Traumhafte Zeiten
Nach dem Essen stellte ich mit Freude fest das Musik gespielt wurde, klassische Musik, vielleicht etwas trocken für meinen persönlichen Geschmack aber die Aussicht mit Sherlock tanzen zu können würde auch Fahrstuhlmusik zu einem willkommenen Klang machen. Vom vielen sitzen und essen hatte ich schon Krämpfe im Bauch. Mit glitzernden Augen sah ich zu Sherlock als die ersten Paare anfingen sich im Takt der Musik zu bewegen.
Wie der perfekte Gentleman zu dem man versucht hatte ihn zu erziehen kam er meiner stillen bitte nach. Und trotz der negativen Bedeutung der Moriarty diesem Titel verpasst hatte konnte ich nicht anders als mich wie eine Prinzessin zu fühlen. Der Zauber den ich beim Tanzen mit dem Detektiv verspürte ließ auch in dieser Umgebung, voller argwöhnischer, neugieriger oder erstaunter Blicke, die Welt für mich verschwinden. Wenn er mich so ansah, als wäre ich alles was zählte, was konnte da noch anderes wichtig sein.
Zeit wurde zu einem fernen Konzept als er mich mit gekonnten Schritten über die Tanzfläche führte, mich im Kreis drehte und das ein oder andere Mal in neue Tanzpositionen brachte. Wir sprachen kein Wort aber das war auch nicht nötig, alles was ich wissen musste fand ich in seinen Augen.
Erst als Sherlock inne hielt merkte ich das John hinter ihm stand, er musste ihm wohl auf die Schulter getippt haben. Neben unserem Arzt stand wieder die Frau mit den blonden Haaren, ihr Lächeln war offen und ich erwiderte es. „Darf ich?" ich sah das zögern in den Augen meines Lockenkopfs bei der Bitte, doch schlussendlich ließ er mich los, jedoch nicht ohne zuvor meine Hände geküsst zu haben, meine Wangen wurden rosa und es flatterte in meinem Bauch.
John und ich lachten als wir versuchten uns in Position zum lostanzen zu begeben. Als ich ihm anfangs auf den Fuß trat ließ ich meinen Kopf lachend auf seine Schulter fallen aber nach ein paar Minuten hatten wir den dreh raus. Logischerweise war es anders als das Tanzen mit Sherlock aber nicht weniger schön, eine ganz andere Erfahrung aber dennoch wertvoll. Viel weniger romantisch dafür aber lustiger. Der Arzt erzählte mir wie er das Tanzen gelernt hatte „Und dann wurde ihr Zeh blau, für den Rest des Sommers behauptete sie ich hätte ihn ihr gebrochen"
Ich musste mich bemühen nicht aus dem Takt zu fallen vor Lachen. „Gut dass du inzwischen Zeit zum Üben hattest. Ich habe nämlich keine Stahlkappen in den Schuhen und bei unserem Lebenstempo kann ich mir keine gebrochenen Gliedmaßen leisten."
„Keine Sorge, ich denke Sherlock hätte kein Problem damit dich rumzutragen." ich sah kurz zu eben jenem, er hatte kurz mit der blonden Frau getanzt bevor er sich wieder an unseren Platz gesetzt hatte, er machte irgendetwas auf seinem Telefon, doch dann blickte er auf und seine Augen fanden meine, ich schenkte ihm ein Lächeln.
„Er braucht dich" plötzlich wurde der Arzt ernst, mein Kopf schnellte wieder zu ihm, erstaunt von diesem Stimmungswechsel „Ich weiß nicht wie und wann genau das passiert ist aber ihr Beide habt diese Abhängigkeit voneinander." Ich war hingerissen ihn einfach loszulassen um so schnell wie möglich davon zustürmen, wissend das ich kein weiteres Wort hören wollte aber auch John hatte mein Leben gerettet, ich war es ihm schuldig ihn wenigstens anzuhören.
„Ich denke wirklich eine Therapie würde dir gut tun" meine Hände verkrampften sich, wie es wohl mein Gesicht tat. „Ich kann das nicht" war alles was ich hervor brachte, die Aussicht meine Seele einem Fremden offen zu legen, alle Ereignisse die mein Herz verbrannt hatten nochmals zu erleben in dem ich durch meine Worte leben in sie hauchte war zu schmerzhaft. Das würde ich nicht durchstehen.
„Rebecca ich weiß das ist schwer aber wir suchen dir einen wirklich guten Therapeuten." ich war froh das er leise sprach und dennoch hatte ich das Gefühl seine Worte hallten durch den Raum, so dass jeder sie hören konnte. „Ich hab dich lieb und will dich nicht verlieren." entwaffnete er meine Wut.
Dieses Geständnis rührte mich, ich konnte ihn ja sogar verstehen, von außen betrachtet wäre es eine gute Lösung aber nicht von innen. „Ich hab dich auch lieb und ich verspreche dir du verlierst mich nicht. Du und Sherlock habt mir so viel gegeben für das es sich zu leben lohnt." Ich drückte seine Schulter mit meiner Hand bevor ich ihn einfach umarmte, die Musik und das Tanzen vergessend. Es sammelten sich Tränen in meinen Augen bei so viel offen gelegten Emotionen.
Mir wurde klar dass die vergangenen Wochen auch Spuren an John hinterlassen hatten. Nach dem er mich kurz an sich drückte trat ich einen Schritt zurück, wischte mir so unauffällig wie möglich über die Augen bevor ich mich zu einem Lächeln zwang. „Und nun erzähl mir von der blonden Schönheit mit der du gesprochen und getanzt hast." forderte ich ihn auf.
*
„So" begann mein großer Bruder und setzte sich neben mich „Anu Padar ist also in London" natürlich hatte er raus bekommen warum wir dieses Wochenende nicht in der Stadt sein konnten. Dies war keine schwere Denkarbeit für die britische Regierung. Ich sah zu Rebecca, sie sprach noch immer mit John, das tanzen hatten sie aufgegeben. Als ich sicher war das sie nicht in Hörweite kommen würde, in den nächsten Minuten zumindest, gab ich eine Antwort auf Mycroft's Gesprächseröffnung.
„Ich erhielt eine kleine Vorwarnung von deinem neuen besten Freund." Er sah mich an, ich konnte praktisch fühlen wie er mich deduzierte, ich brachte meine Schilde so gut es ging in Position aber er war brillant auch wenn es mich schmerzte mir dies, und sei es nur in Gedanken, einzugestehen. Deshalb hatte mich dieser lächerliche Deal auch überrascht, es passte nicht zu meinem Bruder etwas zu tun von dem er wusste dass es nach hinten losgehen würde.
Er war ein Mann der Tatsachen, er entschied nach reichlicher Überlegung und Durchsicht aller Fakten, er war kein Spieler, er hoffte nicht auf den besten Ausgang von Ereignissen, er sorgte dafür das genau das geschah was er erreichen wollte. Nicht zum ersten Mal versuchte ich rauszubekommen was dahinter steckte aber auch seine Schilde waren intakt.
„Er hat kein Interesse an ihr." Er sprach nicht von Moriarty das wusste ich, denn jener hatte noch seine Augen auf ihren Aktivitäten. Er meinte ihren estländischen Großvater, den Tochter mordenden Mafiaboss. Es stimmte er hatte sie aktiv zurückgelassen, sie ein Leben voller Trauma durchstehen lassen ohne einzugreifen, wahrscheinlich interessierte er sich nicht für das Kind seiner einzigen Tochter, dennoch „Ich musste sicher gehen."
„Früher hätte dich nichts auf ein Familientreffen gebracht. Nicht einmal wenn die gesamte Mafia hinter dir her wäre. Nun sitzen wir hier nur wegen der geringen Wahrscheinlichkeit dass ein Krimineller einen Anfall von familiären Gefühlen bekommen könnte." ich wusste was er sagen wollte, dies sah mir nicht ähnlich. Aber was sah mir schon ähnlich von dem was in den letzten Monaten passiert war?
„Dies war nicht die erste Drohung die Moriarty dir geschickt hat." Wechselte er das Thema nachdem er merkte dass ich ihm auf seine vorherige Aussage nicht antworten würde. Mit meinem Bruder über Gefühle sprechen wäre als wöllte man sich Sex Tipps von einer Nonne holen. Er war ein außenstehender im Bereich der herzlichen Gefühle, ich glaubte er liebte mich, immerhin war er hier, aber damit hörte es auch schon auf.
Natürlich wusste er von den anderen Drohungen, entweder mit Hilfe einer Deduktion oder einem Spionage Programm auf meinem Telefon, mir war es ziemlich gleich. Es änderte nicht an den Tatsachen. „Du hast Dr. Watson und Miss Kingsley nichts davon erzählt" stellte er weiterhin fest.
Ich sah ihn an, meine Augen wurden ernst. „Nein und du wirst es auch nicht tun." Die Beiden waren besser dran ohne von der Gefahr über ihren Köpfen, den wachsamen Augen in ihrem Alltag, zu wissen.
„Glaub mir ich habe kein Interesse daran mich in deine kleinen Freundschaften einzumischen." okay das brachte mich dann doch zum Lachen. „Seit wann?" ich sah ihn ungläubig an, ich erinnere mich noch gut an die kleine Entführung als Einzugs Geschenk für John und die versuchte Abschiebung Rebeccas in eine Entzugsklinik.
„Seit ich erkennen konnte das Beide keine Gefahr für dich sind." Er sah zu der Stelle an der meine Mitbewohner standen, ich tat es ihm nach. John hatte Rebecca zum Lachen gebracht, ich konnte es bis zu unseren Plätzen hören. Sie strahlte so hell, es war als würde der Raum erleuchtet als der klang ihrer Stimme an mein Ohr drang aber ich durfte mich nicht ablenken lassen.
„Was hat sie zu dir gesagt?" Seine veränderte Sicht auf Rebecca nach diesem Gespräch konnte doch kein Zufall sein, das Universum war zum einen selten so faul, zum anderen war es nicht die Art meines Bruders. Ich glaubte beinah ein schmunzeln auf seinem Gesicht zu sehen bevor ich es als Trick des Lichtes abstempelte. Seine Antwort war kurz und ehrlich.
„Die Wahrheit"
*
(21.06.2015 – Hampshire, England)
Der Rest des Abends und des Wochenendes vergingen ohne weitere Zwischenfälle. Ich war dankbar für diese ruhigen Stunden auf dem Land, wie schön es doch war an der frischen Luft zu sitzen, umringt von Blumen und nichts weiter zu tun als ein Buch zu lesen. Das Haus der Holmes Familie war ein warmer und einladender Ort, viel zu schnell war es Sonntagabend und wir fanden uns am Auto wieder um Abschied zu nehmen.
Violet gab mir zum Abschied die versprochenen Abzüge der Fotos, ich versprach ihr im Gegenzug mich zu melden und ihr auch das ein oder andere Foto zu schicken, davor würde ich jedoch Sherlock fragen ob es ihm recht wäre, ich wollte ihn nicht hintergehen in dem ich quasi für seine Mutter spionierte oder so ähnlich.
Die Brüder saßen schon ungeduldig im Wagen als John und ich uns noch für das schöne Wochenende und die Gastfreundschaft bedankten. Gut das der Arzt die Autoschlüssel hatte, Mycroft sah so aus als hätte er uns sonst zurückgelassen. Bevor ich einstieg warf ich einen letzten Blick auf das Haus, mich überkam ein alter Traum, ein Traum aus einer Zeit als ich noch nichts schlimmer erlebt hatte als aus einem Baum zu fallen.
Als kleines Mädchen hatte ich geträumt das ich eines Tages in so einem Haus leben würde, an meiner Seite mein gut aussehender erfolgreicher Ehemann unsere drei wunderschönen Kinder. Ich erlaubte mir kurz dieser Fantasy nachzuhängen, mein Ehemann bekam dabei erstaunliche Ähnlichkeit mit einem gewissen Lockenkopf. Schmunzelnd schüttelte ich meinen Kopf, dies war der Traum eines toten Mädchens, die Frau die an ihrer Stelle stand konnte sich solche Traumbilder nicht leisten.
Außerdem war das was ich hatte mehr als ich verdiente, als ich endlich im Auto saß nahm ich Sherlocks Hand und platzierte einen Kuss darauf. Ich brauchte kein perfektes Bilderbuch-Leben wenn ich stattdessen ihn an meiner Seite hatte.
Er war mein neuer Traum.
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