Hannah ☆
Ich hatte gerade die Haustüre hinter mir zugezogen, als mein kleiner Bruder irgendetwas hinter mir her blökte, was ich aber gezielt ignorierte. Irgendwie musste ich darüber lachen, er ignorierte schließlich auch öfter Sachen von mir. Natürlich nur im Spaß, was für eine Frage! Wobei ich mir da bei ihm nicht immer so ganz sicher war.
Ein warmes Kitzeln riss mich aus meinen Gedanken und ich starrte nach oben in den Himmel. Die Sonne war gerade hinter den Wolken hervorgekrochen und strahlte die Welt unter ihr mit ihren hellen Farben an. Lächelnd streckte ich ihr mein Gesicht entgegen und spürte, wie sich das warme Kitzeln von der Nasenspitze langsam über meinen ganzen Körper ausbreitete. Mein Lächeln wurde noch breiter als eine leichte Brise mir mein Haar ins Gesicht wehte. Die Bäume raschelten, es war fast wie im Frühling. Es war aber definitiv Winter! Ich musste selber lachen. Genau, Frühling im Dezember!
Langsam trottete ich den Weg entlang, stupste einen kleinen Stein an, der mir im Weg lag und fing schließlich an, schneller zu werden. Ich spürte den leichten Wind, der mir durchs Gesicht pfiff, sobald ich anfing zu joggen. Spürte, wie meine Haare nach hinten geweht wurden und war froh, dass sie mir nicht kreuz und quer durchs Gesicht wuschelten.
Trotz Sonne war der See, der jetzt ein paar Meter vor mir zu sehen war, nicht aufgetaut, wie ein riesengroßes unüberwindbares Hindernis tat sich die Eisfläche vor mir auf. Die Sonnenstrahlen spiegelten sich darin und wurden reflektiert, direkt in meine Augen, meiner Meinung nach. Die durchsichtige Oberfläche blendete mich extrem und ich hielt mir schützend die Hand vor die Augen. Gleich darauf nahm ich sie allerdings schon wieder runter und stolzierte zielgerichtet auf das Eis bzw. die Bank daneben zu. Mit einem Lächeln auf den Lippen stülpte ich mir die Schlittschuhe über und fand mich wenig später auf dem gefrorenen Wasser wieder.
Zoe war noch nicht aufgetaucht, ich war aber auch etwas früher gekommen, als wir ursprünglich verabredet hatten. Ich schaute nach unten auf meine Füße und dann auf die Kufen. Ich drehte mich so schnell herum, wie ich nicht mal wusste, dass es möglich war. Grinsend fing ich an, eine Pirouette zu drehen, immer schneller, immer schneller und sicherer. Ich liebte dieses Gefühl, alles an sich vorbeiziehen zu sehen, und das dann auch noch in einer immensen Geschwindigkeit. Ich wusste aber auch noch genau, wie lange ich gebraucht hatte, um den Schwindel loszuwerden. Es war echt ätzend gewesen! Ein paar Mal ist mir davon auch schlecht geworden...
Darüber wollte ich jetzt lieber nicht nachdenken. Langsam ließ ich mich ausdrehen und tänzelte auf einem Bein durch die Gegend. Grinsend kam ich zum Stehen, nur um kurz darauf direkt weiterzumachen. Ich überkreuzte die Beine, holte Schwung und ließ mich rückwärts das Eis entlang gleiten, dabei beobachtete ich mein eigenes Spiegelbild genau. Was es so machte, dass es mich anschaute und dass es wie mein Zwilling war. Mein Zwilling, der jetzt eigentlich jemand anderes war! Ein schöner Gedanke!
Genau in dem Moment tauchte Zoe auf und reckte den Daumen nach oben.
„Sieht echt total schön aus!", rief sie mir zu. Ich lächelte, fuhr mit einem irren Tempo auf sie zu und bremste erst im letzten Moment ab. Schnee spritzte nach oben und das Eis gab herrliche Kratzgeräusche von sich. Erschrocken machte Zoe einen Satz nach hinten und stolperte fast über ihre eigenen Füße. Lachend hielt ich sie fest.
„Sorry, aber das musste sein!"
„Jaja, schon klar." Erleichtert ließ sie sich auf der Bank nieder und begann ihre Schlittschuhe auszupacken.
„Hi Bernie!", sagte sie noch an mich gewandt.
„Hi Zöe!" Ungläubig schaute sie mich an.
„Fällt dir kein besserer Spitzname ein?" Ich lachte.
„Nö!" Mit diesem Wort machte ich auf dem Absatz kehrt und wandte mich wieder der Eisfläche zu. Rechtsherum, Kurve, nach links, drehen, springen, Spitze ins Eis und von vorne. Ich liebte es einfach! Die Bäume zogen an mir vorbei, wie in einem Film, sie drehten sich, genauso wie ich und ich liebte es, dass ich das endlich konnte, ohne ständig Angst haben zu müssen.
Ein lauter Knall, der mich augenblicklich an meinen Unfall damals erinnerte, ließ mich aufhorchen. Blitzschnell drehte ich mich um und sah Zoe auf dem Eis liegen. Schnell eilte ich zu ihr, bemerkte aber schnell, dass sie lachte. Erleichtert setzte ich mich neben sie auf das Eis, sie lachte immer noch, ich musste ja fast Angst haben, dass sie sich nicht mehr einkriegt. Ich legte mich neben sie, bedacht darauf nur mit den Kleidungsstücken das Eis zu berühren und als Zoe sich endlich eingekriegt hatte, schaute ich sie fragend an.
„Das war ein bisschen dämlich, vergiss es!"
„Oookay!" Lächelnd nickte ich und drehte meinen Kopf. Eine Weile schauten wir einfach nur in den Himmel, in die Wolken, die da oben befestigt waren und den Himmel eigentlich erst richtig interessant machten.
„Das ist doch alles total komisch!", fischte Zoe mich aus meinen Gedanken.
„Was genau?", fragte ich nach.
„So ziemlich alles! Ich meine, ich sehe dein Buch, du siehst mich am Geländer hocken und das auch noch zur gleichen Zeit. Das ist doch komisch!" Ich nickte. Das war nicht nur komisch, das war irgendwie auch ein bisschen unheimlich. „Sagen wir einfach, wir sind komische magische Zwillinge!" Ich grinste. Zwillinge... ich verstand das Wort erst so richtig, als ich es aussprach, Zoe anscheinend auch.
„Ja, belassen wir es dabei!"
„Gut!" Entschlossen zog ich sie hoch und mit mir mit. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass sie direkt über ihre eigenen Füße stolpern und wenig später wieder vor mir auf dem Boden liegen würde.
„Hab ich dir doch gesagt!", erklärte sie schulterzuckend. „Ooookay, dann bin ich jetzt halt dein Pinguin."
„Pinguin?"
„Na, die Pinguine in den Eishallen, wo du dich so dran festhalten kannst." Ich griff nach ihren Händen, zog sie ein zweites Mal hoch und platzierte mich so vor ihr, dass sie gar nicht nach vorne fallen konnte.
„So, und jetzt ganz langsam einen Fuß vor den anderen setzen."
„Ich bin nicht doof, ja?"
„Sicher?" Sie boxte mir freundschaftlich in die Schulter, bevor sie anfing wie ein wildgewordener Eisbär nach vorne zu stolzieren.
„Du musst dich schon gleiten lassen, das hier ist keine Straße."
„Ja, ist ja gut, ich versuch's ja."
Eine ganze Zeit lang fuhren wir dann gemeinsam unsere Runden. Ich vor ihr rückwärts und sie mir vorwärts hinterher. Das klappte nach einiger Zeit sogar auch schon richtig gut. Sie hatte wohl nur ihre versteckten Schlittschuhzellen ausgraben müssen, ihrer Meinung nach. Wir wollen das jetzt einfach mal so glauben.
Ich hatte sie gerade selbst dem Eis überlassen und Schwung für eine Pirouette genommen, als ich mir sicher sein konnte, dass ich nicht die Landschaft sah, die ich hätte sehen müssen. Die, die an mir vorbeizieht und sich wie ich selber im Kreis zu drehen scheint. Die sah ich ganz bestimmt nicht, stattdessen sah ich die gleiche Umgebung, allerdings in ruhig und still, nicht in beweglich und schnell. Ich stockte, blieb abrupt stehen und stolperte prompt über meine Schuhe.
Ab diesem Moment sah ich wieder meine Umgebung, verwirrt schaute ich mich um. Zoe stand still in einer Ecke des Sees herum und schaute in die Ferne. Ich hielt mich am Geländer fest und konzentrierte mich auf das, was geschehen war. Da tauchte die andere Umgebung plötzlich wieder auf, es war doch nicht ganz die gleiche, hier waren mehr Berge als dort, wo ich gerade eigentlich hinschaute. Ich schüttelte mich und die Umgebung verschwand. Das war einfach mega spooky!
Ich schaute erneut zu Zoe und zu der Landschaft, die sie gerade bewunderte. Es war meine, meine Berge, die ich gesehen hatte, die ich durch ihre Augen gesehen hatte. Bestürzt nahm ich Schwung und kam vor Zoe zum Stehen. „Ich hab die Welt gerade durch deine Augen gesehen!", schmiss ich ihr die Worte regelrecht entgegen. Ihr Blick verriet mir, dass sie keine Ahnung hatte, was ich meinte.
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