Kapitel 58
Kapitel 58
»Fahren Sie bitte schnell wieder dortin, wo Sie mich abgeholt haben!«, rief ich und versuchte nicht aufzulachen. Ich war einfach nur glücklich, obwohl diese Situation alles andere in mir auslösen sollte als Glück. Er war aber bei mir. Er war mir wieder so nah.
»Aslı, was soll das?«, fragte Burak verständnislos. Ich stellte mein Grinsen ein, konnte aber diese Freude einfach nicht unterdrücken, bis mir klar wurde, welche Konsequenzen diese ganze Aktion haben würde.
»Halten Sie an«, sagte Burak schraf.
»Nein, bloß nicht bremsen!«, entgegnete ich dem Taxifahrer und richtete mich zu Burak. »Ich werde dir alles erklären.«
»Aslı, du sagst, dass es wegen meinem Vater nicht geht und verschwindest dann einfach?«, begann er. Seine Augen spuckten Feuer. »Ohne Spur, ohne Notiz, nein, Aslı verschwindet einfach, dann tauchst du hier einfach auf und erwartest, dass ich still hier sitze?«
»Fahren oder Halten?«, fragte der Taxifahrer verwirrt.
»Fahren!«, sprach ich schnell. »Burak, ich weiß, dass es kompliziert ist, ich werde alles später erklären.«
»Später. Später. Später, wann kommt verdammt noch einmal dieses Später?«, rief er. »Weißt du, was du tust? Du tauchst in meinem Leben auf und so schlau wie ich bin, vertrau ich dir gleich meine gesamte Welt und über dich? Weiß ich überhaupt etwas über dich?«
»Burak, beruhig dich!«
»Wieso? Was bringt mir das, außer diese leeren Ausreden, die du jedesmal bringst.«
»Ich-«, verdammt. Er hatte recht. Wie sollte ich das bloß wieder gerade biegen? Ich öffnete den Mund, schloss ihn dann aber wieder. Was sollte ich sagen? Hatte ich überhaupt das Recht, irgendetwas von ihm zu verlangen? Ich hatte ihm so weh getan. »In meinem Leben habe ich ziemlich viele Menschen verloren. Ich wollte nicht, dass du auch einer von denen wirst. Deshalb will ich, dass du hier sitzt, nicht damit ich dir irgendwelche Ausreden auftischen kann.«
»Aslı« Er blinzelte zweimal, hob seine Hand auf Gesichtshöhe und strich über meine Wange. »Scheiße, hör auf zu weinen.«
Ich bemerkte die Tränen erst neu und wischte sie schnell mit meinem Handrücken weg. »Ich flenn doch nicht absichtlich.«
Burak seufzte und schenkte mir sein leichtes Lächeln.
»Wir sind da«, gab ich Bescheid. Ich drückte den Taxifahrer das Geld in die Hand und stieg rasch aus. Burak sah sich erst einmal misstrauisch um. Vielleicht tat ich ihm ja nicht gut. Dieses Misstrauen färbte ab.
Bevor ich überhaupt etwas sagen konnte, wurde die Tür aufgeknallt und eine Tamara mit rotem Kopf sah uns beide wütend an. »Was hast du wieder für Scheiße getrieben?«
Die Frage ging wohl an mich, aber ehrlich, was sollte denn dieses "wieder"? Sie kannte mich ja nicht einmal. »Schön auch dich zu sehen, Tamara.«
Ich nahm Buraks Hand und zog ihn mit ins Haus.
»Und wer ist das, Aslı?«, betonte sie meinen Namen extra. Mein Herz rutsche mir in die Hose. Falls sie mich "aus Versehen" Asya nannte, was dann? Wenn, dann wollte ich es Burak selbst sagen.
»Wo sind wir hier?«, fragte dieser und blickte zu Tamara, die ihre Arme verschränkte. Ihren Gesichtsausdruck konnte ich nicht deuten. »Ich hab gefragt, wer das ist!« Musste sie sich als so wichtig stellen?
»Das ist Burak«, erklärte ich ihr und widmete mich dann ihm. »Und Burak, das ist Tamara.«
»Der Burak?«, wurden ihre Augen groß. Genau deshalb wurde dir nie etwas erzählt, Tamara, weil du einfach nicht weißt, wie du reden solltest und wann es besser war, du Klappe zu halten.
»Was heißt hier, der Burak?«, fragte er mich.
»Ich hab ihr von dir erzählt«, meinte ich schnell. Was sollte ich denn sonst sagen?
»Und was?«, forderte er weiter. Tamara unterbrach under Gespräch.
Sie war ja so viel wichtiger. »Weshalb hast du ihn hergebracht? Was glaubst du eigentlich, was jetzt passiert? Du denkst ja nie nach!« Atmete sie auch mal? »Natürlich! Du kannst jeden Mist machen und wir müssen dir hinterherkämen!« Vor allem du! »Aslı, hörst du mir zu?«
In mir loderte Wut. »Du denkst auch, du wüsstest alles besser. Du hast ja von allem überhaupt keine Ahnung, deshalb tu nicht so, als würde gerade ich hier alles vermasseln.«
»Ich rufe Neslihan an!«
»Mach das!«
»Und so lange sagst du ihm kein Wort über irgendwas!«
Ich nahm Buraks Arm und lief mit ihm durch den langen Flur. Am Ende kamen wir im Wohnzimmer an, wo ich die Arme verschränkt auf ein Sofa plumpste.
Burak setzte sich auch hin und sah abwesend aus dem Fenster. Er war noch sauer auf mich, wollte aber trotzdem wissen, was los war. Ich betrachtete ihn genauer. Etwas war anders. Er hatte seine Hände in seine Hosentasche gesteckt und sah angespannt aus. Die Augenbrauen waren zusammengezogen.
»Es tut mir leid«, begann ich, nicht nur weil mich diese Stille störte, sondern auch wegen der Tatsache, dass er wütend auf mich war. »Wirklich. Ich hab nicht nachgedacht. Ich wollte einfach nur, dass du so schnell wie möglich aus dieser Sache raus bist.«
Nun hatte er sich näher zu mir gelehnt und starrte so in meine Augen, als versuche er alles darin abzulesen. »Welche Sache, Aslı? Was ist das, wovor du Angst hast?«
»Ich will mit Neslihan zuerst reden, ist das okay?«
»Wieso? Wenn du mir sowieso die Wahrheit sagen willst, was ändert es dann, wenn du mit Neslihan gesprochen hast?«
Ich verlagerte mein Gewicht nervös von der einen zur anderen Seite. »Du wirst eh alles erfahren, nur muss ich mit ihr reden. Sie hat mich soweit gebracht. Ich habe ihr zu verdanken, dass ich überhaupt lebe und es wäre so töricht, sie nicht zuerst gefragt zu haben.«
Er lehnte sich wieder gegen das Sofa und schüttelte nur den Kopf. »Wann kommt sie?«
»Weiß ich selbst nicht.«
Ich wusste nicht, wie ich das anstellen sollte. Wie sollte ich vor seine Augen treten und sagen, dass ich Asya bin? Asya Karahan? Wie sollte ich sagen, dass ich ihn täglich angeschwiegen hatte, während er mir sein Leid anvertraut hatte? Wie sollte ich sagen, dass ich ihn schützen wollte, weil ich wusste, dass er sonst mich schützen wollen würde. Weil das Ende des Fadens auch ihn berührte. Weil es ja auch um seinen Vater ging. Um Emir Çetin.
Ich atmete tief ein und wieder aus. Das würde mir alle Kraft rauben und noch schlimmer war es, dass ich nicht wusste, wie er reagieren würde. Ich hatte überhaupt keine Ahnung. Er würde enttäuscht sein, kein Zweifel.
»Ich sollte Karahan anrufen«, nuschelte er und holte sein Handy heraus. »War unhöflich von mir einfach zu verschwinden.«
»Nein!«, rief ich und riss ihm sein Handy aus der Hand.
»Was soll das?«
»Nicht jetzt.«
»Aslı, dieser Mann braucht meine Hilfe und ich bin verpflichtet, ihm zu helfen. Mein Vater hat seine Familie zerstört und jetzt erfahre ich, dass er Hilfe hatte. Er meinte, sie könnte einer der Gäste von irgendeiner Veranstaltung sein und ich soll mir die Personen aus den Bildern ansehen.«
»Wie jetzt?«
Mein Griff lockerte sich und er nahm mir das Handy wieder weg. Irgendwie war ich verwirrt.
»Es ist so, Aslı. Mein Vater hat einige Verwandten und sogar die Frau von Arda Karahan, Behrem Karahan, getötet. Er soll aber Hilfe gehabt haben. Es ist an dem Tag passiert, als Asya ihr Training geschwänzt hat. Sie hatte keine Lust, weil wir uns ja gestritten hatten. Dann kam sie nach Hause und mein- mein Vater wollte Arda Karahan töten. Behrem hat das mitbekommen und wurde umgebracht, Asya war ebenfalls Zeugin, Arda Karahan aber auch. Deshalb wurde Asya entführt von der jungen Dame, die Komplizin, damit Karahan den Mund hält. Später starb Asya, ihre Leiche wurde gefunden und verfiel mein Vater in Koma. Diese Frau ist noch auf freiem Fuß!«
Ich schüttelte den Kopf und stand auf. Tausend Versionen gab es von meiner Geschichte. Mein Kopf wollte explodieren. Vom Wohnzimmer aus gab es hier eine Tür zur Terasse. Ich öffnete sie und sog die frische Luft ein. Burak folgte mir raus und lachte kurz auf. »Merkst du es wieder, ich erzähle dir alles, ohne etwas auszulassen.«
»Glaubst du, das mit der Komplizin stimmt?«, fragte ich.
»Es ist logisch.«
»Nicht alles, was logisch ist, ist auch richtig!«, meinte ich. »Es ist egal. Karahan läuft dir nicht weg. Bitte, ruf ihn erst später an. Erst nachdem Neslihan da ist.«
Ich machte einige Schritte weiter raus. Wie sollte ich diesen Tag überstehen? Allah, hilf mir! Bitte. Ich war so verzweifelt, wie lange nicht mehr. Ich hatte Angst, ihn zu verlieren und Angst, die Lage nur noch schlimmer zu machen.
»Hey, Aslı«, flüsterte er besorgt. »Es ist okay. Ich weiß ja, dass du es gesagt hast, um mich hier rauszuhalten, aber versprich mir, das nie wieder zu tun, verstanden? Egal, wie schlimm die Lage ist. Ich bin für dich da. Ich würde mein Leben für dich geben.« Und genau deshalb hatte ich doch Angst. Du würdest dein Leben für mich geben, ohne mit der Wimper zu zucken. Er umarmte mich, ich sog seinen Duft ein, erwiderte die Umarmung und lächelte glückselig.
»Du kannst mir nicht mehr entkommen«, meinte er und grinste. Da hörte laute ich Stimmen von drinnen. Neslihan. Rasch öffnete ich wieder die Tür zum Haus und lief mit Burak hinein. Kurz hörte man noch, dass Tamara etwas unverständliches kreischte.
»Na und? Dann habe ich eben mit Emir Çetin zusammengearbeitet! Was geht dich das eigentlich-«, rief Neslihan zurück und stoppte abrupt, als sie völlig verblüfft Burak und mich sah.
In Tamaras Gesicht zuckte ein entzücktes Lächeln. »Ratet mal, wer heute vom Koma erwacht ist?«
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