III. Μугa
Sie wurden gebrandmarkt.
Micah hatte zuvor schon davon gehört, dass Kriegsgefangene in Varezy dieses Schicksal erleiden mussten, aber er hatte es immer als dummes Gerücht abgetan. Aber das war es nicht.
Seine Haut zischte, als sie ihn brannten, und obwohl er die Zähne fest zusammenbiss, konnte er nicht verhindern, dass ihm ein keuchender Schmerzenslaut entwich. Es tat so weh, aber jeder Versuch, seinen Peinigern den Arm zu entreißen, war natürlich zwecklos.
Kurz nach ihrer Ankunft im Lager wurden sie nacheinander in diesen stickigen Kellerraum hereingerufen, in dem ein riesiger Feuerofen wie der aufgerissene Rachen eines Drachen glühte.
Die Brandung dauerte nur wenige Augenblicke, doch Micah kam es wie eine erbarmungslose Ewigkeit vor. Als das Eisen seine Haut verließ, klaffte dort die frische Wunde, ein brennender Halbmond, das Wappen von Varecy.
Der Gestank, der von der Wunde ausging, war das Schlimmste, und Micah übergab sich geräuschvoll in den dafür vorgesehenen Blecheimer neben dem Stuhl, der schon randvoll mit Erbrochenem war und überzulaufen drohte.
Danach musste er in einen anderen Raum, sich seiner Kleidung entledigen und mit Eiswasser abgespritzt. Anschließend wurde ihm seltsame blaugraue Kleidung zugeteilt und er wurde mit seiner Gruppe in eine Baracke voller Feldbetten geführt. Dort schliefen die Gefangenen hungrig ein und fürchteten den aufziehenden Morgen.
Das Leben im Lager war hart. Es dauerte ein paar Tage, bis Micah herausfand, was genau der Sinn und Zweck ihrer Anwesenheit hier war. Die Antwort: Sie stellten Waffen her. Präziser ausgedrückt, sie schraubten Waffen zusammen.
Es war das erste Mal, dass Micah eine Pistole in der Hand hielt, und in ihrer Rohform wirkte sie ganz unscheinbar, weit weniger furchteinflößend als das Geräusch, das sie machte, sobald sie geladen war und ein Uniformierter den Mechanismus, dessen Namen Micah noch nicht kannte, betätigte und die Kugel abfeuerte.
Im Nachhinein war er froh darüber, dass er so getan hatte, als sei er noch ein Kind. In seinen ersten zwei Wochen hier begegnete ihm kein einziges vertrautes Gesicht eines Erwachsenen. Und als er bei einem seiner Spaziergänge über den Hof doch einmal den alten Hufschmied Sergin erblickte, überlief ihn ein unbehaglicher Schauer. Er sah schrecklich aus, mehr still als lebendig. Hastig hatte er den Blick abgewandt und war weitergelaufen.
Für die Kinder im Lager gab es nur die Schlafbaracke und die Produktionshalle, aber nach einer Weile wurden ihnen mehr Freiheiten gewährt. Sie durften zum Beispiel nach getaner Arbeit ins Nachbardorf gehen, solange sie vor der Sperrstunde zurück waren. Diese kleinen Ausflüge taten Micah gut, sonst wäre er wahrscheinlich durchgedreht.
Einige Dorfbewohner hatten Mitleid mit den herumstreunenden Kindern und legten wärmere Kleidung oder Essensreste auf die Türschwellen ihrer Häuser ab.
Micah freundete sich schnell mit einer braunweiß gefleckten Katze an, die er in Gedanken Myra taufte.
Die Katze gehörte einer Greisin, die ihn manchmal vom Fenster aus beobachtete, wenn Micah mit Myra auf der Lehmstraße spielte. Dazu benutzte er ein Stück Schnur, an dem er eine Blechdose befestigt hatte, die zusätzlich mit Kieselsteinen gefüllt war, damit sie für Myra klapperte, sobald Micah die Schnur durch die Luft zog.
Myra liebte dieses Spiel und der Gefangene liebte es, Zeit mit ihr zu verbringen und zu sehen, wie zutraulich sie ihm gegenüber wurde. Manchmal wartete sie ganz aufgeregt am Dorfeingang auf Micah und schmiegte sich schnurrend an seine Beine.
Eines Tages, es war sein dritter Monat im Lager, öffnete die Greisin die Tür und winkte Micah mit einem zahnlosen Lächeln herein. Myra nutzte die Gelegenheit und erbeutete stolz die Blechdose.
Zögerlich folgte Micah der überraschenden Einladung und betrat das Haus. Die Decke war niedrig, und durch die winzigen Fenster drang nur spärliches Tageslicht herein. Die Frau klopfte einladend auf die Lehne eines Holzstuhls am Tisch, auf dem ein Teller mit dickflüssigem Eintopf und ein Glas Ziegenmilch standen.
Gierig ging Micah drauf zu und setzte sich. Sein Magen knurrte fordernd und er senkte verlegen den Blick, doch die Greisin lachte nur und reichte ihm einen Blechlöffel. Sofort griff Micah zu und begann hungrig den heißen Eintopf zu schlürfen.
Der Eintopf schmeckte wunderbar, und wie Micah es mochte, waren große Gemüsestücke darin enthalten, die dem Gefangenen nach so langer Zeit endlich wieder den Magen füllten. Schweigend aß er und kratzte selbst den letzten Rest heraus.
Die Greisin hatte sich neben den Jungen gesetzt und beobachtete Micah aufmerksam. Wahrscheinlich war es unhöflich, so zu schlürfen, aber sie schien es ihm nicht übel zu nehmen und gab Micah sogar noch einen Nachschlag.
Nach einer Weile kam auch Myra herein und begann mit dem herunterhängenden Zipfel der Tischdecke zu spielen.
»Danke«, sagte Micah in gebrochenem Varezy. »Lecker. Sehr.«
Die Frau lächelte weiter, und Myra sprang auf ihren Schoß und ließ sich von den zerfurchten Fingern verwöhnen.
Wahrscheinlich war seine Betonung falsch und sie hatte ihn nicht verstanden.
»Wie heißen?«, fragte sie Micah plötzlich und er nannte ihr schüchtern seinen Namen.
»Micah«, wiederholte sie und ließ sich seinen Namen nachdenklich auf der Zunge zergehen. »Mein Name Rashel und das sein Inessa«, stellte sie sich und die Katze vor.
Inessa. Was für ein schöner Name, aber Micah beschloss trotzdem, dass er lieber in Gedanken bei Myra bleiben wollte. Den Namen seiner kleinen Schwester, die er wahrscheinlich nie wiedersehen würde.
»Du sein ein guter Junge, komm wieder. Kannst mehr Suppe haben.«
Micah war gerührt von ihrer unerwarteten Freundlichkeit und den Tränen nah. Er hatte geglaubt, jeder in Varezy würde die Bewohner Warahs aus tiefster Seele hassen, aber das war wohl nicht der Fall. Selbst hier in der Fremde konnte man Freundlichkeit begegnen.
»Nicht weinen«, sagte Rashel, als Micah die Tränen nicht mehr zurückhalten konnte und sie ihm heiß und ungezügelt über die Wangen liefen. »Weine nicht, Micah. Alles wird gut. Die stille Mutter wacht über uns alle.«
Er nickte und wischte sich verlegen mit dem Ärmel seiner Jacke über das nasse Gesicht.
Huhu~
Ist Myra nicht einfach Balsam für die Seele?
Was haltet ihr von Oma Rashel?
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro