Rückblick 4 | In Hogwarts
„In Hogwarts"
Dienstag, 16. November 1971
Dieser Dienstagabend war malerisch. Es war ein wenig kälter, als der Slytherin vermutet hatte, doch hier draußen hatten sie ihre Ruhe und es war noch keineswegs so kalt, dass es unangenehm wäre. Die Vögel sangen ihr Abendlied und während Nicolas an der Seite eines Mädchens über die Ländereien Hogwarts' schlenderte, getaucht in goldenes Sonnenlicht, dachte er, dass es sich anhörte, als würden sie nur für ihn singen.
Sein Blick fiel auf die Slytherin. Sie war ein gutes Stück kleiner als er und hatte die langen, braunen Haare offen über ihren Schultern liegen, nur um von dem grün-silbernen Schal verdeckt zu werden. Ihre Wangen waren von der Kälte gerötet und sie rieb ihre zarten Hände aneinander, um sich warm zu halten. Sein Mundwinkel zuckte. Nun vielleicht war es doch ein Stück zu kalt, aber Andromeda war viel zu höflich, um das zu erwähnen.
Er hatte sie gebeten, ihn auf einen Spaziergang zu begleiten. Seine Eltern wären stolz auf ihn. Doch er würde sie nie richtig stolz machen, denn sie erwarteten von ihm, dass er dieses Mädchen ausführte, verführte und schließlich heiratete. Im Grunde stand dem nichts entgegen. Er liebte Andromeda. Sie waren praktisch zusammen aufgewachsen und im Gegensatz zu ihrer Schwester Narzissa, hatte er sich mit Andromeda nie gestritten. Mit Lucius war es auch nie reibungslos verlaufen, sie hatten beide ihren Stolz und sogar mit dem zurückgezogenen William konnte er einen Streit anfangen, aber sie hatte immer nachgegeben. Auch ihre Eltern würden sich freuen – nein. Sie erwarteten genauso wie seine Eltern, dass er sie heiraten würde. Doch er liebte sie nicht auf diese Art.
Das Mädchen erinnerte ihn an eine Erwachsene. Eine sehr ausgeglichene, erwachsene Dame, zu der sie ihre Eltern wahrscheinlich auch erzogen hatten. Das war eine angenehme Art, löste aber nichts in seinem Inneren aus. Sie wussten beide, dass der Tag kommen würde, an dem er sie fragen würde, ob sie sich das Ja-Wort geben wollten und sie würde ja sagen und sie würden heiraten. Das war unumgänglich, wenn er nicht enterbt werden wollte. Davor wollte er ihr jedoch mitteilen, dass er sie nie würde lieben können. Er hatte keine Bedenken, dass sie es nicht verstehen könnte, es war schließlich Andromeda von der hier die Rede war.
„Wie läuft es im Training?", erhob die brünette Slytherin schließlich das Wort. Sie hatte eine klare, sanfte Stimme und sah aus ihren dunklen, braunen Augen unschuldig zu Nicolas hoch. „Denkst du, ihr werdet die Hufflepuffs am Sonntag schlagen?"
Da war sie wieder. Diese aufmerksame, gutherzige Art von ihr, die er zu schätzen gelernt hatte. Er wusste genau, dass sie selbst Geschichte der Zauberei bei Professor Binns interessanter fand als Quidditch und trotzdem ging sie auf seine Interessen ein. Wie eine feine Dame.
„Das wird schon. Die Neuen gewöhnen sich erst ein und Hufflepuff wird ein guter Gegner zum Einspielen sein." Sie nickte und lächelte freundlich. Das war nicht das, worüber er sprechen wollte. Das wusste sie und nun war er an der Reihe. Es war also soweit. „Du weißt, dass unsere Eltern eine Heirat von uns erwarten."
Für einen kurzen Moment wirkte die Slytherin perplex, doch dann lachte sie ihr leises Glockenlachen.
„Ja, dessen bin ich mir durchaus bewusst." Sie blieb stehen und er passte sich ihr an, bemerkte einmal mehr, wie sehr er sie mochte. „Worauf willst du hinaus, Nic? Ich sehe doch, dass dir etwas auf dem Herzen liegt."
„Nun ja." Seine eisblauen Augen fixierten ihre. „Ich werde dich nicht lieben können."
„Oh", entfuhr es dem Mädchen. Ihr Lächeln war verschwunden und plötzlich wusste Nicolas nicht mehr, wie sie es aufnehmen würde. Hatte er sich geirrt? Er versuchte seine aufgekommene Unsicherheit zu bereinigen, doch ihr hübsches Porzellangesicht war zu einer Maske geworden, die er nicht richtig deuten konnte.
„Ich- Es tut mir leid, wenn du gedacht hattest..." Er beendete den Satz nicht und fuhr sich stattdessen mit einer Hand durch die dunklen Haare. So hatte er sich das Gespräch nicht vorgestellt.
„Nein, das- das habe ich auch gar nicht erwartet." Andromeda lachte und Nic fragte sich, ob ihre Wangen nicht röter waren, als vor seiner Aussage oder dies nur der winterlichen Kälte geschuldet war. Sie vergrub die Hände, in den Taschen ihres Wintermantels. „Wir kennen uns nur so lange. Ich- Ach, was soll's."
Sie setzte sich wieder in Bewegung. Die Slytherin wirkte ein Stück weit aus der Bahn geworfen, aber so richtig greifen, konnte Nicolas ihre Reaktion noch nicht. Der hochgewachsene Junge musste ein paar lange Schritte machen, um wieder zu ihr aufzuschließen. Dann herrschte Stille.
Sie lauschten einige endlose Sekunden lang nur dem Zwitschern der Vögel.
„Woher- Woher weißt du das so genau?", ergriff Andromeda nach einer Weile erneut das Wort. Sie hatte ihre Augen auf den Boden vor ihnen gerichtet.
„Was?"
Diesmal schoss eindeutig Hitze in ihre Wangen. Er konnte sehen wie das Rosa zu einem Rot wurde. Ihre Augen zuckten vom Boden zu ihm und wieder zurück. Konnte es sein, dass die feine Dame verlegen war?
„Naja, ich-", stammelte sie. „Tut mir leid, ich bin etwas durcheinander gerade."
Nicolas hatte sie noch nie in solch einem Zustand erlebt. Sie waren immer gute Freunde gewesen, das war klar, aber ihre Heirat hatten sie selbst bis ins siebte Schuljahr noch nicht thematisiert. Er musste leise lachen.
„Das verstehe ich. Ich bin auch ein wenig durch den Wind. Ich wollte es schon eine Weile lang ansprechen." Das stimmte. Seit ihm etwas klar geworden war, hatte er dieses Gespräch mit ihr führen wollen. Er war keiner, der gerne mit verdeckten Karten spielte, obwohl er es konnte, wenn es darauf ankam. Nicolas wollte Andromeda die Ehrlichkeit entgegenbringen, die sie jedes Mal an den Tag legte.
Sie legten noch einige Meter zurück und er bemerkte, dass sie schon beinahe wieder am Schulgebäude waren. Wahrscheinlich sollte er etwas sagen, aber zum ersten Mal seit langem, war er sich nicht sicher, was das Richtige war. Normalerweise konnte er gut mit Worten umgehen, doch erneut war Andromeda es, die anfing zu sprechen.
„Es tut mir leid, wenn ich dir zu nahetrete." Das Mädchen blieb stehen und schaute mit durchdringendem Blick zu ihm auf. „Aber liebst du jemanden? Ich- Ich weiß auch nicht. Ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, wie ich mich fühle, weißt du?"
Ihr Blick zuckte wieder durch die Gegend, doch sie schenkte ihm ein unsicheres Lächeln, was sofort ein schiefes Grinsen auf seine Lippen zauberte. Ihre Züge wurden nachdenklich.
„Ich habe ehrlicher Weise einfach immer hingenommen, dass wir heiraten werden. Dass uns keine andere Wahl bleibt. Aber du wählst etwas anderes, nicht wahr?" Ihre Blicke trafen sich. „Du weißt, was du fühlst."
Nicolas spürte Hitze in seine Wangen schießen und sein Herz fing bei dem Gedanken an, schneller zu schlagen.
„Ich wähle nicht zwingend etwas anderes", sagte er, „Ich denke, wir werden so oder so heiraten müssen. Unsere Eltern werden da nicht mit sich reden lassen, aber ... mein Herz gehört tatsächlich jemand anderem." So blöd das aus seinem Mund auch klingen mochte. Er lachte und legte seinen Kopf in den Nacken, um in den blauen Himmel zu schauen, als könnte er dort etwas finden. „Auch wenn die Person es sicher nicht einmal weiß."
„Kenne ich sie?" Die Frage kam wie aus der Pistole geschossen und er sah verblüfft wieder zu Andromeda. Das kleine, brünette Mädchen hatte einen ernsten Blick aufgesetzt. Er bildete sich fast ein, einen Funken Eifersucht in ihren Augen aufblitzen zu sehen. Dass er das einmal erleben durfte.
„Nun ja, ja, tust du. Aber du musst dir keine Sorgen machen", versicherte er ihr und er konnte nicht anders als lächeln. Wenn sie nur wüsste. Aus Nicolas Kehle drang ein lautes Lachen. „Du musst dir wirklich keine Sorgen machen. Du bist wunderschön und liebreizend und würde ich wählen, wärst du sicher meine erste Wahl."
Der große Slytherin trat näher an das Mädchen heran und strich ihr in einer sanften Bewegung eine der langen Strähnen hinters Ohr. „Du bist so unkompliziert und rein."
Ihr ernster Ausdruck verblich. Sie war überrascht und spürte, wie ihr Herzschlag sich auf das Doppelte beschleunigte. Noch nie hatte sie ein Junge auf diese Weise berührt. Seine kalten Finger verharrten endlos lange an ihrer Wange, doch schließlich löste er sich von ihr.
„Aber ich habe keine Wahl. Im Endeffekt hat man nie eine Wahl, Dromeda."
„Aber was kann ich-" Erst jetzt sah sie, dass seine Augen überhaupt nicht mehr auf ihr lagen, sondern etwas hinter ihr beobachteten. Sie drehte sich um und bemerkte eine hagere Gestalt ein ganzes Stück weiter, direkt am Eingang zur großen Halle. Es war William Bristow, der einfach dastand und sie ausdruckslos beobachtete. Andromeda hatte ihn schon in der Gruppe um Nic bemerkt, allerdings nie weiter beachtet. Er war intelligent, wie er des Öfteren im Unterricht bewies, aber zurückhaltend und still.
Sie wandte sich zurück zu Nic, um ihn weiter zu der zu befragen, die ihm sein Herz gestohlen hatte, als dieser seinen Arm hob, um William zuzuwinken. Das war der Moment, in dem das Mädchen den Blick in seinen Augen bemerkte. Es war das Gefühlvollste, was sie je gesehen hatte. Er sah ihn an wie das pure Licht und ihr wurde klar, dass sie für Nic zwar die schönste Blume im Rosengarten sein mochte, doch in der freien Natur traf Nic auf eine viel hübschere Blühte. „Achso."
In diesem Moment verstand sie und schaute zurück zu William, der, ohne auf das Winken zu reagieren, die Große Halle betrat. Wahrscheinlich wusste er tatsächlich nicht, wie sehr Nicolas ihn zu lieben schien. Er musste enttäuscht sein, dass Will nicht zurück gewunken hatte, doch zu ihrer Überraschung hörte das Mädchen ein Glucksen, als Nicolas sich mit geröteten Wangen neben sie stellte.
„Wir können heiraten, Dromeda, aber ich werde dich nie so anschauen können, wie du es gerne von mir wollen würdest", sagte der Slytherin, ohne eine Spur Enttäuschung. Im Gegenteil, er wirkte erfrischt, als hätte nur Williams Blick in schon in den siebten Himmel versetzt. Sie musste lächeln.
„Verstanden, Nic. Ich glaube, ich weiß, was du meinst."
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