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Ich will ehrlich mit euch sein - das Leben mit einem Nachnamen wie Jingeling war auch den Rest des Jahres über kein Zucker(stangen)schlecken. (Achtung, schlechtes Wortspiel)
Tyler war nicht unbeliebt, aber besonders viele Freunde hatte er auch nicht gerade. Und sein Nachname wurde natürlich immer wieder erwähnt. Sogar ein paar Lehrer hatten es sich inzwischen zur Gewohnheit gemacht, ihn immer mit vollem Namen anzusprechen, das Lachen nur schwer unterdrückt. "Ja, Tyler Jingeling?", wurde er dann aufgerufen, wenn er sich meldete, und so meldete er sich in diesen Fächern einfach gar nicht mehr.
Trotzdem war Tylers Leben außerhalb der Weihnachtszeit ganz in Ordnung. Doch kaum zeigte der Kalender den 1. November, schien das jeder als eine Erlaubnis zu sehen, rund um die Uhr "Jingeling Bells" zu singen. Und wer vergaß, wie Tyler hieß, der wurde durch die ab diesem Datum überall hängende Weihnachtsdekoration daran erinnert. Die Lichterketten und Weihnachtsmänner schienen Tyler jedes Jahr von Neuem zu verspotten, und er konnte sich nicht dagegen wehren.
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"Mom, warum?"
Es war der 4. November, aber er hielt es jetzt schon nicht mehr aus. Als er an diesem Tag von der Schule nach Hause kam, pfefferte er seinen Rucksack in die Ecke und stapfte geradewegs in die Küche, wo seine Mutter das Abendessen vorbereitete.
"Warum was?", fragte sie.
"Warum hast du Dads Nachnamen angenommen?"
Sie seufzte. "Tyler, diese Diskussion hatten wir schon hundert mal. Jingeling ist ein alter Familienname und dein Vater war der letzte in der Linie, der ihn noch trug. Das konnte ich den Jingelings nicht wegnehmen. Außerdem ist der Name gar nicht so schlimm wie du immer tust."
"Darum meldest du dich auch am Telefon immer mit deinem Mädchennamen", knurrte Tyler.
"Das ist etwas anderes."
"Klar ist es das."
Tyler verzichtete darauf, die Diskussion fortzuführen, und verzog sich hoch in sein Zimmer. Das verräterische Leuchten von Lichterketten leuchtete ihm durch das Fenster entgegen; er zog die Vorhänge. Auf Weihnachten hätte er gern verzichten können. Lieber kein Weihnachten als morgen in der Schule wieder von "Jingeling Bells" und dem dieses Jahr neu gedichteten "Jingeling Bell Rock" empfangen zu werden.
In Tylers Kopf wuchs eine Idee, ein Plan. Er ging zu seinem Schreibtisch und öffnete die Schublade, in der er einige seiner alten Kinderbücher aufbewahrte - größtenteils weil er zu faul war, sie wegzuwerfen, aber nun war er froh darüber. Er zog das einzige weihnachtliche Buch raus, das er noch hatte: "Wie der Grinch Weihnachten gestohlen hat".
Die Geschichte über den Grinch, der Weihnachten hasste, hatte Tyler gemocht, seit die ganze Geschichte mit seinem Namen angefangen hatte. Jedoch nur der erste Teil. Der Grinch war so ziemlich die einzige Person - wenn man ihn als Person bezeichnen wollte -, mit der Tyler sich zur Weihnachtszeit identifizierte.
Langsam blätterte er das Buch durch, las, wie das kleine grüne Monster versuchte, Weihnachten zu stehlen, und fand es wie immer sehr verständlich. Und sein Plan nahm Gestalt an.
Dieses Jahr würde alles zu Ende sein, beschloss Tyler, als er das Buch zuklappte und beiseitelegte.
Dieses Jahr würde Tyler Jingeling Weihnachten stehlen.
Nur würde er dabei erfolgreicher sein als der Grinch.
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