7. Dezember | Let it snow
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27. November, New York City, USA - Lenny
Sicher, ich hasste die Weihnachtszeit. Aber da ich genau wusste, wie viel meiner Familie, und eben auch Mary daran lag, beschloss ich all diese Dinge mitzumachen, bis ich nach Australien fliegen würde. Also nahm ich Mary mit zu dem besten Weihnachtsbaum-Händler unserer Gegend. Max war stolzer Besitzer eines kleinen Waldstücks außerhalb der Stadt, in dem die schönsten Nadelbäume wuchsen. Im November und Dezember verkaufte er diese dann an glückliche Familien. Und er beherrschte sein Handwerk. Da ich dieses Jahr für den Weihnachtsbaum verantwortlich war, hatte ich kurzerhand beschlossen, Mary einfach mitzunehmen. Das diese Idee in einem Schneegestöber der besonderen Art enden würde, hatte ich ja nicht wissen können.
Allerdings schien Mary es so zu genießen, dass ich nicht anders konnte, als einfach still neben ihr her zu gehen und sie dabei zu betrachten, wie glücklich sie war. Wir fanden unseren Weg durch die Straßen schnell und schon ein paar Minuten später standen wir vor Max. Ein provisorischer Zaun diente der Begrenzung seines Geschäfts – darin standen die unterschiedlichsten Nadelbäume. Ich sah Mary an und sie schien beinahe durchzudrehen. „Wir haben zu Weihnachten nie einen Baum. Dafür wohnen wir viel zu weit im Nirgendwo." Also lief Mary die erste von vielen Runden, die noch folgen sollten, um den perfekten Baum zu finden. Ich beschloss, ihr diese Aufgabe einfach zu überlassen und mich mit Max zu unterhalten. Max trug schon seit ich ihn kannte einen langen, dunklen Bart, den ich als Kind immer gruselig gefunden hatte. Doch was diese Annahme verstärkt hatte, waren seine hellen, blauen Augen. Heute wusste ich, dass Max nicht einmal einer Fliege etwas zu leide tun würde. Stattdessen ging er voll und ganz in seinem Job auf. „Wen bringst du denn da mit?", fragte er mich zur Begrüßung, grade als Mary hinter ein paar Bäumen verschwunden war. „Mary. Unsere Austauschschülerin.", erklärte ich knapp. Max schien wieder einzufallen, was ich ihm erzählt hatte. „Richtig, dein Auslandsjahr. Wann geht es für dich los?", fragte er mich. „Nächste Woche.", unterstützte ich seinen Smalltalk, bis wir kein Gesprächsthema mehr fanden. Eine unangenehme Stille breitete sich zwischen uns aus.
„Der ist es!", sagte Mary nach einer gefühlten Ewigkeit endlich. Ich drehte mich zu ihr um, als sie auf einen Baum zeigte. Er war ein klein wenig schief, aber trotzdem nicht schlecht. Ich mochte ihn tatsächlich selbst. „Dann soll er das sein.", stimmte ich ihr zu. Max machte sich an die Arbeit, und kurze Zeit später trugen Mary und ich den eingepackten Baum quer durch die Straßen New Yorks. Es war schon immer bescheuert gewesen, diesen Baum jedes Jahr mit der U-Bahn zu transportieren, allerdings lohnte sich der Kauf eines Autos, oder die Mietkosten eines Transporters einfach nicht. Also war es zu einer Tradition geworden, die Hauptattraktion von allen Menschen zu werden, die grade in den Feierabend gingen. Ich fand es allerdings lustig. Mary sah hingegen wenig begeistert aus, als wir, samt Baum, wieder in der U-bahn Station standen.
Mary
Und da war sie: die Kombination zwei meiner größten Ängste vereint in einem Augenblick. Aufmerksamkeit und U-bahnen. Als ob mir das Leben einen Streich spielen wollte. „Na komm schon.", sagte Lenny, und wir stiegen in die U-bahn. Ich wünschte mir sehnlich ein Loch im Erdboden, in dem ich versinken könnte. Doch dieses tauchte nicht auf.
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