, lässt er mich los und mir wird noch kälter. Eiskalt.

»Du bist Pauls Bruder?« Obwohl es sich anhört wie eine Frage, ist es keine. Denn ich kenne die Antwort bereits.

Er wirft mir einen unsicheren Blick zu. Seine Augen treffen auf meine und plötzlich ist es, als sähen wir uns zum ersten Mal.

Obwohl er mich nicht lange anschaut, reicht dieser eine Moment aus, um den Sturm zu erkennen, der hinter seinen Augen wütet. Eine Träne läuft seine Wange herunter und landet auf seinem Mund. Er leckt sich mit der Zunge über die vollen, herzförmigen Lippen und die salzige Flüssigkeit verschwindet so schnell, wie sie aufgetaucht ist.

»Was habe ich dich belabert, damit du dich endlich für dieses dämliche Schulmusical bewirbst. Alle werden mich auslachen, bla bla bla, Strumpfhosen stehen mir nicht, bla bla bla. Was musste ich mir täglich anhören. Ich möchte an dieser Stelle nicht der blöde große Bruder sein, der dich mit ›ich hab's dir doch gesagt‹ nervt. Aber Yannik; ich hab's dir doch gesagt. Du warst großartig auf der Bühne.« Er hält inne. Seine Nasenflügel weiten sich und sein Kiefer spannt sich an. Seine Hände zittern und das Papier wippt leicht auf und ab, während er liest. »Ich bin stolz auf dich.«

»Yannik.« Behutsam lege ich meine Hand auf seine. Er ist ganz kalt. »Du musst das nicht lesen.«

»Doch«, entgegnet er mit brüchiger Stimme. »Doch, das muss ich.« Und dann holt er tief und zittrig Luft und fährt erneut fort: »Du darfst im Wohnzimmer spielen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Ich freue mich so sehr für dich. Das ist immer dein Traum gewesen. Musik ist deine zweite Hälfte und ohne sie gehst du kaputt. Das habe ich verstanden und darum werde ich dich auch unterstützen, egal welchen Weg du mit dieser Erkenntnis gehen möchtest.« Mit jedem Wort, das er liest, wird er leiser. Er muss öfters Pausen machen, weil die Tränen seine Sicht verschleiern. Und ich? Ich stehe einfach nur da und kann nicht glauben, was gerade passiert. Und was es bedeutet. Jascha hat mich angelogen. Und ich habe ihm geglaubt. Oh Gott, ich habe Yannik sogar dazu gezwungen, einen von Pauls Briefen zurückzugeben. Ich bin so blöd!

»Wir haben bis spät in die Nacht auf deinem Bett gelegen und nach einem Künstlernamen für deine Auftritte gesucht. Es ist WHY geworden. Das passt so verdammt gut zu dir. Du bist schon immer jemand gewesen, der die Dinge hinterfragt hat. Um alles und jeden hast du dir den Kopf zerbrochen.«

»Yannik«, versuche ich erneut, ihn zu stoppen, weil sich sein Brustkorb inzwischen unregelmäßig hebt und senkt.

Er ignoriert mich. »WHY steht für ... es steht für die Ungerechtigkeit auf der Welt. Für Fragen, auf die wir keine Antwort finden.«

»Yannik!«, sage ich eindringlicher. Jetzt ergibt alles Sinn. Ich war von Anfang an skeptisch. Jascha schien mir einfach zu gefasst, um gerade ein wichtiges Familienmitglied verloren zu haben. Irgendetwas hat nicht gepasst. Die ganze Zeit über. Und ich habe es verdrängt. Aber wieso hat Jascha dann so ertappt ausgesehen, als ich ihn auf sein Geheimnis angesprochen habe? Da muss irgendetwas sein. Etwas anderes. Etwas, das ihn so sehr belastet, dass er es mit einer so biederen Lüge getarnt hat.

Yannik schüttelt währenddessen bloß den Kopf, wobei sich erneut ein paar Tränen aus seinen Augen lösen. »WHY steht für dich. Und WHY ist englisch für Y. Der Anfangs ... Anfangsbuchstabe deines Namens –«

»Yannik, es reicht! Leg das weg!«

Er hebt den Kopf und sieht mich an. Da verstecken sich so viele Emotionen in seinen Augen. So viel Wut, so viel Trauer, so viel Schmerz. »Nein! Ich kann das nicht. Ich kann nicht, verstehst du? Ich hätte verdammt nochmal früher –«

»Fang gar nicht erst so an!«, unterbreche ich ihn erneut und merke viel zu spät, dass auch ich inzwischen Tränen in den Augen habe. »Du kannst nichts dafür. Dein Bruder war krank.« Das sagen jedenfalls die online-Artikel über ihn, die ich mir durchgelesen habe. »Er hat –«

»Na und? Trotzdem hatte er das Recht auf ein glückliches Leben!« Yannik redet sich immer mehr in Rage. Seine Augen sind wild, sein Blick verloren und seine Stimme schrill, als er endlich laut ausspricht, was ihn wochenlang kaputt gemacht hat. »Ich hätte verdammt nochmal nicht wegsehen sollen. Du hast gesagt, du hast den Song gehört. Ich habe ihn nicht gefragt, Raya. Ich habe ihn nie gefragt, habe seine Anwesenheit immer für selbstverständlich gehalten. Und jetzt ist er weg und ich bin alleine. Ich werde immer –«

»Du bist nicht alleine!« Meine Stimme klingt komisch, nicht wie meine. »Deine Schwester ist da. Und Lennart. Ich bin da.«

Einen Moment lang ist es unzumutbar still.

Yanniks Adamsapfel hüpft auf und ab, während er schluckt. »Aber wirst du auch bleiben?«, fragt er mich leise. »Wenn die Maske gefallen und alles gesagt ist, bist du dann immer noch da?«

xxx

Vor einer halben Stunde haben wir den Bandraum verlassen und uns in Yanniks Bett verkrochen. Die Frau vom Jugendamt ist noch nicht da. Genauso wenig wie seine Eltern. Vielleicht lebt er ja mit seiner Schwester alleine.

Als ich es wage, ihm einen kurzen Seitenblick zuzuwerfen, sehe ich, dass er weint. Immer noch. Gerade läuft eine Träne still und leise seine Wange herunter und glitzert im schwachen weißgelb der Nachttischlampe. Würde das Licht keine Schatten auf sein Gesicht werfen, wüsste ich wahrscheinlich nicht einmal, dass er weint.

Er hat sich die Bettdecke bis zum Kinn gezogen und schaut ins Nichts, schweigend, hilflos, leer. Seine dunkelblonden Haare sind ein starker Kontrast zu der ausgewaschenen, hellgrün gestreiften Bettwäsche.

Eine Weile lausche ich seinen regelmäßigen Atemzügen. Vielleicht sollte ich etwas sagen, aber alle Worte dieser Welt scheinen auf einmal so bedeutungslos.

Unter der Decke verschränke ich meine Finger, um der Versuchung zu widerstehen, mit ihnen seine kaputten Lippen, oder die Spur seiner Tränen nachzufahren.

Und so liege ich in seinem Bett, ohne etwas zu tun, zu sagen, bin einfach nur da mit ihm und da für ihn.

Seit mehreren Minuten schon schaut er stumm auf einen kleinen grünen Wollfaden, der sich aus dem Saum der Decke gelöst hat. Wahrscheinlich, damit er mich nicht ansehen muss, mit seinen roten, panischen Augen.

Er müsste einfach nur den Kopf heben, dann würden sich unsere Blicke treffen. Ich müsste einfach nur meinen Arm ausstrecken, dann würde ich ihn berühren. Ich müsste einfach nur etwas sagen, dann würde er mir zuhören.

Das ist der Moment indem ich mich zum ersten Mal jemandem nah, aber gleichzeitig auch so verdammt fern fühle, dass mir ganz schwindelig wird.

Ich sollte mich damit abfinden. Näher als jetzt, als heute, wird Yannik mich wahrscheinlich niemals an sich heranlassen.

Ich kann seinen Atem wage auf meinen Wangen erahnen, ein warmer, beinahe non-existenter Windhauch.

Immer wieder schaue ich ihn an. Nicht lange, nur kurz, bis ich mich zusammenreiße und wegsehe. Plötzlich frage ich mich, ob Livi die verblasste, kleine Narbe aufgefallen ist, die auf seiner Nase thront. Oder ob sie die Stelle in seiner rechten Augenbraue kennt, an der die Härchen einen Hauch lichter sind. Ob sie wohl weiß, dass sein linkes Auge von grünen Sprenkeln gezeichnet und nicht, wie es von weitem scheint, bernsteinfarben ist? War sie ihm auch so nah, wie ich es gerade bin?

Yannik seufzt und reißt mich damit aus meinen Gedanken. »In einem anderen Universum, zu einer anderen Zeit, gäbe es bestimmt hundert Dinge, die ich dir sagen könnte. Doch heute, in diesem Moment, ist mein Kopf leer, genau wie mein Herz.« Zu meiner Überraschung löst er seinen Blick endlich von dem Faden an der Decke und sieht mich an. Sofort wird mir warm.

Seine Worte wirken so wahr, so ehrlich, dass sich ein penetrantes Ziehen in meiner Brust ausbreitet. Er leidet seit Wochen, geht unter, weil ihn nichts mehr über Wasser hält. Er geht kaputt und niemand hat etwas bemerkt.

Zu meiner Enttäuschung senkt er seinen Blick schnell wieder. »Also ... wenn du kein Problem damit hast, wäre ich gern allein. Jetzt.«

Ich wende mich ab und nicke stumm. Auch wenn ich gerne bei ihm bleiben würde; es geht hier nicht um mich. Es geht um Yannik und sein Wohlbefinden.

Müde stehe ich auf, und sobald mich die Wärme seines Bettes verlässt, wird mir kalt und ich beginne zu zittern.

Langsam und mit weichen Knien lege ich mir meine Strickjacke um, in der Hoffnung, dass er es sich noch einmal anders überlegt. Doch das tut er nicht.

Als meine Hand auf der Türklinke seines Zimmers liegt, höre ich, dass er Luft holt.

»Vielleicht rufe ich dich an.«

Seine Worte gleichen einem Stich direkt ins Herz. Ich kenne sein vielleicht. Yannik hält nicht viel von vielleicht.

A/N: Vielen vielen Dank an jeden von euch, der gestern abgestimmt hat. Ihr habt entschieden – es ist Cover Nr. 2 geworden! Ich hoffe dass diejenigen, die für ein anderes Cover gestimmt haben, nicht allzu enttäuscht sind und sich früher oder später auch damit arrangieren können! 🌞 xx

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