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Sonntag, 1.12. - 1. Advent - „Scheiß Job!"

Wie immer bei mir - was kursiv gesetzt ist, sind Gedanken.

Und im Headerbild sieht man die jeweilige Perspektive des Kapitels.

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„Scheiß Job!"
Am 1. Dezember bei Arschkälte und Schneefall das neueste Opfer zu observieren, das sich dummerweise seit Stunden auf dem Weihnachtsmarkt befindet, und das, ohne bemerkt zu werden oder die Tusse aus den Augen zu verlieren - macht echt Späße. Nicht.
Oh Mann, eigentlich darf ik mich nich beschweren. Der Eulenspiegel hat mich von der Straße geholt, hat mir'ne ganze Menge beigebracht, hat mir sozusagen 'nen Job gegeben. Allerdings - was für einen ...
„Scheiß Job!"

„Nanana, junge Dame. Ist Ihr Leben sooo schlimm, dass Sie hier stehen und schimpfen müssen?"
Langsam drehe ich mich zu der alten, brüchigen Stimme um und entdecke eine steinalte Frau, die exakt so aussieht, wie ich mir als Kind immer die Hexen in den Märchen vorgestellt habe. Und doch weiß ich schlagartig, dass DAS hier keine Hexe ist. Aus ihren Augen springt die Güte selbst, und sie schaut mich so warm und weich an, dass ich das Gefühl habe, sie legt mir einen warmen Mantel um die durchgefrorenen Schultern. Sowas hab ich echt noch nie erlebt. Staunend höre ich mich antworten – ganz leise und überhaupt nicht provokant wie sonst immer.
„Noch schlimmer ..."

Sie legt den Kopf schief und scheint in mich hineinkucken zu wollen. Die Alte ist echt krass. Tausend Lachfältchen tummeln sich in ihrem Gesicht Seite an Seite mit tiefen Furchen, die das Leben gegraben hat. Ihr Mantel scheint ein Nachkriegsmodell zu sein, Mütze, Handschuhe und Schal sind offensichtlich selbstgestrickt, beim Anblick ihres langen Wollrocks klappern mir automatisch die Zähne und die kleine Nickelbrille, die ganz vorne auf ihrer Nase sitzt, ist an einem der Bügel mit Tesafilm geflickt. Um den Hals hängt ihr eine Kiste mit lauter ... Irgendwas in Celophan verpackt. Uuups – das is'n Bauchladen.
Verdient die damit ihr Geld???
Aber das Verrückte ist – die sieht durch und durch glücklich aus. Und das ist etwas, was ich selbst kaum buchstabieren kann.

„Wo drückt denn der Schuh, Mädchen?"
Was soll ich denn darauf jetzt antworten??? Dass ich mit 17 von meinen Eltern rausgeworfen wurde, mich zwei Jahre lang mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen und in Rattenlöchern gehaust habe, dann endgültig auf der Straße gelandet bin und jetzt seit drei Jahren für einen selbst ernannten Robin Hood Reiche observiere und deren Buden ausräume, um „der Gerechtigkeit zum Sieg zu verhelfen"? Dass ich meine Eltern hasse dafür, dass sie mich erst geboren und dann nicht gleich ausgesetzt sondern damit so lange gewartet haben, bis ich doch tatsächlich geglaubt habe, dass das Leben fair ist? Dass sie sich verpissen soll, weil mir eh keiner mehr helfen kann?

Ich ringe noch um eine Antwort, als die Alte schon weiter spricht.
„Du siehst aus, als ob dir kalt ist – und zwar außen und innen. Was macht, dass dir innen drin so kalt ist?"
Das „Verpiss dich!" in mir drin schreit immer lauter. Aber ihre Stimme hat etwas, das mich fühlen lässt wie eine Fünfjährige, die sich das Knie aufgeschlagen hat und sich zum Getröstetwerden in Omas Arme schmeißt. Und genau das würde ich jetzt am liebsten tun. Mich heulend in ihre Arme schmeißen und mich geborgen fühlen.
Noch sowas, was schon sehr lange nicht mehr zu meinem Vokabular gehört ...

„Ik ... bin zu Hause rausgeflogen, lebe auf der Straße, lasse mich von erbärmlichen Typen für erbärmliche Jobs rumschubsen und möchte am liebsten den Weihnachtsmann ermorden, damit ich nich schon wieder alleine Weihnachten nich feiern kann."
Immernoch diese gütigen Augen.
Verschreckt die denn gar nichts???
„Das ist aber ganz schön viel Wut für EIN kleines Herz. Ich glaube, du brauchst einen warmen Kakao und einen Schutzengel."
Ich muss mir das Lachen verkneifen. Jetzt dreht die Alte ab.
Ernsthaft? N'Schutzengel???

Bevor mein Mund protestieren kann, folgen meine Füße automatisch dem gebeugten Rücken zum nächsten Getränkestand, wo mir wenige Minuten später eine große Tasse mit heißem Kakao und einer fetten Sahnehaube obendrauf in die Hand gedrückt wird.
Vielleicht is das doch'ne Hexe – die hat mich ja völlig in der Hand! Oder ik krieg' meine Tage und hab schon wieder Stimmungsschwankungen ...

Geduldig wartet sie ab, bis sich meine Nase mit dem verführerischen Duft echter Schokolade und mein Bauch mit Wärme und Zufriedenheit gefüllt hat. Dann greift sie in ihren Bauchladen.
„Ich kann dich nicht aufnehmen, ich habe selbst nur ein winziges Zimmer und ein schmales Bett. Aber den Schutzengel, den kann ich dir geben. Gib ihm die Chance, auf dich aufzupassen!"
Sie drückt mir eins von den Celophandingern in die Hand, zwinkert mir aus ihren alten, gütigen Augen zu, dass ich am liebsten dahinschmelzen möchte, dreht sich um und geht zurück an ihren Platz. Bald schon ist sie im Gewühl verschwunden. Ich schaue mir das knisternde Ding in meiner Hand genauer an. Und dann fällt mir die Kinnlade runter. Es ist ein kleiner, an den Flügeln mit Zuckerguss verzierter Lebkuchenengel. Es ist nichts – zwei Bissen, happ und weg. Und dennoch. Ich möchte heulen vor Glück.

Das dezente, aber doch penetrante Brummen meines Handys in meiner Jackentasche holt mich allerdings ganz schnell zurück in die Wirklichkeit. Ich stecke die Celophantüte ein und hole mein Phone raus. Mist – Robin Hood. Ohne Umschweife kommt er zur Sache, wie immer.
„Entweder machst du deinen Job verdammt gut oder verdammt schlecht. Kevin ist da, um dich abzulösen. Die Klunker-Tusse hat er gefunden, dich allerdings nicht."
Mist! Ich hab'n Job, und die Alte hat mich total abgelenkt.
„Warum soll Kevin mich ablösen?"
„Weil ich für dich was Kniffligeres habe. Dafür sind die anderen drei zu dämlich."

Na, das lieb ich ja. Mittendrin den Auftrag wechseln. Aber wenn ich Glück hab, muss ich gleich nicht mehr frieren.
„Pass auf. Der Schönling von CASA SECURA hat grade mit seiner supertollen Weihnachtswerbung den Hauseinbrüchen den Kampf angesagt. Der Weihnachtsmann persönlich verspricht, dass nie wieder eingebrochen wird, wenn seine ...blablabla. Der Typ nervt. Soweit ich das bis jetzt rausfinden konnte, steht er selbst vor lauter Sicherheit verkaufen bis zum Kragen im Geld. Schwarzer Benz, großes Penthouse, schicker Fummel, arrogante Mieze, das Übliche halt. Und ich mag es nicht, wenn die Schickimickies sich bereichern, während Normalos sich seine tolle Sicherheit nicht leisten können. Da kannst du zeigen, was du von mir gelernt hast."

Ich rolle die Augen zum Himmel. Doch frieren. Objektbeobachtung, Tagesabläufe und Gewohnheiten rausfinden, Verfolgungsjagden verlieren – weil: Benz?, Umfeld kennenlernen, Sicherheitssysteme hacken, Kameras installieren, Bude ausräumen.
„Wo? Und wer?"
„Alexander Kämpe. Adalbertstraße 345, schicke Ecke von Kreuzberg. Ich geb dir bis Weihnachten Zeit, dann ist die Hütte ausgeräumt. Ciao."
Ohne eine Reaktion abzuwarten, hat er aufgelegt.
Mann, Eulenspiegel, du nervst. So, wie ik ausseh, komm ik an so'nen Schickimickie-Typen doch gar nich ran. Hoffentlich ist die Straße wenigstens Kreuzberg-like, sonst fall ik da auf wie'n bunter Hund.

Seufzend mache ich mich auf zur angegebenen Adresse. Is ja nich so, dass ich dafür durch halb Berlin muss. Aber schließlich stehe ich vor einem modernen Haus, das mit einer dezent angepassten Fassade sehr geschickt in eine erhalten gebliebene Reihe von Altbauten eingefügt ist. Aber da waren bestimmt mal Hinterhöfe, und irgendwo da steckt jetzt in luftiger Höhe und mit mega Ausblick eine tolle Penthouse-Wohnung. ... Witzig. Es ist echt Kreuzberg. Direkt neben der schicken Hütte mit passend verblendeter Tiefgarageneinfahrt is'ne Dönerbude.

Ich wechsele die Straßenseite, schaue im Vorbeigehen auf die Klingelschilder und sehe ganz oben in der Leiste vom Vorderhaus ein ordentliches Schildchen, bedruckt mit Kämpe.
Bingo, hab dich, Junge.
Hinterhaus wär'n bisschen Kacke gewesen. Aber so? Bin schon fast drin.

Da mir eh der Magen knurrt, statte ich der Dönerbude einen Besuch ab und zieh mir 'ne Pommes rein. Während ich auf die Pommes warte, schaue ich mir die Hütte bei Google Earth von oben an.
Nicht schlecht, Herr Specht. Das sieht sogar so aus, als hätte der zwei Stockwerke mit jeweils draußen Terrasse und drinnen genug Quadratmeter, um den Wiener Opernball unterzubringen. ... Aber zu dicht an den anderen Häusern, Fassadenklettern fällt also aus. Muss irgendwie innen durch.
Bei einem Ausflug in die Porzellanabteilung schaue ich mich im Spiegel an – rotgefrorene Nase, schwarze Mähne, eine dreifache Portion Sommersprossen und ein viel zu erwachsener Blick aus meinen wachsamen Augen.
Hilft nix, mach einfach weiter.

„Na dann!"
Kurz nicke ich dem Döner-Ali zu und mache mich auf nach Hause. Naja - nach Hause. Nachdem ich ein Jahr ganz auf der Straße gelebt habe, ist mein Zuhause seit drei Jahren beim Eulenspiegel, dem Robin Hood von Sherwood-Pankow. Er hat selbst 'ne schicke Hütte geerbt und 'nen richtig-richtigen Dachschaden. Hat seine Alten gehasst wie die Pest und ihr gutbürgerliches Leben gleich mit. Hat die Hütte und 'nen Haufen Kohle geerbt, und damit er seinem verdrehten Weltbild treu bleiben kann, hat er beschlossen, Reiche auszurauben und das Geld anonym an soziale Einrichtungen zu spenden. Meint, dass er damit sein schlechtes Gewissen vertreiben kann dafür, dass er das Erbe nicht ausgeschlagen hat.

Weil er sich aber nicht die Finger schmutzig machen will, hat er sich nach und nach vier Straßenkinder zusammengeklaubt. Da er mit Vornamen Till heißt, hab ich ihn Eulenspiegel getauft. Irgendwie hat er uns Straßenkinder ja auch „eingefangen". Kevin, Jo, Memnun und mich, die Lilli. Kevin und Jo sind strohdumm. Memnun ist unser Jüngster und sowas von ungeeignet. Schüchtern, ängstlich und so kreuzehrlich, dass ich nur drauf warte, dass er uns auffliegen lässt. Deshalb heißt er bei den anderen Jungs auch nur Memme. Robin Hood bleibt immer zu Hause in seiner hochtechnisierten Kommandozentrale. Wenn der überhaupt irgendwas von Beruf ist, dann Hacker. Abgebrochenes Informatikstudium, schreit vor Intelligenz, absolut lebensuntauglich und weltfremd. Japp, passt.

So dicke Dinger wie den Kämpe krieg immer ich. Und weil ich für heute genug gefroren habe, werde ich mich jetzt zur Kommandozentrale trollen, mich an den Rechner schmeißen und gründlich über mein neuestes Opfer recherchieren.

Ich schließe die Haustür auf, brülle ein „bin daaaaa" in Richtung Headquarter, und weil ich keinen Bock auf Reden habe, flitze ich ganz schnell die Treppe rauf in mein Zimmer. Ich schnappe mir mein Läppi und lege los. Wohnquartier, Öffentliche, Fluchtwege, seine Firma, ich mache ein paar Screenshots und schaue mir seine neueste Kampagne an. Dann gehe ich auf sein Profil.
Igitt, ist der schön. Und erfolgreich. Und sympathisch auch noch. Das ist ja nicht zum Aushalten. Hat der Kerl überhaupt 'ne Macke? 

 Naja, morgen geht's los, dann bist du dran, Junge. Und dann heißt's „fröhliche Weihnachten" für dich ...

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1.12.2019    -    24.7.2022

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