acht
same song, again and again
you wrong me twice and i keep coming back
ICH sitze in dem kleinen Café, das an die Hochschulbibliothek angrenzt, an einem Tisch für sechs Personen, alleine. Vor mir wartet ein Tomate-Mozzarella-Sandwich darauf, meinen Magen von innen zu sehen, doch ich habe wichtigere Dinge im Kopf. Meine Augen huschen hastig über die Wörter, die mich vom Display meines Tablets aus anleuchten.
Vor einer halben Stunde bin ich angekommen, habe mir einen Platz am Fenster gesichert und begonnen, das Internet nach ›Rapmusik‹ zu durchforsten.
In meinen Ohren stecken Kopfhörer, aus denen die Stimme von Durchsuchungsbefehl (oder so ähnlich) dröhnt, und ich habe Kopfschmerzen.
Ich bewundere die Musik für ihre Vielfalt. Die meisten Berufe sind eintönig. Immer machst, siehst, hörst und sagst du das gleiche. Als Musiker ist das anders. Du könntest dir monatelang jeden Tag ein anderes Genre aussuchen und nach einem Jahr noch nicht fertig sein. Und wenn du doch fertig wirst, denkst du dir halt ein Neues aus.
Ja, Vielfalt ist gut. Aber Rap ist einfach nicht mein Ding.
Verzweifelt kaue ich auf meiner Unterlippe herum. Das Problem an der ganzen Sache ist, dass ich Frau Dr. Rauch sogar verstehen kann. Sie möchte uns fordern, und obwohl es schwierig genug ist, einen großartigen Song mit Ohrwurmpotential in einem Genre zu kreieren, das man mag, finde ich ihre Idee nicht schlecht.
Wir sind dazu gezwungen, uns mit Dingen auseinanderzusetzen, mit denen wir uns normalerweise nie auseinandersetzen würden. Unsere Horizonte werden erweitert. Wir lernen bekanntlich aus unseren Fehlern. Rap ist mein Fehler, und jetzt muss ich ihn ausbügeln.
Durch die tiefe Stimme von Durchsuchungsbefehl dringt ein Geräusch zu mir durch, was sich verdammt stark nach schabenden Stühlen anhört.
Ich ziehe die Kopfhörer aus meinen Ohren, hebe den Kopf und schaue geradewegs in Yanniks Augen. In dem hellen Licht der Deckenlampen schimmern sie golden, fast so wie Honig.
Er pfeffert seinen Rucksack neben sich auf den Boden und nimmt geräuschvoll auf einem der Plastikstühle platz, die rings um den Tisch herum stehen. Sein Tablett landet mit einem lauten Knall vor ihm auf der Tischplatte. Der schwarze Kaffee in der weißen, zerkratzten Tasse schwappt über und das Heißgetränkt verteilt sich auf der Servierte, die darunter liegt.
»Ich hasse Kaffee«, flucht er und betrachtet genervt die Sauerei, die er veranstaltet hat.
Ich ziehe eine Augenbraue hoch. »Warum trinkst du ihn dann?«
Mich wundert es wirklich, dass er sich zu mir gesetzt hat. Eigentlich kennen wir uns gar nicht. Die paar Worte, die wir bisher gewechselt haben, kann man kaum als richtiges Gespräch bezeichnen. Und das monotone Nicken, das er mir schenkt, wenn ich ihm in den Fluren der Hochschule über den Weg laufe, macht auch keinen großen Unterschied.
»Warum stehst du wieder auf wenn du stolperst und fällst?« Er legt den Kopf schief und sieht mich an, was mich in Kombination mit seiner eigenartigen Gegenfrage ein wenig aus der Bahn wirft.
Dennoch bemühe ich mich um eine passende Antwort. »Weil ich muss?«
Yannik nickt. »Das Leben hält für niemanden an. Ich muss diesen Tag überstehen. Und ohne Kaffee überstehe ich ihn nunmal nicht.«
»Vielleicht trinkst du das nächste mal einfach ein Bier weniger«, schlage ich ihm vor, sobald ich seine Fahne wahrgenommen habe und beiße in mein Sandwich. Krümel fallen auf den Tisch vor mir und ich spüre, dass Butter an meinem Kinn klebt. Plötzlich fühle ich mich beobachtet, obwohl Yannik mich gar nicht ansieht. Beschämt lege ich das Sandwich wieder weg.
»Ja, vielleicht.«
Irgendwie fühle ich mich unwohl. Er macht mich nervös.
»Oder du lässt dir Kaffee einfach intravenös einflößen«, scherze ich, weil ich Angst vor einer unangenehmen Stille zwischen uns habe.
Ich weiß nicht, woher dieses Unbehagen plötzlich kommt. Als ich ihn am Montag auf dem Hof vor dem Eingangsgebäude angesprochen habe, war es noch nicht da. Könnte es daran liegen, dass er Livi zum Rauchen verführt hat?
Yannik scheint nicht belustigt zu sein, weshalb mein Satz seine Wirkung verfehlt. Und so sitzen wir schweigend gegenüber voneinander am Tisch und starren ins Nichts, bis ich es irgendwann nicht mehr aushalte, laut und kraftvoll meinen Stuhl nach hinten schiebe, aufstehe und beginne, meine Sachen abzuräumen.
Ich spüre seinen Blick auf mir, sage aber nichts dazu, sondern ignoriere ihn. Eigentlich habe ich immer noch Hunger, aber in seiner Anwesenheit kriege ich sowieso keinen Bissen runter.
»Was ist?«, fragt er irgendwann, als ich alle Reste zusammen gesammelt und auf mein Tablett geschmissen habe.
Ich zucke mit den Schultern. »Du wirkst irgendwie ziemlich pessimistisch ... gerade.«
Yannik verzieht das Gesicht. »Ich bin nicht pessimistisch, sondern realistisch.«
Ich verdrehe die Augen.
»Weißt du, dich zwingt niemand, dich mit mir zu unterhalten«, sagt er, nachdem wir eine Zeit lang geschwiegen haben.
Ich stehe irgendwie ziemlich blöd auf der Stelle herum und umklammere mein Tablet mit festem Griff, sodass meine Handknöchel weiß hervortreten.
»Was willst du damit sagen?« Jetzt schaue ich ihn doch an, durchbohre ihn förmlich mit meinem Blick.
»Dass du dich nicht mit mir abgeben musst«, murmelt er, während er seinen verhassten Kaffee anstarrt. »Wenn es dir nicht passt, wie ich denke, dann lass mich in Ruhe.«
Überfordert schaue ich ihn an. Er hat sich zu mir gesetzt. Nicht umgekehrt.
Ich hebe abwehrend die Hände. »So war das nicht -«
»Weißt du was?«, unterbricht er mich gelangweilt. »Ich gehe einfach.« Und mit diesen Worten steht er von seinem Stuhl auf, schmeißt sich seinen Rucksack über die linke Schulter und lässt mich mitsamt seinem vollgesauten Tablett, stehend am Tisch, zurück. Vollkommen überfordert und sprachlos schaue ich ihm nach.
Was zur Hölle? Ist das etwa Teil seines fragwürdigen Humors, der angeblich schwärzer ist als seine Raucherlunge, oder ist er bloß schlecht drauf? Vielleicht hat ihm Frau Dr. Rauch ja ein besonders übles Genre zugeteilt.
Fassungslos starre ich seinen Rücken an und wie er langsamen Schrittes das Café verlässt. Nichtmal seinen Kaffee hat er mitgenommen.
»Seit wann hörst du Rapmusik?« Hanna taucht vor mir auf und versperrt mir die Sicht auf Yannik. Vor lauter Entsetzen habe ich völlig vergessen, dass ich mit ihr verabredet war.
Seufzend schenke ich ihr meine gesamte Aufmerksamkeit und rümpfe die Nase. »Seit der Pflichtveranstaltung von heute Morgen.«
»Niemand zwingt dich dazu, diesem Rapper zuzuhören ... « Sie hält inne und wirft einen Blick auf mein Tablet, um nach dem Namen des Interpreten zu suchen.
»Durchsuchungsbefehl«, helfe ich ihr auf die Sprünge, obwohl ich es selbst nicht hundertprozentig weiß.
Sie zieht eine Augenbraue hoch. Dann fängt sie an zu lachen. »Bist du dir sicher, dass er nicht Haftbefehl heißt?«
A/N: I know, es passiert sehr viel auf einmal, but I promise, it's gonna make sense soon. xx
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro