24. Dezember | My only wish this year
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25. Dezember, New York City, USA – Mary
New York roch nach Schnee. In den Schaufenstern blinkten die Lichter und durch die ganze Wohnung klang Weihnachtsmusik. Wohin man auch sah, die Welt schien neu geboren zu sein. Und obwohl es schon weit nach Mitternacht war, war die ganze Familie wach und saß auf dem Sofa . Carol und Sina spielten zusammen UNO und Lenny saß neben mir auf dem Boden vor dem Weihnachtsbaum. Edith bediente sich an den Lebkuchen und blätterte in einem Buch. Den Baum, den wir vor ein paar Wochen durch die U-Bahn hierher manövriert und mitten in der Nacht geschmückt hatten. Irgendwie weckte er Erinnerungen in mir. Denn in dem Monat, den ich nun mit Carol, Sina und auch irgendwie Lenny verbracht hatte, hatte ich viel gelernt. Nicht nur, dass ich in Australien nie wirklich glücklich gewesen war oder dass Weihnachten unter Menschen ganz anders war. Sondern auch, dass man wahre Liebe in den unpassendsten Momenten finden konnte. Dass ich mich in jemand anderen als Josh verlieben könnte, hätte ich sowieso nie geglaubt. Doch in der abgekapselten Welt, in der ich gelebt hatte, hatte ich nie von einem Jungen träumen können, der hinter all meinen Träumen stand.
Als ich vor ein paar Stunden mit meinen Eltern telefoniert hatte, um ihnen mitzuteilen, dass ich keinen Jungen heiraten würde, den ich nicht liebte, war ich mir sicher gewesen, dass ich nun enterbt werden würde. Jedoch erreichte ich nur meine Mutter, die offenbar nichts von Dads Plan gewusst hatte. Und sich sehr oft bei mir entschuldigte. Von Dad hatte sie nichts mehr gehört, als er aus „geschäftlichen Gründen" nach Sydney gefahren war. Doch nachdem ich Mom von allem erzählt hatte, schien sie zu verstehen, warum er sich nicht konkreter ausgedrückt hatte. Wer wusste schon, was er vorhatte? Dann erzählte sie mir, dass sie im Flieger auf dem Weg hierher saß. Und ich brach in Tränen aus. Ich hatte nicht gewusst, wie sehr ich meine Mutter vermisst hatte. Vermutlich lag es daran, dass ich sie neunzehn Jahre lang jeden Tag gesehen hatte. Carol hatte sie eingeladen und Mom hatte sich direkt zum Flughafen begeben. Seitdem warteten wir in dem kleinen Wohnzimmer auf meine Mutter, die schon bald hier ankommen würde.
Sina hatte sich schon einige Male beschwert, dass sie keine Geschenke öffnen durfte, obwohl doch schon Weihnachtsmorgen war. Carol hatte nach einer Weile aufgegeben, zu diskutieren und ihr erlaubt, eines der Geschenke zu öffnen. Kurze Zeit später hatte Sina alle ihre Geschenke geöffnet, aber keiner war ihr böse gewesen. Dafür liebten wir sie zu sehr. Ich hatte ihr eine Schneekugel geschenkt, in der eines der Bilder war, dass wir gemeinsam auf dem Weihnachtsmarkt gemacht hatten. Irgendwo war mir klar, dass dieses Bild jetzt noch keinen emotionalen Wert für sie hatte, doch war ich mir sicher, dass es in ein paar Jahren ganz anders aussehen würde. Edith hatte das selbe von mir bekommen. Gemeinsam mit einer Zusage von Carols Agentur, die sie beinahe zum weinen gebracht hatte. Außerdem freute Sina sich über die Tickets fürs Disneyland. Von ihrer Mom und ihrem Bruder bekam sie Spielzeug und eine Mitgliedschaft für einen Eislaufverein, über die sie sich sehr freute. Nach Sinas persönlicher Bescherung lagen nur noch ein paar Geschenke unter dem Baum. Ich hatte zwar darauf bestanden, dass wir noch warteten, bis Mom da war, jedoch hatte Lenny mir widersprochen und gesagt, dass ich eines der Geschenke öffnen sollte. Deswegen saß ich auf dem Boden und hielt einen Umschlag in den Händen.
„Lenny, du musst mir nichts schenken", versuchte ich, ihn davor abzuhalten, mir etwas unglaublich teures zu geben. Lenny grinste nur vor ich hin und wies mich dann an, den Umschlag zu öffnen, auf dem in geschnörkelten Buchstaben „Maria" stand. „Das größte Geschenk ist doch schon, dass du hier bist.", beteuerte ich immer wieder, bis ich den Umschlag schließlich öffnete. Ich nahm ganz langsam die Karte aus dem Umschlag, auf der ein Bild von uns zu sehen war. In der U-Bahn, mit einem deplatzierten Weihnachtsbaum auf dem Arm. Als ich die Karte aufschlug, fiel mir ein Schlüssel entgegen. Ich sah Lenny fragend an. Dann las ich die Worte, die in der Karte standen.
„Als ich dich zum ersten Mal sah, war mir gleich klar, dass du etwas besonderes bist. Auch wenn ich es vielleicht nicht gezeigt habe, ich habe dich seit dem ersten Tag geliebt. Und obwohl seit diesem Tag nur ein Monat vergangen ist, weiß ich ganz genau, dass ich es für immer tun werde. Das hier ist ein Angebot. Ich werde immer hier sein, um dir zuzuhören. Ich werde dich immer lieben, Mary. Und dieser Schlüssel soll ein Symbol der Ewigkeit sein. Nicht nur ist das unser Angebot, dass du zu uns ziehen und immer hier bleiben kannst, sondern auch die ewige Erinnerung daran, dass ich dich eines Tages heiraten will. Ich werde warten, bis du dazu bereit bist. Ich warte darauf, dass du einundzwanzig wirst und studiert hast. Ich halte bei deinen Eltern um deine Hand an. Aber ich werde nicht aufhören, bis ich mir sicher sein kann, dass ich dich für immer lieben darf."
Als ich wieder aufsah, standen mir Tränen in den Augen. Auch Carol und Sina sahen mich nun erwartungsvoll an. Edith blickte neugierig zu uns. Ich biss mir auf die Lippe und versuchte, nicht zu weinen. Ich würde tatsächlich in New York leben können? In der Stadt, in die ich mich verliebt hatte? Mit den Menschen, die schon längst wie meine Familie waren? Ich sah Lenny an und fiel im um den Hals. Dann küsste ich ihn. „Ja", flüsterte ich, als ich mich wieder von ihm gelöst hatte. Carol und Sina wurden ebenfalls in die Umarmung gezogen. Edith jubelte, und ich wusste, dass ich sie nie verlieren würde. Und so saß ich an Weihnachten unter einem Weihnachtsbaum in einer Wohnung in New York.
Und vor den Fenstern fiel der Schnee.
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