Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

Dienstag, 17.12. - Engel im Sturzflug

Ich beginne, meinen Job zu hassen. Ich habe genau verstanden, welches Problem Alex gestern ins Büro getrieben hat. Eulenspiegel muss einen zweiten Versuch mit dem Fahrstuhl gestartet haben. Und ich beginne, mich zu hassen für meine Unentschlossenheit und Feigheit. Ich sitze hier hoch und trocken, genieße den Luxus und die Aufmerksamkeiten von Alex und mache mir null Gedanken, wie es eigentlich weitergehen soll. Eulenspiegel wird hier nicht locker lassen, das ist völlig klar. Alex wird am zweiten Weihnachtstag nicht zu seinen Eltern reisen, warum sollte er auch. Eulenspiegel wird von mir erwarten, dass ... Alex vertraut mir, dass ... Ich will das ganze gar nicht! Aber wenn ich nicht entweder bei dem einen offen aussteige und damit keine-Ahnung-was riskiere oder Alex die Wahrheit sage, dann wird hier um Weihnachten rum die Bombe hochgehen.

Ich hab dem Eulenspiegel eine Nachricht geschrieben, dass Alex und sein Kollege durchaus die Querverbindung zwischen den beiden Angriffen hergestellt haben und dass er sich bitte was anderes einfallen lassen soll, weil ich auf einer tickenden Bombe sitze, wenn ich nochmal irgendwas von hier aus unternehmen werde. Keine Antwort. Er lässt mich schmoren.
Ik könnte kotzen!

Alex bleibt heute erstmal wieder im Bett oder schlurft maximal zum Sofa. Der Ausflug gestern hat ihn doch sehr geschlaucht. Dafür habe ich ihm Karinas Bücherkisten runtergeholt, und da wühlt er sich nun durch. Es gibt wieder mehrere Stapel, diesmal eher Kisten: Oxfam, behalten, verschenken, darf Lilli behalten, Müll. Die meisten Bücher wandern in Karinas Zimmer zu den Oxfam-Säcken dazu. Die Bücher, die Alex behalten möchte, räumt er am Ende mit meiner Hilfe in sein Regal ein. Dazu komplimentiere ich ihn in seinen Bürostuhl, und er darf mich hin- und herdirigieren.

Für mich habe ich mir nur drei Bücher ausgesucht. Ein Buch über Johann Sebastian Bach, „die Brüder Löwenherz" von Astrid Lindgren, die ich als Kind unendlich geliebt und bestimmt hundertmal durchgeheult habe. Und witzigerweise hatte auch Karina das „Stein und Flöte ..." von Hans Bemmann. Ich freue ich echt, dass ich nun mein eigenes Exemplar habe. So kann ich es später nochmal lesen.
Und es wird mich an die Zeit bei Alex erinnern. Wie auch immer sie zu Ende gehen wird ...

Die Verschenken-Kiste bringe ich in den Keller, und zwei Tüten voll bringe ich zum Altpapier. Wir fühlen uns beide wie mit Mehl überschüttet, weil wir soviel Staub aufgewirbelt und eingeatmet haben. Und da wir heute bisher beide zu faul dazu waren, gehen wir jetzt nacheinander unter die Dusche. Alex legt sich dann mal wieder zum Schlafen hin. Ich sauge derweil das Wohnzimmer, koche Tee und mache einen Keksteller fertig für später.

Dabei fällt mein Blick auf die beachtliche Batterie von Medikamenten. Die Schachtel mit Ibuprofen ist fast leer - oh, und seine Hustentropfen auch. Ich überlege nicht lange, schnappe mir Jacke, Geld und Schlüssel und nehme alles, was fast aufgebraucht ist, mit nach unten. Dr. Schneider nimmt sich kurz Zeit für mich, stellt mir ein Rezept aus für die Medikamente, die er noch für nötig hält, und erklärt mir den Weg zur nächsten Apotheke. Und dahin mache ich mich nun auf die Socken.

Es ist immernoch richtig kalt, auch der Schnee ist noch nicht ganz weggeschmolzen, viele Fenster sind beleuchtet, mein Atem dampft vor meinem Mund, ich bin gut gelaunt.
Es tut so gut, einfach mal rauszukommen, wenn man weiß, dass man hinterher wieder willkommen ist!
Die Apotheke ist schnell gefunden. Da Erkältungszeit ist, stehe ich allerdings eine ganze Weile an, bevor ich drankomme. Um mich drumrum schnieft und schnaubt es dermaßen, dass ich dann fluchtartig die Apotheke verlasse.

Gelassen schlendere ich zurück. Auf einmal öffnet sich über mir ein Fenster, und ich höre eine Frauenstimme keifen.
„Fass das nich an, du grober Klotz! Dich interessiert das doch sowieso nich. Warum darf ik ni..."
„Janz jenau. Mich juckt das nich die Bohne, und darum will ik den Scheiß nich mehr sehn."
Ich habe nach oben geschaut, woher das Gebrüll kommt, und mache nun spontan einen ziemlichen Satz zur Seite.
Cool. Sowas gibt's sonst nur in Hollywood.
Unter heftigem Gekreische ihrerseits befördert der Typ einfach eine Kiste aus dem Fenster und lässt sie fallen.
Heute in Ihrem Kino: "Ehekrach 2.0" Und einen Sitzplatz in der ersten Reihe.

Die Kiste fällt direkt neben mir auf den Bürgersteig und gibt eine ganze Ansammlung von unschönen Geräuschen von sich. Nur zwei Minuten später kommt eine glitzerrosane Frau mit beeindruckendem Vorbau und tränenverschmierter Kriegsbemalung aus der Haustür geschossen und stürzt sich auf den Karton.
„Du Arsch! Wenn da jetzt was kaputt is ..."
Worauf du wetten kannst. Wenn ich die Geräusche analysieren müsste, würde ich sagen: Glas, Plastik, noch mehr Glas ... und vielleicht Holz.

Die Tusse reißt die Kiste auf und fängt an zu fluchen, als müsse sie einem echten Berliner Bierkutscher Konkurrenz machen. Manche der deftigen Verwünschungen gelten dem inzwischen verwaisten Fenster im zweiten Stock, manche wirken eher so, als wären wir Umstehenden daran Schuld, dass ihr Macker'n Knall hat. Jedenfalls wirft sie nur einen Blick auf den Scherbenhaufen, gibt der Kiste einen heftigen Tritt und rauscht wieder ins Haus.

Das war eine eindeutige Verzichtserklärung auf den Inhalt dieser Kiste!
Während die meisten anderen Passanten sofort weiterlaufen, nähere ich mich dem Desaster und schaue neugierig hinein. Und tatsächlich - zwischen kunterbunten Glitzerscherben, den abgebrochenen Flügeln einer kleinen Weihnachtspyramide und jede Menge ausgeschütteter Weihnachtsglitzer-Schauderschön-Streuteile finden sich drei bunte, hölzerne Engel, die ich sogar ganz niedlich finde. Vorsichtig fische ich sie aus den Scherben, um mich nicht zu schneiden, und stecke sie höchst beglückt zu den Medikamenten in die Tüte. Sehr zufrieden mit meiner Beute trolle ich mich nach Hause zu Alex. Ich hätte ja sonst heute einfach den dritten Glasengel vom Schulbasar an den Strauß gehängt. Aber so finde ich das noch viel schöner. Diese Engel sind mir buchstäblich vor die Füße geflogen. Also wollen die mit und an unseren Strauß dran.

Als ich die Wohnung betrete, kommt Alex mit einer Kiste in der Hand die Innentreppe runter. Ich möchte ihn am liebsten ohrfeigen, kucke stattdessen aber nur böse. Er schaut mir ins Gesicht und fängt an zu lachen.
„Friss mich nicht. Das ist nur was Kleines, was wir schnell erledigen können."
Ich hänge meine Jacke auf, bringe die Medi's in die Küche und folge ihm mit den Engeln ins Wohnzimmer. Dann hänge ich die Engel auf, während ich ihm die filmreife Vorführung schildere und wir uns darüber kaputtlachen.

„Aber jetzt sag - was is in dieser Kiste, die du unbedingt fahrlässigerweise die Treppe runtertragen musstest."
Er kuckt nur ganz dezent schuldbewusst.
„Ich hab damals ganz viel ausgeräumt. Aber ihre CD's waren mit meinen gemixt, und deshalb bin ich nur grob drübergegangen hier am Regal und hab wahllos was aussortiert. Die ganzen Klassik-CD's sind ja auch noch von ihr. Und hier ist noch anderes."

Gemeinsam heben wir den Deckel von der Bananenkiste und stöbern in den CD's. Davon wandern tatsächlich viele zurück ins CD-Regal. Die gesamte Klassik zum Beispiel. Viel Deutsches ist dabei, alles Zeug, was ich noch nie gehört habe.
Wise Guys - A Capella! Na dann ...
Rock und Soul dürfen auch wieder einziehen. Einige CD's aber, auf denen Songs sind, die für Alex und Karina eine besondere Bedeutung gehabt haben, wandern ganz schnell raus. Zum Beispiel das Album Vida mit „Despacito" lässt er wie eine heiße Kartoffel zurück in die Kiste fallen. Am Ende bleibt aber gar nicht mehr sooo viel übrig, was ich dann nach nebenan zum Oxfam-Haufen trage.

„Du Alex, hast Du Lust auf 'nen Tee und Kekse?"
Er war ganz in Gedanken und fährt erschrocken hoch. In der Hand hat er eine CD, bei der er schon vorhin lange gezögert hatte mit der Entscheidung.
„Was?... Ach so. Äh ... ja gerne. ... Du, ... kennst du die Operette 'Anatevka'?"
Ich schaue aufs Cover und schüttele den Kopf.
Fiddler on the Roof
„Nö. Was is das, ein 'Geiger auf dem Dach'? Und soll ik jetzt Tee und Kekse holen?"
Alex steht auf.
„Ja, sehr gerne. Entschuldige, dass ich eben nicht richtig zugehört habe."
Spinner!
Ich gehe zu ihm hin, wuschele ihm einmal durch den Schopf und zeige ihm einen Vogel.
„Bei dir piepts wohl auf dem Dach. Ei, du leistest grade schwerste Seelenarbeit. Da musst du dann bitteschön nicht mehr höflich sein!"

Damit lasse ich ihn erstmal stehen. Als ich aus der Küche zurückkomme mit einer Teekanne und dem Keksteller, steht er mit der geöffneten CD-Hülle vor seiner Anlage. Und zögert immernoch.
Oh Mann, der verrennt sich grade im Oberstübchen und findet den Weg da raus nicht mehr.
Ich stelle den Kram ab und mich zwischen ihn und die Anlage.
„Alex? Magst du mir erzählen, was dir diese Musik bedeutet? Vielleicht weißt du nach dem Aussprechen besser, was du jetzt willst."
Wieder scheint er von ganz weit her zu kommen.

„Ich... Wir ... Karina hat Klezmer-Musik geliebt. Und auch gerne versucht, das auf der Geige zu spielen. Wir waren auf unserer Israelreise in einer Aufführung. Deshalb ... Klezmer ist ja viel mehr als Musik. Das ist ein Lebensgefühl."
„Und? Ist das auch dein Lebensgefühl?"
Alex denkt nach und schüttelt dann den Kopf.
„Sie hat es geliebt. Und ich bin gerne mitgegangen, weil sie sich darüber gefreut hat. Aber es war und ist nicht meine Welt."
Ich bin ehrlich erleichtert über diese Antwort.
„Gut - dann mach an, während wir Tee trinken."

Kurz darauf sitzen wir auf dem Sofa, mümmeln Kekse, schlürfen Tee und lauschen Anatevka. Ich hatte noch nie vorher was von Klezmer gehört, ich mag diese melancholische, seelenvolle Musik. Aber im Moment zählt nur, dass Alex bewusst Abschied nehmen kann.

Als die Musik rum ist, schweigen wir eine Weile. Dann sagt Alex plötzlich:"Danke!"
„Hä? Wofür?"
„Danke, dass du mir sortieren geholfen hast. Im Kopf. Du hilfst mir - jeden Tag. Danke!"

...............................................................

17.12.2019    -    25.7.2022

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro