Um Haaresbreite
Er hätte hier langkommen müssen, meine Berechnungen waren einwandfrei, sein Bewegungsmuster, die Wege die er eingeschlagen hatte ließen keinen anderen Schluss zu, seine Geschwindigkeit im Vergleich zu meiner unter Einberechnung der Abkürzung die ich genommen hatte ergab das ich ihn auf der Brücke eingeholt haben müsste.
Wie konnte das sein, ich sah mich um, ging es im Kopf noch einmal durch, nein, ich lag richtig. Was ging hier vor sich? Ein ungutes Gefühl überkam mich, dies wirkte Zufällig aber das Universum war selten so faul.
Ich wollte hinter mich schauen, sehen ob Rebecca noch Energie hatte, trotz meines Beschlusses im Falle einer Verfolgungsjagt darauf zu vertrauen das sie wusste was zu tun war, sich an den Plan zu halten, hatte ich nicht umhin gekonnt einen Teil meiner Konzentration darauf zu verwenden auf ihre Schritte hinter mir zu lauschen, darauf zu achten ob sie noch da war.
Sie hatte sich gut geschlagen, zu schade das es eine fruchtlose Jagt gewesen war, ich war noch immer geschockt das er uns entkommen war. Doch dieser Schock sollte verblassen im Angesicht dessen was ich sah als ich mich ihr zu wand.
Er war hinter ihr, sein Blick hatte etwas entschlossenes, ein gefährliches glitzern überzog seine Augen. Ich wollte ihr zurufen, sie warnen, loslaufen, doch ich wusste ich würde zu spät kommen als er noch in diesem Moment seine Arme um sie legte. Dennoch sprintete ich los, ich zögerte keinen Augenblick länger, genau wie er, mit Schwung packte er ihren zierlichen Körper und warf sie über das Geländer.
„NEIN" schrie ich, ohne Sinn, das würde ihn nicht aufhalten, dies würde nichts ändern aber es war einer der wenigen Gedanken die ich formen konnte. Der Angreifer verlor keine Zeit, er rannte weg. Das war es wahrscheinlich was Rebecca rettete, sie hatte sich im letzten Moment am äußeren unteren Teil des Geländers halten können. Dort hing sie, ihre Finger weiß von der Anstrengung ihr Gewicht zu halten. Ihre Beine traten ins nichts, weit unter ihr die unbarmherzige Strömung des Flusses.
Ich ließ mich neben die Stelle fallen „Sherlock" keuchte sie, ihre Augen waren groß, voller Angst. Keine weitere Sekunde verschwendend griff ich zwischen den Stäben hindurch, ich fasste ihre Oberarme, ich zog sie so weit nach oben das sie nun die Geländer Pfosten mit ihren kompletten Armen umschloss, nicht nur mit ihren Händen.
Das würde mir Zeit verschaffen. „Festhalten, gleich ist es vorbei, ich hole dich, aber du musst dich festhalten" redete ich sie auf Rebecca ein, um mich oder sie zu beruhigen wusste ich nicht. Es schien jedoch zu helfen, sie nickte zittrig, ich hatte einen Schwur geleistet, ich würde ihn halten.
Blitzschnell stand ich auf, entledigte mich meines Mantels ich wollte nicht das er uns in den Weg kam, ich musste mich Bewegen können und stieg selbst über das Geländer, es gab keine Möglichkeit sie von der anderen Seite darüber zu ziehen, sie hing zu tief. Ihre Arme fingen an zu zittern, vor Anstrengung oder Angst konnte ich nicht sagen.
Ich schob meine Emotionen zur Seite, die würden sie nicht retten können, ich musste logisch denken, logisch handeln. Es gab keinen Spielraum für Fehler. Mich mit einer Hand an den Stäben haltend, mit den Füßen zwischen dem unteren Rand des Geländers und der Brücke stehend, streckte ich die andere Hand nach ihr aus. Der Wind wehte uns durchs Haar, das Rauschen des Flusses wurde nur von dem rauschen des Blutes in meinen Ohren übertönt. Ich fluchte als ich spürte wie meine Hände anfingen zu schwitzen, ich hatte keinen Bedarf für die Reaktionen meines Transports.
„Sherlock" wiederholte sie erstickt. Sie hatte es aufgegeben ihre Füße zu bewegen, schien alle ihre Energie darauf zu verwenden sich festzuklammern. Mit der Kraft die mir nur das Adrenalin gab umfasste ich so gut wie ich konnte ihren Oberkörper, ich musste sie nach oben bekommen. Sie arbeitete so gut sie es konnte, mit der wenigen Kraft die sich noch hatte, mit. Doch es nützte nichts, der Winkel, unsere Positionen waren falsch.
Ich musste mir eingestehen dass es so nicht klappen würde. Wir hatten nur eine Chance, ich hoffte ich hatte genug Kraft dafür übrig. In meinem Inneren war mir jedoch klar, dass wenn nicht, wir beide fallen würden, ich würde mit ihr auf die andere Seite klettern oder gar nicht. Sie war das Risiko wert, ich bereitete mich innerlich vor.
„Rebecca du musst meine Hand nehmen" sie sah zu mir, ihr Blick verriet ihre Angst aber zeigte auch Vertrauen. Sie zögerte nicht, lies mich nicht danach Fragen ob sie mir vertraute, mahnte mich nicht sie ja nicht fallen zu lassen. Eine Hand aus dem Griff um ihren eigenen Ellenbogen lösend nahm sie meine Hand, ihr Körper sackte ein wenig nach unten aber sobald ich ihre Hand in meiner spürte zog ich sie mit Schwung nach oben und sie klammerte sich an mich sobald sie dafür weit genug oben war, dies gab mir die Möglichkeit meinen Griff zu sichern. Ihr Herz schlug so schnell und kräftig das ich es spüren konnte.
Der erste Schritt war geschafft, ich brachte uns in eine aufrechtere Position, keinen weiteren Atemzug abwartend. Ich presste ihren Körper mit meinem gegen das kalte Metall des Geländers. Nach einem kurzen Moment in dem wir uns sammelten wies ich sie an über das Geländer zu steigen, ich half ihr dabei so gut ich konnte, nicht wagend sie loszulassen bis sie mit beiden Beinen wieder auf der sicheren Seite stand. Erst danach folgte ich ihr. Noch bevor ich die Chance dazu hatte nach ihr zu Greifen warf sie sich in meine Arme.
Sie an mich pressend lies ich mich fallen, den Rücken am Geländer lehnend saßen wir da, sie zwischen meinen aufgestellten Knien das Gesicht an meiner Schulter, ich drückte mein Gesicht in ihr Haar und atmete erleichtert aus. Mit Horror stellte ich fest dass ich sie hätte verlieren können, nur eine Abweichung in den vergangenen Minuten und sie hätte fort sein können. Vom Fall zerschmettert, vom Wasser davongetragen, zwischen meinen Fingern hindurch und hinaus aus meinem Leben.
Ich verstärkte meinen Griff um sie, Rebecca weinte nicht, der Schock war noch zu groß, wir hielten uns aneinander fest. Minuten vergingen in denen alles was ich wahrnahm ihr Körper an meinem war, ich versuchte die Vergangenen Ereignisse einzusortieren, die Gefühle die ich zur Seite geschoben hatte brachen über mich hinein. Die Angst, sie zu verlieren. Die Wut, nicht schnell genug gehandelt zu haben. Die Panik als ich sie dort hängen sah. Es war zu viel für mein methodisches Gehirn, zu viel und doch nicht genug, ich fühlte mich Übervoll und doch leer zugleich.
„Rebecca"
Erst als ich mich selbst sprechen hörte, bemerkte ich das sich Tränen in meinen Augen gesammelt hatten, ich ließ sie nicht fallen, ich weigerte mich mitten auf einer Brücke in London zu weinen, es war unlogisch, ich hatte sie gerettet, alles war gut. Gefahr abgewendet, das Leben konnte weiter gehen.
Sie schien es auch gehört zu haben, ihr Gesicht war plötzlich direkt vor meinem, in ihren Augen wirbelten tausend Emotionen umher, sie war so schön, woher dieser Gedanke kam wusste ich nicht, mein Verstand war wohl noch nicht wieder vollkommen Online. Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht als ich sie ansah.
Ich nahm ihr Gesicht in meine Hände, Daumen über ihre Wangen streichelnd und im nächsten Moment fanden sich ihre Lippen auf meinen wieder. Und wie beim ersten Mal, nahm mich ihr ganzes Wesen gefangen, es gab nichts außer ihr das wichtig erschien, dass es Wert war beachtet zu werden.
*
Es war merkwürdig, ich wusste nicht ob ich das Recht hatte mich so Aufgelöst zu fühlen. Immerhin hatte ich mich im Januar noch umbringen wollen, Poetischer Weise auch auf einer Brücke, komischer Zufall. Dennoch seit dem war ich nicht wieder an diesem Punkt gewesen, als ich dort gehangen hatte, alles was mich von einem unschönen aber sicheren Tod trennte mein schwächer werdender Griff am Geländer gewesen war. Wurde mir klar dass ich Leben wollte, also hatte ich mich festgehalten.
Vielleicht hatte ich mich auch gar nicht wirklich umbringen wollen überlegte ich, immerhin war die Brücke die ich mir dafür ausgesucht hatte nichts gegen die von der ich geschleudert worden war. Ich schüttelte den Kopf, lächerlich, ich hatte seinerzeit sterben wollen, ich hatte ja nicht wissen können das Sherlock mich retten würde, dieser Sprung wäre ohne schnelle Hilfe mein Ende gewesen, wenn nicht die Ohnmacht beim Aufprall ins Wasser dann hätte mich die Kälte des Wassers getötet.
Noch etwas war mir aufgefallen als ich dort zwischen Leben und Tod gehangen hatte, Sherlocks Augen hatten es verraten, er hatte auch Angst gehabt. Angst mich sterben zu sehen, nicht in der lange zu sein mich zu retten, allein dieser Ausdruck in seinem wunderschönen Gesicht war Ansporn genug mich zu festzuhalten, zitternde Muskeln und Erschöpfung verdammt.
Wäre ich gefallen wäre das meine Schuld gewesen, ich hatte nicht auf meine Umgebung geachtet, hatte es zugelassen das dieser Mann sich an mich ran schlich, mich überrumpelte und wie eine Puppe von der Brück warf, alles ohne jede Frage nicht Sherlocks schuld, aber ich hatte es gesehen. Er hatte es verstecken wollen aber er machte sich Vorwürfe deswegen. Ich musste ihm sagen dass es nicht so war, dass er mich gerettet hatte und dass egal was noch passieren würde er immer mein Retter war, niemals mein Mörder.
Auch deshalb hatte ich nicht losgelassen. Am Ende hatte mich Sherlock wieder gerettet, wie er es immer tat. Der Moment der dann gefolgt war, war trotz der Umstände magisch gewesen. Unsere Herzen hatten im gleichen rapiden Takt geschlagen, unsere Gedanken wie eingefroren von dem was passiert war, hätte passieren können. Als er dann meinen Namen wie ein Gebet in der Dunkelheit gesprochen hatte, als wäre in diesen sieben Buchstaben die Bedeutung der Welt versteckt, war dieses Feuer wieder da. In meinem ganzen Körper spürte ich es, in mir pulsierte die Liebe für Sherlock, ich konnte nicht anders.
Ich hatte ihn wie eine ertrinkende geküsst als wäre er das einzige was mich retten könnte, wahrscheinlich war er das sogar. Dieselbe Leidenschaft schenkte er auch mir, ich spürte es in der Art wie er mich festhielt, wie er seine Hände auf meinem Körper platzierte. Als wir uns voneinander gelöst hatten um Luft zu holen sahen wir einander an, keine Worte nötig, wir sprachen nicht darüber.
Nach einem weiteren weltenverzerrenden Kuss hörten wir Serenen näher kommen, was hatte das zu bedeuten?
*
„Das ist er" identifizierte Sherlock den Toten, wenige hundert Meter von der Brücke, die mein Ende hätte werden können, entfernt lag die Leiche des Mannes der mich gepackt hatte, der Mann denn wir Verfolgt hatten. Er hatte ein Einschussloch in der Stirn, die Augen in Schock aufgerissen, nunmehr dem Wolkenlosen Himmel entgegenblickend. Er musste seinen Mörder gesehen haben.
Ich war verwirrt, wer hatte ihn erschossen? Warum hatten wir keinen Schuss gehört? Sherlock schien tief in Gedanken versunken zu sein. Dies sollte nicht nur der Erste Fall mit Verfolgungsjagt für mich sein, sondern auch der Erste denn Sherlock nicht aufklärte.
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