Kapitel 11 - Einsame Festung
Einen lauten Seufzer der Resignation ausstoßend, steht Summer auf und eilt ihrem ungeduldigen Begleiter hinterher, da dieser weiter den wunderschön gestalteten Weg Richtung Eingangspforte läuft, oder Tor,oder als was auch immer sie dieses riesenhafte Etwas von einem Eingang bezeichnen soll. Der Zugang zum Palast ist opulent und als sie Nahe genug ist, um den Schlussstein sehen zu können, muss Summer dafür den Kopf so weit in den Nacken legen wie es ihr überhaupt möglich ist. Bevor sich ihre Nackenwirbel durch die Haltung beschweren, blickt sie wieder gerade aus, wo Rune wieder einmal ungeduldig auf sie zu warten scheint. Kopfschüttelnd und mit einem Lächeln schließt sie zu ihm auf, und kann zum ersten Mal das Material aus dem der Eingang gemacht ist richtig erkennen. Von Weitem dachte sie, es wäre aus Eis oder Schnee, so wie der Weg und die ganzen Dekorationen entlang. Aber Summer täuscht sich. Als sie mit der Hand vorsichtig darüber streicht, spürt sie eindeutig Holz unter ihren Fingern. Und jetzt kann sie auch erkennen, dass es dieselbe seltsame Färbung hat, wie der Schlitten der Rentiere. Blaue Maserung auf einem hellgrauen Holz. Sie wüsste zu gerne, was das für ein Baum sein soll, der solch wunderschönes und eigenartiges Holz hat. Als sie schon den Mund öffnen will, um Rune zu fragen, gibt die Pforte unter ihrer Hand plötzlich nach und beginnt sich nach innen zu öffnen. Beide Flügeltüren schwingen quälend langsam und doch geräuschlos nach innen, obwohl sie so turmhoch sind, ist kein Knarzen oder Quietschen zu hören. Staunend beobachtet sie das Schauspiel, bis die Tore komplett geöffnet sind und einen atemberaubenden Blick auf den Innenhof gewähren.
Ein Vorplatz, der die Größe eines Fußballplatzes einnehmen dürfte, wird eingegrenzt von üppig verzierten Mauern in dem bereits bekannten Spiralmustern aus Eis und Schnee. Ihr Blick wird direkt auf eine Doppeltreppe gelenkt, die sich jeweils mit einem dekadenten Seitenschwung auf jeder Seite wieder vor einem weiteren Eingang auf halber Höhe des dahinterliegenden Gebäudes, zusammentrifft
Links und Rechts erkennt andere Bauten, die für sie wie Ställe in verschiedenen Größen wirken und offensichtlich Reittiere verschiedenster Art beherbergen können. Wobei sich Summer fragt, welches Transporttier in den größten Stellplatz passen könnte... ein Elefant? Verwirrt schiebt die junge Frau diese Frage in den Hinterkopf zu den hundert anderen Fragen und Mysterien, welche sie jetzt noch nicht zu klären vermag, und lässt den beendeten Rundblick auf ihrem Eiswolf ruhen.
„Willkommen in der einsamen Festung, dem Palast des ewigen Winters!", hört sie Runes Worte feierlich in Ihrem Kopf.
„Einsam, hm?", murmelt Summer verunsichert. Aber klar, welcher normale Mensch lebt auch freiwillig am kältesten und nördlichsten Punkt der Erde? Doch von ihrem Begleiter kommt keine Antwort. Entweder hat er Summer tatsächlich nicht gehört, weil er schon wieder vor gelaufen ist, oder er hat beschlossen ihren Kommentar diesmal tatsächlich zu ignorieren.
Fasziniert von den vielen Verzierungen an und auf den Mauern und selbst an den Wänden der Gebäude, beginnt die junge Frau die Freitreppe auf der linken Seite hochzusteigen, nicht ohne auch hier die bemerkenswerte Handwerkstechnik und Grazilität der Geländer und Stufenverzierungen zu würdigen. Immer wieder gleiten ihre Finger die verspielten Muster und Ornamente auf dem Handlauf entlang, bis sie schließlich oben auf dem geräumigen Absatz angekommen ist, der das Ende der Doppeltreppen markiert. Auf der gegenüberliegenden Seite schwingt sich der Zwilling der Treppe, die Summer gerade heraufgegangen ist, wieder hinunter und neben ihr endet ihr der Absatz in der Tür, die sie bereits von unten sehen konnte. Rune läuft bereits die paar Schritte darauf zu und wieder öffnet sich die Doppeltür wie von Geisterhand, ganz als gäbe es einen versteckten Bewegungsmelder. Stirnrunzelnd kommt ihr der Gedanke in den Sinn, dass dies wohl nicht Lösung sein kann... der würde bei der Kälte doch glatt einfrieren, samt Batterie, kann sie nur mutmaßen. Auch wenn Summer diese Kälte nicht fühlen kann, ist sie unübersehbar, das Eis hier ist knochenhart.
Neugierig auf das Innere, eilt Summer dem Wolf hinterher. Dieser wartet zum Glück ein paar Schritte später auf sie. Denn im Eingangsbereich, in welchem Sie sich jetzt befinden, zweigen so unendlich viele Türen ab, dass Summer niemals die gefunden hätte, durch die Rune bereits hätte gehen können.
Die glänzenden Eisfliesen am Boden bilden ein Mosaik in Form einer üppigen Schneeflocke. Diese bildet das Zentrum einer quadratischen Halle. An allen Seiten führen Treppen auf eine weitere Ebene, gleich einer Galerie, von der auch wieder jede Menge Türen, wer weiß wohin führen. Ein Labyrinth für all jene, die uneingeladen hier hereinkommen, wie Summer bewundernd bemerkt. Mit einer Ausnahme: geradezu, auf Bodenhöhe, ist ein Eingang wesentlich größer, beiderseits umrahmt von jeweils einer Säule, welche die Galerie darüber trägt. Auch hier sind alle Wände und Geländer wieder reichlich verziert und geschmückt. Aber das wahre Highlight befindet sich über ihren Köpfen.
Ein durchsichtiges Kuppeldach, getragen von weiteren Säulen und eleganten Streben, schwebt geradezu über ihnen, versetzt mit ätherischem Mondlicht, welches durch die durchsichtigen Scheiben fällt. Dieses Mondlicht gibt der ganzen Halle ein magisches Flair und überzieht alles mit diesem leichten blauen Schimmer, der ihr schon zuvor aufgefallen ist.
„Wahnsinn!" entfährt es ihr und Summer kann geradezu das Grinsen ihres Begleiters hören, als dieser ihr Antwortet.
„Nicht wahr? Ich hoffe, der Anblick entschädigt Euch für die Eile. Aber ich wollte auf keinen Fall, dass Ihr diesen einmaligen Anblick verpasst!"
„Das ist definitiv ein Augenöffner!", schwärmt Summer, als sie, den Blick noch immer nach oben gewandt, zur Mitte der Schneeflocke läuft, wo der Wolf auf sie wartet und mit ihr nach oben schaut. Eine ganze Weile lassen die beiden sich von der magischen Stimmung einfangen und ihre Augen nehmen alle Details auf. Als die junge Frau dann aber doch die Müdigkeit bemerkt, die sich jetzt in ihre Glieder schleicht, entschlüpft ihr ein Gähnen, nicht unbemerkt von ihrem Begleiter.
„Ihr seid müde, lasst mich Euch das Gästezimmer zeigen, welches Ihr bis morgen beziehen könnt." hört sie ihn sanft zu ihr sprechen.
„Wieso Gästezimmer? Ich dachte, mir gehört dieser übertrieben dekadente Eisklotz?", hört sich Summer leicht beleidigt sagen. Ein Lachen, leise aber dennoch hörbar, streift ihre Gedanken und ihre Ohren.
„Noch nicht. Erst nachdem Ihr Euch des Titels würdig erwiesen habt, was zweifelsfrei passieren wird, meiner bescheidenen Meinung nach. Jedoch ist das royale Gemach der Winterprinzessin doch etwas speziell und ich befürchte, ohne dass Eure Kräfte vollständig erwacht sind, werdet Ihr dort keinen erholsamen Schlaf finden. Daher bringe ich Euch für heute Nacht erst einmal in eines der Gästezimmer, welche ein gewöhnliches Bett haben.„ Besorgt wirft ihr der Wolf noch einen Blick zu: „Zumal dieses Zimmer auch wesentlich näher ist, als das hoheitliche Schlafgemach."
„Was auch immer du sagst", murmelt Summer jetzt, da die Müdigkeit sie mit voller Wucht trifft.
Kurz darauf, betreten die beiden ein großzügiges Zimmer, gemütlich und elegant eingerichtet. Rune stellt ihren Rucksack vor das große Himmelbett und Summer schlurft hin, um sich dann mit einem Sprung direkt hineinfallen zu lassen.
„Ich bleibe jetzt einfach so liegen, dass ist himmlisch", nuschelt es aus der Daunendecke und Rune flüstert nur belustigt:
„Dann schlaft wohl, Prinzessin. Ich werde vor Eurer Tür sein, solltet Ihr etwas brauchen. Bis morgen früh...", hört sie ihn leise murmelnd in Ihrem Kopf, als sie auch schon total erschöpft von den vielen neuen Eindrücken wegdämmert
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