Viele und keine Worte
„Ein Tatort Sherlock? Ist das dein Ernst?" brauste John erneut auf, er hatte mich zur Seite genommen bevor ich Rebecca in unser Schlafzimmer folgen konnte, ganz offenkundig hatte er wirklich noch Gesprächsbedarf. Da ich Rebecca nicht aufregen wollte folgte ich ihm leise ins Wohnzimmer, alle Zwischentüren verschließend. Sie konnte das nicht gebrauchen.
Den ganzen Abend über war sie angespannt geblieben, immer vorsichtig, alles richtig machend wollen, als wäre sie auf Bewährung. Das war nicht akzeptabel, dies war ihr zu Hause.
„Ja ein Tatort John" erwiderte ich gelassen, ich hatte nichts Falsches getan.
John rieb sich übers Gesicht „Das kannst du nicht einfach machen"
„Doch, nicht nur kann ich das, ich habe es bereits getan"
John lies ein Lachen hören, das alles in allem kein gutes Zeichen war. Seine Wut, Frustration oder was auch immer das sein sollte war für mich nicht nachvollziehbar.
„Sherlock nicht jeder ist dafür gemacht sich mit Verbrechen die Zeit zu vertreiben. Überleg doch einen Moment mal was sie alles durchgemacht hat. Ist es dir in den Sinn gekommen das sie das noch mehr traumatisieren könnte"
„Es war ein Banküberfall, keine Leichen, nicht mal ein richtiges Mysterium. Mehr eine vier ein halb aber für den Einstieg nicht schlecht."
„Hörst du dich eigentlich reden? Für den Anfang, was kommt als nächstes? Morgen eine Entführung und am Wochenende ein schöner Doppelmord?" dies schienen rein rhetorische Fragen zu sein, denn er ließ mir keine Zeit zum Antworten.
„Hast du vergessen was mit ihren Eltern passiert ist? Denk doch einen Moment mal nicht an dich sondern an Rebecca"
„Ich denke an nichts anderes" brach es aus mir heraus, noch als ich die Worte sprach merkte ich wie wahr sie waren. „Was soll sie deiner Meinung nach machen? Den ganzen Tag hier herumsitzen? Die Hausarbeit machen? Sich einen langweiligen Durchschnitts Job suchen? Ich wollte ihr zeigen dass es da draußen noch Gerechtigkeit gibt, das Verbrechen aufgeklärt werden. Das nicht jeder Kriminelle davon kommt, denn das kennt sie nur zu gut. Sie braucht eine Aufgabe, einen Sinn und eine Erinnerung dass es Menschen gibt die Antworten finden."
John sah mich sprachlos an, ich wollte nicht darüber nachdenken warum, ich wollte nicht darüber nachdenken ob meine Worte zu ihm durchgedrungen waren. Ich wollte Aufhören denken zu müssen und zum ersten Mal in meinem Leben wollte ich dies nicht durch Drogen erreichen sondern durch den warmen weichen Körper der in meinem Bett lag und den schönsten Bewusstsein das ich kannte ein zu Hause war.
Ohne ein weiteres Wort wand ich mich ab und machte mich auf den Weg ins Schlafzimmer.
*
„Ich wollte wirklich nicht dass ihr euch meinetwegen streitet" anderes als in den Nächten die dieser vorhergingen, rückte sie gleich als ich mich hingelegt hatte näher an mich, ich hob meinen Arm an und ließ sie gewähren.
„Schlaf" murmelte ich, eine Strähne ihres Haares war ihr ins Gesicht gefallen, ohne zu Überlegen strich ich sie ihr hinters Ohr. Meine Finger verweilten länger als nötig, ihr Haar war weich und im Gegensatz zu meinem, glatt. Da ich im allgemeinen nichts für Menschen und näheren Kontakt zu ihnen übrig hatte, war ihr Haar das einzige, ausgenommen von meinem, das ich bewusst berührte.
Der Wissenschaftler in mir wollte zu allem und jeden immer so viele Informationen und Proben wie möglich sammeln, aber als ich meine Finger durch die Strähnen ihres braunen Haares gleiten ließ war mir das genug. Dies war die einzige Probe die ich brauchte und sie gab sie so bereitwillig.
Sie schloss ihre Augen als ich weitermachte, es schien sie zu beruhigen. Ich wollte nicht mehr reden oder denken. Schlaf, das war es was ich wollte, denn alles war Gut, keine Gedanken oder Worte waren nötig.
*
(16.02.2015 – London, England)
„Ah Rebecca wieder zurück" grinste Jacob selbstgefällig. Ich war so froh das Sherlock immer noch neben mir stand. Es war Montagvormittag, da ich meine Stunde am Donnerstagnachmittag versäumt hatte was dies das erste Mal das ich wieder mit meinem Fehler konfrontiert wurde. Es hatte sich schrecklich angefühlt John zu enttäuschen, ich hatte es wirklich vergessen gehabt.
Seine aufgebrachten Worte hatten geschmerzt, ich wollte doch alles richtig machen, clean werden, mich ans Programm halten, ein besserer Mensch sein. John hatte mir vergeben aber ich konnte das nicht so schnell, mal wieder hatte ich alle enttäuscht. Die Geschichte meines Lebens. Oh ja ich hatte mich an diesem Tag noch lange depressiven Gedanken hingegeben, nachdem ich eine Weile in Johns Armen geweint hatte.
„Ich hoffe du bist nicht rückfällig geworden, wir dulden in unserem Programm keine aktiven Abhängigen."
John zu enttäuschen hatte gebrannt aber bei diesem Kotzbrocken war es mir egal was er von mir dachte. „Nein ich .."
„Wir hatten einen familiären Notfall" unterbrach Sherlock mich, er hatte die ganze Zeit gemeint ich sollte es nicht so schwer nehmen und das es wenn dann seine Schuld gewesen wäre.
„Komisch Dr. Watson meinte sie hätte einen Arzttermin gehabt" grinste Jacob, er hatte sich sein Urteil längst gebildet, er mochte mich nicht, nur weil ich nicht wie die anderen an seinen Lippen hing.
„Und danach hatten wir einen familiären Notfall" gab Sherlock kein Stück nach, er hatte nicht einmal gezuckt als wir mit seiner Lüge auf Granit stießen. „Ich war die ganze Zeit bei ihr"
„Ah Süchtige sind einfallsreich, besser wir sehen mal nach." Mit diesen Worten schnellte seine Hand nach vorn, er wollte auf meinem Arm nach Einstichstellen suchen, wie immer trug ich ein Shirt mit langen Ärmeln, ich mochte es nicht wenn jeder meine Narben sehen konnte. Doch noch bevor er auch nur die Chance hatte mich zu Berühren stoppte ihn Sherlock.
Er hielt Jacobs Handgelenk in einem Griff von dem ich hoffte er tat weh. Mich überlief ein eisiger Schauer bei dem Gedanken dass mich ein Fremder einfach so betatschte. Umso dankbarer war ich für meinen Retter in jeder Not in die ich kam.
„Benutzen sie ihre Augen. Sie hat weder erweiterte Pupillen noch andere Anzeichen das sie gerade High ist, des weiteren Fehlen alle Anzeichen für Entzugserscheinungen die sie ganz klar hätte, hätte sie letzten Donnerstag Heroin gespritzt. Müssten sie das nicht wissen."
Sherlocks Stimme war kalt wie Eis, sein Blick bohrte sich in den von Jacob, seine ganze Körperhaltung war mit einem mal von gleichgültig, gegenüber dem Programm und all seinen Teilnehmern zu etwas bedrohlichem gewechselt. So hatte ich ihn noch nie gesehen. Es erinnerte mich an ein Raubtier, angespannt, zum Angriff bereit.
„Es gibt also keinen Grund für sie Rebecca anzufassen. Um das klar zu stellen wird es für sie nie einen Grund geben sie anzufassen. Und sie wird ihnen auch keine Stellen an ihrem Körper zeigen. Haben sie mich verstanden."
Jacob versuchte sein Handgelenkt zurückzuziehen, er schien nun aus seiner Starre erwacht zu sein und merkte nun den Fehler den er begangen hatte. „Ob sie mich verstanden haben?" wiederholte sich Sherlock.
„Ja" stammelte mein Suchtberater, sein Handgelenk wurde abrupt losgelassen und er taumelte wegen des Schwungs seiner eigenen Befreiungsversuche zurück.
Sherlock beachtete ihn nicht weiter, er wand sich stattdessen an mich. Ich sah ihn ungläubig an, seit Sues Verschwinden hatte niemand mehr so für mich eingestanden, er hatte ausgesehen als wöllte er Jacob in den Boden rammen. Sein Blick verriet mir dass er nun mit sich haderte mich hier zu lassen, ich wollte ja auch nicht bleiben aber was hatten wir für eine Wahl, John mochte den Gedanken nicht dass ich ausstieg.
Ich schenkte ihm ein Lächeln, meine Stimme hatte ich noch nicht wiedergefunden, zu viele Emotionen hatte ich aufgrund seines Ausbruches, die meisten davon gut aber dennoch zu viele für Worte. Ein Nicken meinerseits war ihm Zeichen genug das er gehen konnte, ich glaubte nicht das Jacob mir wirklich etwas tun wollte. Er hatte nur ein rechthaberischer Kotzbrocken sein wollen der seine Autorität Beweisen wollte, in dem er mich demütigte und einfach Hand an mich legte.
Aber nun war ich sicher, denn auch der dümmste Trainer der Welt musste einsehen dass man sich nicht mit Sherlock Holmes anlegte.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro