Zufälle?
Erleichterung ergriff mich als Becca mehr als dreißig Minuten, zehn mehr als ich angenommen hatte, später wieder in die Wohnung kam. „Oh Gott sei Dank" murmelte ich und schloss sie kurz in die Arme. Ich hatte langsam angefangen gehabt mir Sorgen zu machen, dieser kurze Alleingang war auf den ersten Blick keine große Sache aber für die Umstände in denen wir uns befanden war es mehr als Risikoverbunden.
Sie rollte die Augen, sagte nichts und brachte die Tüten in die Küche, ich wusste sie hielt mich für eine Glucke. Dabei war es natürlich sich zu Sorgen.
„Alles gut gegangen John" versicherte sie mir, sie machte einen zufriedenen Eindruck, kein Anzeichen für einen Rückfall oder sonstige Zwischenfälle. Ich atmete aus, die Anspannung von mir abfallen lassend. Sherlock hätte mich gehäutet wäre ihr etwas passiert. Er hatte ihren Ausflug für Morgen vorgesehen, darüber nachdenkend sie unauffällig zu beschatten, mir hatte die Idee nicht gefallen. Damit hätten wir ihr Vertrauen missbraucht und gleichzeitig zugegeben dass wir keines in sie hatten.
Deshalb hatte ich das Ganze vorgezogen, ohne dem Detektiv Bescheid zu sagen, er hatte einen Fall von seinem Bruder bekommen. Die Gelegenheit war ideal gewesen. Eine weitere Hürde geschafft.
„Das Wetter ist wunderbar" schwärmte sie, die gekauften Lebensmittel wegräumend „hast du nicht Lust etwas spazieren zu gehen? Ich habe darüber nachgedacht dem Instagram Wahn nachzugeben und ein paar sehr tiefgründige Fotos von Pflanzen zu machen".
Wir lachten, sie belächelte gern was ihre Generation so tat und wichtig fand, kannte sie doch echtes Elend. Während sich andere junge Frauen in ihrem Alter über nichts anderes sorgten als ihre Haare, Styling oder die Anzahl ihrer Follower hatte Rebecca ums Überleben gekämpft und fast verloren.
Ich ließ sie also weiter über die Instagram Girls hadern, wusste ich doch das sie sich tief in ihrem inneren wünschte das ihr Leben so einfach gewesen wäre. Dennoch wirkte sie heute lebhaft und zufrieden. Ich beschloss das ich alles tun würde damit sie diesen Gesichtsausdruck behielt auch wenn das bedeutete das ich mich weniger als zwei Stunden später in einem Park wiederfand, ihre Tasche haltend während sie versuchte eine Gruppe Enten zu fotografieren. Ihr Lachen, als sie vorn über ins Gras fiel war Entschädigung genug, wir wussten ja nicht das wir nicht die einzigen waren die Fotos machten.
*
(21.03.2015 – London, England)
„Ich habe einen neuen Fall für uns" brach Sherlock hervor, ich hatte zwei weitere Erfolgreiche Ausflüge allein in die Welt unternommen. Anscheinend war das genug für ihn um mich wieder mitzunehmen, wobei ich glaubte, er hatte nur wegen John gewartet, bis ich stabiler war wie der Arzt zu sagen pflegte.
„Ich zieh meine Jacke an" stürmte ich los, keinesfalls wollte ich John die Chance geben die ganze Sache wieder tot zu diskutieren, das war meine Chance, das Mysterium rief nach uns. Sherlock hatte wieder diesen aufgeregten Ausdruck in den Augen, es war unglaublich mitanzusehen wie er strahlte.
Zu meinem Erstaunen schien John zufrieden damit zu sein das ich sie begleitete, es war sein freier Tag also würden wir zu dritt ein Verbrechen lösen, perfekt. Gut ganz genau genommen würde Sherlock es lösen, wir würden hilfreich aussehen oder zumindest anwesend sein. War ja auch egal. Ich warf dem Detektiv seinen Hut zu, Augenrollend setzte er ihn auf, ich hatte das Foto im Internet gefunden. „Natürlich setzt er ihn auf wenn sie ihn darum bittet" murmelte John auch wenn das nicht stimmte, Sherlock hatte ihn auf mehreren Fotos auf, nicht alle vom selben Tag, das hatte ich gründlich recherchiert, für die Wissenschaft natürlich.
Dennoch der Gedanke gefiel mir, ich hätte ihn vielleicht schon eher bitten sollen das doofe Ding aufzusetzen. Ich schnappte mir meine Tasche mit dem Notizbuch und dem Stift, die der D.I. gefordert hatte. Mein Handy war ebenfalls in der Tasche, genau wie die Liste von meinem ersten Einkaufsausflug, eine Art Glücksbringer mit Johns Handschrift.
*
Dieser Tatort war anders, dies war etwas das ich sofort fühlte, die Stimmung der Beamten verriet das etwas schlimmes passiert war, die Anspannung war fast greifbar, die Luft fühlte sich zu dick zum Atmen an. Ich hielt mein Notizbuch und den Stift fester, versuchte mich zu ankern als wir auf die Tür zugingen. Der Tatort befand sich in einem Mehrfamilienhaus am Rande der Stadt.
Ich hatte das Gefühl als würde ich auf etwas Schlimmes zugehen, jede Faser in meinem Körper schrie in furcht. Nichts wollte ich lieber als mich umdrehen und wegrennen, dies Erinnerte mich an Dinge die ich zu vergessen gedacht hatte. Das blitzen einer Kamera brachte ein Bild vor meine Augen, nicht das das sich mir tatsächlich bot, sondern eines aus der Vergangenheit.
Meine Mutter, ihr blutverschmierter Körper, dutzende Beamte die jeden Winkel meines Zuhauses durchsuchten, ohne Rücksicht darauf das das Kind, dass sie aus tränenverschleierten Augen ansah nicht einmal zwölf Stunden zuvor noch eine Familie gehabt hatte, nun allein in der Welt war.
So schnell wie es gekommen war, verschwand das Bild wieder, ich war dankbar dafür. John legte mir eine Hand auf den Rücken und sah mich an, er durfte nicht sehen was in mir vorging. Ich wollte das doch, ich musste mich zusammenreißen. Dies war nicht der Tatort aus meiner Vergangenheit, dies würde kein ungeklärtes Verbrechen werden. Sherlock war hier, er würde dieses Verbrechen klären, es brachte zwar niemanden zurück, doch eine Antwort zu haben würde helfen, ich wusste das es schrecklich war keine zu haben.
Ich zwang mich zu einem Lächeln, einem kurzen. Sherlock ging voran, er konnte nicht sehen wie ich um jeden Schritt nach vorn kämpfte. Johns Präsenz hinter mir gab mir zusätzlich kraft. Die Tür wurde von D.I. Lestrade geöffnet, er sah unzufrieden aus.
Er sagte etwas zu Sherlock, ich hörte nicht hin, zu sehr gebannt von dem Bild das sich mir bot. Ein Mann lag auf dem Boden, er hatte kurzes blondes Haar, er war von kurzer aber muskulöser Statur, seine Haut war gebräunt, keine Solariums bräune wie Sherlock feststellte. Ich hatte ihn wieder eingeblendet wie er selbst sagen würde. Um meinen Geist zu beschäftigen schrieb ich alles auf was mir auffiel und auch das was Sherlock feststellte.
Die Leiche wurde untersucht, fotografiert, die Beamten arbeiteten wie in einem Bienenschwarm, es sah wild aus aber schien Methode zu haben. Musste wohl an der Abwesenheit von Anderson liegen, bei dem Gedanken musste ich wider besseren Wissens schmunzeln. Ich schrieb auch das auf, vielleicht heiterte es Sherlock auf wenn ich meine eigene Beobachtung, wagte ich es Deduktion zu nennen, später mit ihm teilte.
Jedes noch so kleine Glücksgefühl verlies mich jedoch als die Leiche herumgedreht wurde, beinah ließ ich meine Schreibsachen fallen. Was geschah hier? Ich drehte meinen Kopf so schnell herum das ich die Muskeln in meinem Hals ächzen spüren konnte, John stand hinter mir, ich wusste das er es tat aber ich musste mich versichern das es wirklich so war, denn „Er sieht aus wie du" stellte ich leise fest, mein Gesicht musste die Farbe eines Blattes Papier haben denn ich konnte fühlen wie mir das Blut daraus wich. Niemand schien es zu bemerken, niemand schien auch nur gemerkt zu haben dass ich gesprochen hatte.
„John" wiederholte ich mich als der Arzt nicht reagierte „der Mann....der tote Mann...er...er...s-sieht aus wie du" stammelte ich, der Arzt war sofort an meiner Seite, ein Hand beruhigend auf meiner Schulter als er zwischen mir, Sherlock, dem Toten und Lestrade hin und her sah.
Sherlock legte die Stirn in Falten und schien nachzudenken, der D.I. sah aus als würde er mich entweder gerne beruhigen oder rausschmeißen wollen, ich konnte es ihm nicht verübeln, er musste seine Arbeit leisten und ein nervöses Frack von Junkie würde ihm dabei nur im Weg stehen.
Ich nahm einen tiefen Atemzug und versuchte mich zu beruhigen. Ein zittern befiel mich, nicht wie das die ersten Tage im Entzug, es war rhythmischer, langsamer aber tiefer, ich hasste jede einzelne Sekunde davon. Meine Gedanken kreisten, wild ohne jede Richtung. Ich schob sie bei Seite, Verdrängung Rebecca du kannst das, konzentrier dich, behalte die Nerven. Das ist ein Zufall, einfach ein Zufall. Gruselig aber nicht bedrohlich, John geht es gut, er stand direkt vor dir.
„Ein wenig vielleicht" räumte John ein, er drückte meine Schulter. Ich nickte, sagte aber nichts mehr, ich nickte nur als Zeichen das ich ihn gehört hatte. Ich steckte meine Sachen in meine Tasche, meine Hände zitterten zu sehr zum Schreiben, stattdessen nahm ich Johns Hand. Er ließ es zu, Sherlock stellte seine Deduktionen an, er war brillant, ich versuchte mich von seinem Genie ablenken zu lassen, konzentrierte mich auf den klang seiner Stimme statt dem schreien in meinem Kopf.
Tatsächlich gelang es mir, mir wurde leicht ums Herz als er verkündete das dieser Mann vom Ehemann seiner Geliebten umgebracht worden war, mit einem merkwürdig klingendem Gift, welches wohl selten war aber einen typischen Rand um die Einstichstelle hinterließ. Tatsächlich ein Zufall, dies hatte nichts mit uns zu tun.
Was hatte ich mir nur dabei gedacht so durchzudrehen? Es musste wohl daran liegen dass dies mein erster Tatort mit Leiche gewesen war.
Lestrade ließ sich von Sherlock noch einmal alle Details geben als ich mich etwas umsah. Ich wanderte in die Küche des Opfers, auf dem Herd lag ein Backblech, darauf waren verbrannte Kekse in Herzform, er musste wohl gebacken haben vor seinem Tot. Die Leiche musste schnell gefunden worden sein, beachtete man das nicht das ganze Haus niedergebrannt war. Es roch gar nicht nach verbrannten Plätzchen stellte ich verwundert fest, wollte diese brillante Deduktion grad zum Besten geben als mir einfiel das die Beamten bestimmt gelüftet hatten als sie gekommen waren.
Wer wollte schon in einer Wohnung Beweise sammeln die nach verbrannten Backwaren roch, das war bestimmt auch nicht Gesund. Aus mir würde wohl doch kein Verbrechen klärendes Genie mehr werden, das hatte ich ja aber vorher schon gewusst.
„Becca kommst du? Wir gehen, Sherlock will noch kurz ins Barts" holte mich Johns warme Stimme aus meinen Gedanken.
„Ja ich komme" erwiderte ich, wir verabschiedenden uns vom Inspektor, naja John und ich, Sherlock war schon wieder auf dem Weg ins nächste Abendteuer. Zu meinem Erstaunen nahm er mich jedoch kurz zur Seite als wir auf dem Gehweg auf ein Taxi warteten.
„Alles in Ordnung?" seine Stimme war leise, er hatte echtes Interesse an meiner Antwort in den Augen, ich wusste würde ich sagen dass ich nach Hause wollte, dann wäre es der Ort an den wir als nächstes gehen würden. Aber ich hatte mich wieder beruhigt, kam mir direkt dumm vor für meinen Ausbruch und nickte deshalb lächelnd.
„Natürlich" versicherte ich, versuchte meiner Stimme einen festen klang zu geben, „Hast du gemerkt wie organisiert die Spurensicherung war weil Anderson nicht da war?" fügte ich als Ablenkung an und tatsächlich es brachte ihn zum Lächeln.
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