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Sonntag, 8.12. - 2. Advent - Bethlehem

Ich stelle irgendwann mitten in der Nacht fest, dass ich doch lieber bei einem anderen Virus hätte „Hier!" schreien sollen. Dieser Barrack-Obama-oderso-Virus ist wirklich heftig und unberechenbar. Ich dümpele jetzt schon seit Tagen hier rum, wache völlig wahllos mal tagsüber, mal nachts auf, habe mal Kopfschmerzen, mal Schwindel, Husten ist mit im Programm. Ich bin total lichtempfindlich, und ich war schon lange nicht mehr so dauertraurig wie in diesen Tagen. Eigentlich hatte ich gedacht, ich hätte die Wohnung inzwischen einigermaßen Karina-frei gekriegt und sie so umgestaltet, dass mich nicht mehr dauernd was an sie erinnert. Aber der Unfall war eben vor knapp zwei Jahren im Dezember, und das holt mich grade ganz extrem ein.

Jetzt liege ich hier also im Dunklen und ... muss aufs Klo. Mal wieder. Mist.
Nein, ich werde Lilli nicht dafür wecken, das muss ich jetzt so hinkriegen.
Ich stemme mich erstmal in die Senkrechte. Pause. Dann drehe ich die Beine aus dem Bett. Pause. Ich ziehe mich am Nachttisch hoch, so gut es geht, und rutsche an der Wand entlang zur offenen Zimmertür. Das ist inzwischen ja schon fast eine normale Fortbewegungsart für mich. Pause. Aber ich muss auf die gegenüber liegende Seite vom Flur.
Hm... Ahhhh!
Ich rutsche weiter bis zur Tür vom Arbeitszimmer, öffne sie und greife nach meinem Bürostuhl. Der hat nämlich Rollen! Und mit diesem Stuhl kann ich nun ganz gemütlich den Flur entlang und problemlos auf die andere Seite zum Bad kommen.

„Interessante Technik!"
Ich zucke zusammen. Lilli lehnt lässig mit verschränkten Armen in der Tür vom Gästezimmer, und soweit ich das im ziemlich Dunklen erkennen kann, schmunzelt sie amüsiert. In Kombination mit ihren in alle Richtungen abstehenden Haaren eine ziemlich witzige Wirkung.
Watte, du bist dran. Beweis doch mal ausnahmsweise Geistesgegenwart und Schlagfertigkeit.
„Ja, nicht?"
Oder so ähnlich ...
Ich klammere mich mit einer Hand an den Drehstuhl, mit der anderen öffne ich die Badezimmertür. Dann versuche ich, mit dem Stuhl da reinzuschieben.
„Ernst jetzt!?!"
Ich weiß sofort, was sie meint. Die Räder klemmen entweder im dicken Badezimmerteppich oder in den Rillen von den Kacheln fest. Ich habe den Verdacht, meine Stimme klingt ziemlich kläglich.
„Lilli?"
Sie stellt den Stuhl auf den Flur, bringt mich zum Klo, wartet draußen auf mich und sammelt mich dann wieder ein.

„Hab ich dich geweckt, oder konntest du auch nicht schlafen?"
„Ik würd mal sagen – das war der Mutterinstinkt ..."
„Und jetzt?"
Bekloppt. Aber ich bin total wach.
„Mach einen Vorschlag."
Das mag ich so an ihr. Sie kommt einfach. Macht einfach. Wartet einfach ab. Probiert einfach aus.
„Komm!"
Ich schiebe mich mitsamt dem Stuhl den Flur entlang bis zur Garderobe. Dort ziehe ich meinen langen Mantel und darüber meine dicke Daunenjacke an.
„Mummel dich dick ein und schnapp dir dann alle Decken vom Sofa!"
Ich schiebe derweil schonmal auf die Terrassentür zu.

Lilli kapiert und fängt an, warme Sachen in der Wohnung zusammenzusammeln. Sie holt unsere Stiefel heran, hilft mir in meine hinein, und greift diverse Decken.
„Mach die Tür auf. Rechts den Knopf drücken und gleichzeitig rumschließen. Dann nach links drehen."
Lilli kichert.
„Das is ja zu wie 'n Safe!"
„Hm, so ähnlich. Ich habe überhaupt keine Wertsachen in der Wohnung, außer der Stereoanlage natürlich, die ist nunmal zum Benutzen da. Aber mein Leben ist auch eine Wertsache, enttäuschte Einbrecher randalieren gerne, diese Wohnung lockt Begierden und täuscht den Schickimicki-reichen Typen vor. Ich wollte einfach nur in Berlin schön wohnen und mir keinen Kopf um einen Parkplatz machen müssen. Und ... Mach auf, dann zeig ich dir, warum noch."

Lilli kommt sehr zügig mit dem Sicherheitsschloss klar. Schnell schnappt sie sich den Besen, fegt einen Weg zur Sitzgruppe durch den Schnee und dort eine Bank frei. Dann hilft sie mir zu der Bank und packt uns beide von Kopf bis Fuß dick ein.
„So, und jetzt mach einfach den Mund zu und die Augen auf."
Ich zeige in den Himmel über Berlin, der zwar viel zuviel Großstadtlicht abbekommt, aber heute früh morgens wolkenlos klar und unendlich tief ist.

Eine Weile sitzen wir da nebeneinander und starren Löcher in die Luft über uns.
„WOW, is das schöööön!"
Lilli hat sich ein Kissen in den Nacken geklemmt und schaut ganz entspannt in die unendliche Weite. Ich dagegen klemme mir ein Kissen unters Ohr und schaue Lilli an.
Stimmt. Echt schön.
Wie sie sich ab und zu eine lose Haarsträhne aus dem Gesicht pustet. Wie sie die Nase kraus zieht, wenn sie nachdenkt. Und wie sie jetzt grinst, ohne ihren Blick vom Himmel zu wenden, weil sie bemerkt, dass ich sie beobachte.
„Bin ik jetzt 'n gefallener Stern? Oder warum schaust du mich so an?"
Kurz schießt mir durch den Kopf zu sagen: „Nein, eher ein gefallener Engel, der bitte nie wieder in den Himmel zurück will", aber ich kann die Watte grade noch daran hindern, den Befehl an den Mund weiterzuleiten. Ich kapiere ja selbst noch gar nicht, was hier grade passiert. Also sollte ich schön meinen Mund halten.

„Das is echt faszinierend. Diese Sterne sind sooooo weit weg. Das Licht, das wir jetzt sehen, is ewig lang unterwegs gewesen. Stell Dir vor, da gibt es vielleicht irgendeinen Stern der genau 2019 Lichtjahre entfernt is. Das heißt dann, dass wir jetzt genau das Licht sehen, das der Stern zur Stunde der Geburt Jesu ausgestrahlt hat."
Ui! Meine kleine Punkerin kann auch philosophisch!
Eine Weile starren wir noch in den Himmel, schweigen gemeinsam und machen uns ab und zu gegenseitig auf komische Figuren oder bekannte Formationen aufmerksam.

Während gaaaanz langsam der Himmel im Osten verblasst und sich der Morgen ankündigt, fühle ich allmählich doch Bettschwere.
„Du. Lilli? Ich glaube, jetzt brauche ich doch noch eine Mütze voll Schlaf."
Nur schwer können wir uns losreißen, aber dann kriege ich wieder betreutes Laufen und kuschele mich in mein Bett. Ich glaube, ich war eingeschlafen, bevor sie ganz draußen war. Und ich wache erst wieder auf, als mein Handy schon Mittag anzeigt. Ich brauche eine Weile, bis ich mich orientiert habe. Dann fällt mir wieder der zauberhafte Früh-Morgen auf dem Balkon ein. Und auch, dass ich vorsichtiger sein sollte.
Wenn jetzt schon DU und SIE verschwimmen ...

Nach einer Weile klopft es, und auf mein Brummen hin steckt Lilli den Kopf zur Tür rein.
„Alex, sind Sie schon lange wach?"
Aha, sie ist wohl zu dem selben Schluss gekommen. Gut. Das macht es mir leichter.
„Nein, Lilli. Grade eben erst aufgewacht. Und Sie? Es duftet so verführerisch nach Frühstück!"
„Ik bin auch nur eene Tasse Kaffee vom Traumland entfernt."
Einen Moment zögern wir beide.
„Auf?"
Ich nicke.
„Auf!"
Schnell verfallen wir in Routine, ich schleiche einmal ausführlich durchs Bad, schiebe mich dann mit dem Stuhl in Richtung Küche. Nach fünf Tagen dahinvegetieren fühle ich mich heute schon fast wieder lebendig. Die Kopfschmerzen sind weg, ich habe tatsächlich Appetit, kann mich „fast" alleine fortbewegen, will nicht sofort wieder ins Bett und weiterschlafen.

Nach dem Frühstück räumt Lilli schnell alles weg. Ich wandere weiter ins Wohnzimmer, sortiere mich in die Kissen und schnappe mir mein Laptop. Ich bin tatsächlich in der Lage, an alle besorgten Mütter, Schwestern, Freunde und Angestellten eine vernünftige Rudelmail zu schreiben, in der ich sie über meine Krankheit informiere, allerdings, ohne Lilli zu erwähnen.
„Eine Freundin schaut nach mir."

Irgendwann taucht Lilli wieder in meinem Sichtfeld auf.
„Alex? ... Ik hab doch gestern die zwee Kisten mit Weihnachtsdeko hochgeholt. Wollen wir da mal zusammen reinschauen? Ik mag hier nichts aufhängen oder hinstellen, was Ihnen selbst nicht gefällt."
Ich packe den Laptop weg. Wir stellen die Kisten neben das Sofa, Lilli klappt sie auf, und wir holen nach und nach aus vielen Kästchen und Kistchen ganz unterschiedliche Weihnachtsdeko raus. Wir legen die Kugeln beiseite. Ich hab noch keine Ahnung, ob ich mal wieder Lust auf einen Baum habe. Jetzt allerdings noch nicht. Ein paar Lichterketten kommen zum Vorschein. Eine Bunte hat kleine Saugnäpfe.
„Die war immer am Küchenfenster."
Und schon saust Lilli in die Küche, um die Lichterkette am Fenster zu befestigen.
„Ik komm damit an keene Steckdose ran, aber das Problem können wir später lösen."

Wir finden vier Steckteile, um Kerzen auf einem Adventskranz zu befestigen. Aber uns beiden ist nicht danach. Außerdem müsste Lilli den ja erst noch besorgen, und heute ist doch schon der zweite Advent, das lohnt nicht mehr. Aber dafür freuen wir uns sehr über die vielen Sterne aus Stroh und Papier. Lilli hängt ein paar in den Strauß, andere wandern mit diesen dünnen Drahtaufhängeteilen buchstäblich in die ganze Wohnung – an Bilderrahmen, in die Gardinen, an meine Grünlilie, an Lampen, Regale, in allen Zimmern, einfach überall.

Allmählich denke ich, die Kiste müsste nun doch leer sein, und wir räumen die Kugeln schonmal wieder rein. Da greift Lilli nochmal in die zweite Kiste und zieht etwas von ganz unten raus. Ein kleines Stoffsäckchen. Und daraus zum Vorschein kommen drei aus Olivenholz geschnitzte Engel, die Trompete blasen. Spontan schießen mir die Tränen in die Augen. Lilli stellt die Engel vor den Strauß, schließt die Kisten und schaut mich an. Ich kann meine Tränen nicht zurückhalten. Muss ich vor ihr aber auch nicht.

„Alex? Alles in Ordnung?"
Nichts ist in Ordnung. Die Dinger waren nicht umsonst ganz unten drin.
Jetzt weine ich richtig. Lilli zögert einen Moment lang, dann setzt sie sich neben mich aufs Sofa und zieht einfach meinen Kopf auf ihren Schoß. Sie flüstert, ganz leise.
„Lassen Sie's laufen, Alex. Manchmal muss das so sein."
Ich weine mich in den Schlaf.

Als ich wieder aufwache, geht es mir ein bisschen besser. Lilli hat einfach abgewartet. Und dann fange ich an zu erzählen. Von dem Urlaub in Israel, wo wir in Bethelehem diese drei Engel gekauft haben. Und wo ich Karina gefragt habe, ob sie mich heiraten will. Zwei Monate später lag sie im Koma, ein halbes Jahr später war sie tot. Lilli hört einfach zu. Ich erzähle immer mehr Dinge von Karina, manches davon habe ich noch nie jemand erzählt. Durchgeschüttelt durch die Krankheit und die Stimmungsschwankungen der letzten Tage muss ich abwechselnd lachen und weinen, ich kann gar nicht anders. Und Lilli hört einfach zu.

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8.12.2019    -    25.7.2022

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