❝Szene 27: Rachels Dementor❞
Ich wachte auf, weil ich die Wärme der Sonne auf meiner Haut spürte. Romeo hatte von hinten locker einen Arm um meine Taille geschlungen und ich hörte seine regelmäßigen Atemzüge unweit meines Ohrs.
Wir lagen auf dem Laken am Strand, nachdem wir die ganze Nacht geredet und uns geküsst hatten. Die vergangene Nacht war perfekt gewesen und von all dem Gelächter tat mir noch immer ein kleines bisschen der Bauch weh. Wir hatten über früher gesprochen; über alte Anekdoten aus der Zeit unserer Freundschaft und hatten in Erinnerungen geschwelgt. Mit ihm konnte ich offen reden, ohne das Gefühl zu haben, etwas Falsches sagen zu können. Ich wusste, dass ich ihm vertrauen und mich bei ihm fallen lassen konnte.
Langsam drehte ich mich zu ihm und strich ihm zärtlich über die Wange.
»Hey, Schlafmütze«, flüsterte ich und hauchte ihm einen Kuss auf die Lippen. »Wach auf.«
Flatternd hoben sich seine Augenlider. Er lächelte, als er mich sah und ich tat es ihm gleich. Mein Herz füllte sich mit Wärme und ich stieß einen zufriedenen Seufzer aus, weil das Leben verdammt schön sein konnte.
»Wie geht's dir? Hast du gut geschlafen?«, wollte ich wissen.
Romeo rieb sich verschlafen durchs Gesicht, was seine Augen rötlich werden ließ.
»Ich habe leichte Halsschmerzen. Vermutlich war es nicht gut, dass wir in nassen Klamotten draußen geschlafen haben«, gab er zu und strich über meine Hüfte, an der mein Kleid mittlerweile getrocknet war. »Und du?«
»Mir geht's gut. Es war zwar nicht geplant hier mit dir hier einzuschlafen, aber schön war es trotzdem. Sehr schön sogar«, antwortete ich und mein Lächeln wurde noch breiter.
»Das liegt daran, dass ich so ein guter Küsser bin.« Romeo zwinkerte mir vergnügt zu und küsste mich dann innig.
Dass ich vermutlich Opfer morgendlichen Mundgeruchs war, störte mich in dem Moment nicht. Romeos Kuss war zu schön, um ihn nicht leidenschaftlich zu erwidern.
»Ich glaube ich muss noch mehr überzeugt werden«, meinte ich kichernd, als er sich schließlich von mir löste und sich hinsetzte.
Liebevoll fuhr er die Konturen meines Gesichts mit seinem Daumen nach. »Glaub mir, das würde ich auch liebend gerne, aber wir sollten jetzt lieber zu unseren Zimmern zurück, bevor uns jemand entdeckt. Aber wir können uns heute Nacht wieder heimlich treffen und dort weitermachen, wo wir auf aufgehört haben.«
Das anzügliche Wackeln seiner Augenbrauen verursachte, dass sich meine Nippel unter meinem BH aufstellten. Weitermachen wollte ich wirklich.
»Natürlich nur, wenn du das möchtest«, fügte er schnell hinzu.
Ich setzte mich ebenfalls hin, zog ihn an mich und küsste ihn. Das hätte ich den ganzen Tag tun können.
»Vertrau mir, Romeo, das will ich auch«, säuselte ich in sein Ohr, während ich sanft seinen Oberschenkel streichelte.
Ich hätte gedacht, dass es ein merkwürdiges Gefühl sein würde, mit ihm über so etwas zu reden, weil wir so lange nur Freunde waren, aber es fühlte sich richtig an. Richtig und heiß. Verdammt heiß, um genau zu sein.
Er biss sich auf die Lippe. »Ich auch, aber ich möchte eigentlich nichts überstürzen. Ich mag dich wirklich sehr und möchte es nicht ruinieren, indem wir zu früh ...«
»Den Devils Tango tanzen?«, bot ich grinsend an.
Romeo lachte leise. »Ja, genau. Und vielleicht bin ich auch ein kleines bisschen nervös. Chloe war bisher meine einzige Freundin und das ist auch schon ein Weilchen her...«
»Bei mir musst du dich nicht unwohl fühlen. Du könntest schon nach drei Sekunden kommen und ich wäre trotzdem vollends begeistert«, sagte ich und meinte es auch so. »Hauptsache ich kann dir nah sein.«
»Weißt du eigentlich wie verdammt perfekt du bist, June?«, flüsterte er und verteilte Küsse auf meinem gesamten Gesicht.
»Das darfst du mir gerne immer wieder sagen«, erwiderte ich grinsend.
»Heute Abend«, versprach er und küsste mich ein letztes Mal zärtlich auf den Mund, bevor er aufstand und mir hoch half. »Jetzt müssen wir aber wirklich gehen. Wir würden verdammt viel Ärger bekommen, wenn uns jemand entdeckt.«
»Ähm ... was das angeht«, setzte ich verlegen an und schämte mich dafür, ihn nicht schon früher vom Unterzeichnen des Vertrages erzählt zu haben. Vergangene Nacht hatten mich seine Küsse zu sehr von meinem eigentlichen Fokus abgelenkt.
Doch bevor ich dazu kam, ihm alles zu erklären, weitete sich seine Augen und er fokussierte etwas schräg hinter mir. »Fuuuck!«
Mein Kopf schnellt hoch und ich wirbelte herum. Hinter den Palmen, circa dreißig Meter entfernt von uns, standen die beiden weiblichen Kamerafrauen, die mich an Anna und Elsa erinnerten, und filmten uns. Vor Schock setzte mein Herz einen Schlag aus, dann schlug es in doppelter Geschwindigkeit weiter.
»Ich kläre das. Sie dürfen eh nichts senden, auf dem du zu erkennen bist«, presste Romeo wütend zwischen den Zähnen hervor und stapfte durch den Sand auf die Frauen zu, die mit ihrer Kamera hinter den Palmen vorkamen. Sie hielten unablässig auf Romeo.
Als ich meine Schockstarre überwunden hatte, rannte ich ihm hinterher und wollte ihn zurückhalten, doch er war schon bei ihnen.
»Macht die scheiß Kamera aus«, fuhr er sie an. Ich hatte ihn selten so wütend erlebt. Früher war er viel ausgeglichener.
»Romeo, was ist in der Nacht zwischen June und dir passiert?«, fragte die Blondine.
»Macht die Kamera aus«, wiederholte er gereizt. »Ihr könnt June nicht filmen. Ein Interview von mir über sie bringt euch sowieso nichts, weil die Zuschauer nicht wissen, wer sie ist. Und das wird auch so bleiben. Jetzt respektiert bitte ihre Privatsphäre und löscht die Aufnahmen.«
Die beiden Frauen lachten. Romeo runzelte die Stirn. Mir schnürte sich die Kehle zu.
»Romeo, können wir kurz unter vier Augen reden?«, brachte ich mit zitternder Stimme hervor.
Er warf mir einen besorgten Blick zu, doch bevor er meiner Bitte nachkommen konnte, bemerkte ich, wie die Brünette an Romeos Gesicht heranzoomte.
»Wir können June filmen, weil sie einen Vertrag unterschrieben hat, der es uns erlaubt«, klärte das Elsa-Double ihn auf.
Mir wurde schlecht. Genau so eine Situation hatte ich mit unserem nächtlichen Treffen verhindern wollen. Wieso habe ich mich bloß so von seinen Küssen benebeln lassen, statt Klartext geredet zu haben?
»Ich kann das erklären!«, schoss es sogleich aus mir heraus, doch es war schon zu spät: Romeos Miene hatte sich verdunkelt.
»Ist das wahr?«, wollte er wissen. Seine Stimme war leise, doch die Enttäuschung hallte laut in meinem Ohr wider.
»Ich kann das erklären«, brachte ich erneut panisch hervor. Tränen sammelten sich in meinen Augen, als ich seinen enttäuschten Blick sah.
»Sag mir, ob das wahr ist, June!« Romeos Augen sahen entsetzlich leer aus.
»Ja, ich habe einen Vertrag unterschrieben, aber das ist ganz anders als es aussieht. Ich habe-«
Romeo ließ mich nicht ausreden.
»Dann sind wir hier jetzt fertig«, brachte er kalt hervor, drehte sich von mir weg und trat seinen Weg zurück zur Villa an. Ich hörte seine Wut, Trauer und Verzweiflung in jedem Schritt.
»Warte!« Ich rannte ihm hinterher.
Die beiden Frauen folgten mir und hielten die Kamera auf mich. Ich bereute es schon jetzt, diesen dämlichen Vertrag unterschrieben zu haben. In emotionalen Situationen gefilmt zu werden war schrecklich. Wie hatten die anderen Teilnehmer das ertragen können?
»Lass es mich dir erklären.« Verzweifelt stellte ich mich ihm in den Weg, damit er mich ansehen musste. »Ich hab einen Deal mit Rachel und-«
Erneut ließ er mich nicht ausreden. Er verzog den Mund zu einer schmalen Linie und schüttelte kraftlos den Kopf.
»Ganz ehrlich, June. Ich habe wirklich keinen Bock mehr auf den Scheiß. Ich habe dir persönliche Dinge anvertraut, weil ich das Gefühl hatte, dass du mir, als eine der wenigen Personen in meinem Leben, Halt gibst, aber offenbar habe ich mich getäuscht. Du hast mich verarscht, um deinen eigenen Vorteil daraus zu ziehen.« Seine Stimme wurde mit jedem Wort lauter und wütender.
Ich konnte meine Tränen nicht mehr zurückhalten. Warm flossen sie meine Wangen hinab, doch in meinem Inneren hinterließen sie nur gnadenlose Kälte.»I-ich-«
»Du bist nur darauf aus deine Karriere in Gang zu bringen. Ohne Rücksicht auf Verluste; auch wenn die Leute, die dir etwas bedeuten, dabei auf der Strecke bleiben. Ich bin froh, dass ich es jetzt erfahren habe und mich nicht länger von dir täuschen lasse. Ich will nichts mehr mit dir zu tun haben.« Romeo spuckte mir die Worte voller Abscheu entgegen, als er mich grob zur Seite schob und seinen Weg fortsetzte.
Dieses Mal folgte ich ihm nicht. Ich blieb stehen und bedeckte mein tränenüberströmtes Gesicht mit meinen Händen. Ich wollte nicht, dass man mich beim Weinen filmte, doch für diesen Wunsch war es scheinbar zu spät.
•••
Den restlichen Tag über ignorierte Romeo mich. Wenn ich auf ihn zukam, drehte er sich um; wenn ich ihn ansprach, reagierte er nicht; auf Instagram hatte er mich blockiert. Es war zum Verzweifeln.
Nichtmal Thea konnte mich aufmuntern, obwohl sie mir nach dem Mittagessen eine große Portion Schokoladeneis besorgt hatte. Und ausgerechnet in dieser misslichen Lage, ging auch mein Bruder nicht an sein Handy. Ich versuchte ihn fünfmal zu erreichen, in der Hoffnung, dass er Einfluss auf Romeo hätte und die Wogen glätten könnte, doch jedes Mal sprang sofort seine Mailbox an, dabei war er normalerweise quasi ununterbrochen am Handy.
Das Schicksal hatte sich gegen mich gestellte. Wobei das auch nicht ganz stimmte. Nicht das Schicksal hatte mir ein Bein gestellt, sondern ich mir selbst. Ich und meine verdammte Dummheit. Und Rachel, die meinem naiven Ich versprochen hatte, dass ich Zeit bekommen würde, Romeo alles in Ruhe ohne Kameras zu erklären. Eine schöne Liebesbeziehung - ja klar. Offenbar war alles, was sie gewollt hatte, ein bisschen Drama und Tränen. Wie hatte ich ihr nur länger als eine Sekunde lang Glauben schenken können?
Am Abend beschloss ich Rachel zur Rede zu stellen. Mir war der Vertrag, das Geld und das dumme Praktikum mittlerweile fast egal, aber wer mir nicht egal war, war Romeo. Ich wollte eine Zukunft mit ihm.
Mit der geballten Faust hämmerte ich wütend gegen die Hüttentür der Produzentin. Die nette June hatte sich langsam ausgelächelt. Das, was heute passiert war, bedeutete Krieg.
Statt Rachel öffnete mir ein Mann mittleren Alters mit schütterem Haar und einem exzentrischen Hemd aus dunkelgrünem Samt die Tür.
»Ähm ... sorry, ich glaube ich habe mich in der Tür geirrt.« Ich bemerkte, wie meine Wangen zu glühen begannen. Wie konnte mir das nur passieren?
»Suchst du meine Tochter?«, fragte er. Seine Mimik zeigte keine Gefühle, als er ein Stück zu Seite trat und den Blick auf Rachel freigab.
Sie saß zusammengesackt auf der Ecke ihres Schreibtisches und man sah ihr an, dass sie geweint hatte. Selbst aus einigen Metern Entfernung sah ich, wie rot und wässrig ihre Augen waren. Sofort flachte meine Wut auf sie ein wenig ab. Rachel sah schrecklich aus, als hätte ein Dementor ihr Selbstbewusstsein aus ihr heraus gesaugt.
Die Ausstrahlung ihres Vaters ließ die Luft im Raum vor Bedrohung surren. Er hatte ähnlich fuchsähnliche Gesichtszüge wie seine Tochter, doch in seinen lag bedeutend mehr Kälte. Es passte nicht zu dem Bild, das ich von ihm hatte. Jahrelang hatte ich seine Filme geliebt und ihn als Regisseur vergöttert, doch vor mir stand kein Gott, das sagte mir mein Bauchgefühl sofort.
»Ja, ich wollte eigentlich zu Rachel«, antwortete ich; unsicher darüber, ob es gerade unpassend war. Worüber die beiden wohl sprachen?
Rachel sprang vom Schreibtisch auf und steuerte auf mich so. Sie schien froh über meine Anwesenheit. »Du möchtest etwas mit mir besprechen, June?«
»Wenn es gerade ungü-«, begann ich, doch Rachel schnappte sich sofort meine Hand.
»Wir gehen ein Stück und reden«, sagte sie, eher an ihren Vater gewandt, als an mich. »Ich tue schließlich alles, damit die Show reibungslos läuft und dazu zählen auch Überstunden, damit meine Crew und Kandidaten zufrieden sind.«
Dass ich momentan definitiv nicht zufrieden war, verschwieg ich an dieser Stelle und nickte langsam. Die Stimmung zwischen Rachel und Herr Thornton war so angespannt, dass ich nicht zwischen die Fronten geraten wollte.
»Das ist ja auch das Mindeste«, knurrte ihr Vater leise und ging dann zurück in die Hütte, um sich dort auf Rachels Stuhl sinken zu lassen.
Rachel zog mich weiter; weg von ihrem Vater.
»Ich glaube, ich weiß, worüber du mit mir reden willst«, sagte sie, als wir weit genug von der Hütte entfernt waren. »Es tut mir leid, wie es heute Morgen zwischen Romeo und dir gelaufen ist. Das war wirklich nicht meine Absicht und ich kann verstehen, wenn du wütend bist. Ich bringe das wieder in Ordnung. Das wollte ich eigentlich schon am Vormittag tun, als ich es erfahren habe, aber ... etwas kam dazwischen.«
Jemand kam dazwischen, verbesserte ich sie in Gedanken.
Rachel sah mich aufrichtig an. Ihre Augen waren nicht schwarz wie sonst, sondern leuchteten im Schein der Laternen, die den Weg säumten, in einem warme, dunklen Braun. Die roten Flecken auf ihren Wangen und unter ihren Augen verrieten immer noch, dass sie vor kurzem geweint hatte. Ein entschuldigendes Lächeln lag auf ihren leicht geschürzten Lippen.
Ich wollte ihr nicht schon wieder vertrauen, doch irgendwas in meinem Bauch sagte mir, dass sie nicht log. Die verletzliche Seite von Rachel wirkte aufrichtig. War es naiv und dumm von mir? Vermutlich schon.
»Wie willst du es wieder in Ordnung bringen? Romeo ist echt angepisst«, murmelte ich. Die Erinnerung schmerzte.
»Ich verspreche dir, dass ich euch morgen Zeit zum Reden geben werde. Natürlich verstehe ich, wenn du mir jetzt nicht mehr traust. An deiner Stelle würde ich mir auch nicht mehr glauben. Aber ich will wirklich, dass du und Romeo ein Paar werdet. Es wäre dumm von mir, meine eigene Show zu sabotieren, oder? Wir brauchen dringend süße Pärchen, schließlich steht die Liebe hier im Vordergrund.« Sie fuhr sich seufzend durch ihr rotblondes Haar.
Nicht die Liebe steht im Vordergrund, sondern Drama, dachte ich, doch schwieg.
Ich verlangte, dass sie mir ihr Versprechen schriftlich gab und das tat sie. Auf ihren Vater sprach ich sie nicht an, obwohl ich mehrmals kurz davor war. Es stand mir nicht zu, mich einzumischen. Erst im Nachhinein fand ich heraus, dass ich es doch hätte tun sollen ...
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro