Im Haus des Eismannes
(31.08.2015 – London, England)
In der Welt von Mycroft Holmes waren, für normale Menschen, schwierige oder umfangreiche Dinge wohl nie mehr als ein Handzeichen in Richtung eines eingeschüchterten Angestellten. Dazu kam noch sein brillanter Verstand, in der Zeit die ich gebraucht hatte zumindest so viel zu schlafen damit ich nicht wie der aufgewärmte Tod aussah hatte er meine Gynäkologin informiert das sie fortan regelmäßig nach London fahren würde, sie einen Schweigevertrag unterschreiben, meine Sachen packen und entsprechende Räume vorbereiten lassen.
Zu sagen er wäre die britische Regierung war mir zu Anfang wie ein Scherz auf seine Kosten vorgekommen doch je mehr Zeit ich mit ihm verbrachte desto klarer wurde mir das dieser Mann tatsächlich ein Land kontrollieren konnte.
Das er Sherlock nicht beherrschen konnte war kein Zeichen seines Versagens sondern der Brillanz meines Lockenkopfes.
Goldfische bewegten sich wie Schachfiguren auf seinem Brett.
Es war faszinierend anzusehen, besonders da all seine Taten einem guten Zweck dienten. Allein der Gedanke zu was er im Stande wäre wenn er ohne Gewissen wäre schauderte mich in tiefen welche ich nicht ergründen wollte.
Wir fuhren in einem gesicherten Auto nach London, die Scheiben waren Kugelsicher, die Türen gepanzert und ich glaubte das das Papa Mobil gegen diesen Schlitten wie ein Auto Scooter aussah.
Gott allein wusste was er dem Fahrer gesagt hatte wer ich war, obwohl, ich glaubte nicht das der Mann den Mut gehabt hatte den Eismann in Frage zu stellen.
Ich sah aus dem Fenster, von außen waren sie natürlich verdunkelt, die Wahrheit wäre wohl in dem entgegengesetzten Fall vielleicht dennoch die logischste Antwort, denn am Ende des Tages war ich die schwangere Enkeltochter des höchsten estländischen Mafiabosses.
Suvi Padar, es wunderte mich das ich nicht von ihr geträumt hatte, doch vielleicht hatte selbst sie sich nicht getraut, hatte doch mein Beschützer an meiner Bettseite gewacht. Der Gedanke, so absurd er auch war, brachte mich zum Lächeln.
*
Sie sah besser aus, noch waren wir nicht in Sicherheit, in keiner Auslegung des Wortes aber zu diesem Zeitpunkt wollte ich jeden Erfolg nehmen den wir bekamen.
Es zahlte sich aus für den Außendienst ausgebildet zu sein, etwas das ich nicht zum ersten Mal feststellte, immerhin waren schlaflose Nächte so etwas wie ein inoffizielles Hobby meinerseits.
Ob nun wegen Angelegenheiten der Krone, des Landes oder meines kleinen Bruders, es schien immer einen Umstand zu geben welcher mir nur liebend gerne die Ruhe stehlen wollte.
Doch ich sah es letzterem immer nach, selbst nach all den Jahren in denen er mir nichts als Verachtung, wenn es schlecht lief oder kälte, wenn es gut lief, entgegen gebracht hatte. Es war immerhin meine Schuld, ich hatte unseren Eltern gezeigt wo mein Herz lag und sie hatten es ausgenutzt.
Nun saß das Herz meines Bruders neben mir in dem Wagen der uns zu meinem Haus brachte. Ich fragte mich was sie dachte aber wagte es nicht sie aus ihren Gedanken zu reißen, ein leichtes Lächeln lag auf ihren Lippen, das war gut, sie hatte noch einen langen Weg vor sich, ich musste besser darin werden sie abzulenken wenn ich sie über Wasser halten wollte.
Moriarty war besser als gedacht, ich sammelte alles was ich über ihn und seine Vergangenheit finden konnte doch es war wie im Nebel nach einem fünf Pence Stück zu suchen. Ich würde ihn zwangsläufig aus seiner Deckung ziehen, schon weil ich wusste das früher oder später auch Sherlock sich diesem Kurs anschließen würde aber bis dahin musste ich allein Suchen.
Müde rieb ich mir über das Gesicht, es schien mir als kämpfte ich an zu vielen Fronten gleichzeitig, doch sie alle verließen sich auf mich also würde ich durchhalten.
Sich zu kümmern brachte wahrlich keinen Vorteil und doch würde ich niemals damit aufhören.
*
„Ich hatte mir dein Haus anders vorgestellt" sagte Becca kaum das wir durch die Tür getreten waren, ich schloss eben jene, ihre Habseligkeiten waren längst gebracht und eingeräumt worden.
Ein lächeln legte sich auf meine Lippen als ich zu ihr sah.
„Und hier war ich" sagte ich ein Grinsen eher schlecht als recht unterdrückend „denkend das dieses Haus perfekt zu mir passt"
„Wenn man dich nicht kennt vielleicht" meinte sie bloß und ging in das nächste Zimmer das sie sah, es sollte mich stören aber es wärmte mich wie wohl sie sich in meinem Heim zu fühlen schien, selbst Sherlock ging nicht so frei und sorglos durch diese Flure.
Sie stand im Zigarren Zimmer, früher hatten dort die Männer nach dem Essen über Geschäfte gesprochen und geraucht, nun war es eher ein Ort an dem ich las oder einen Whiskey vor dem Kamin trank. Ihre Stirn lag in Falten.
„Warum hast du es nicht umdekoriert nachdem du es geerbt hast?"
Ich sah sie erstaunt an „Woher weiß du das ich es geerbt habe?"
„Von dir" ich kämpfte gegen den Impuls mir gegen die eigene Stirn zu schlagen, ich war tatsächlich zwei Mal auf den selben Trick derselben Frau reingefallen, schlimmer wurde diese Tatsache von dem Umstand gemacht das ich ihn ihr beigebracht hatte.
„Außerdem sieht er" sie deutete auf das Portrait meines Urgroßvaters über dem Kamin „Sherlock ähnlich"
„Hast du jemals daran gedacht für die Regierung zu arbeiten?"
Ihre Talente schrien gerade danach gefördert zu werden, sie war eine ausgezeichnete Schützin, war schnell darin Lösungen zu finden wenn sie etwas wollte und schien ein Talent fürs Überleben schlechter Aussichten zu haben. Dazu kam ein wacher Verstand und ein anpassungsfähiges Gewissen.
„Mir einen Job anzubieten lässt mich nicht vergessen das ich dir eine Frage gestellt habe."
War es normal das ich sie nun noch mehr in meinen Diensten wollte?
Sie sah amüsiert aus, ich zeigte ihr an sich zu setzen, sie sollte so lange nicht stehen, ein Augenrollen aber ein ehrliches Lächeln waren der Lohn für meine Sorge.
„Ich habe nie denn Sinn darin gesehen etwas zu verändern, alles ist in bester Kondition, erfüllt seinen Zweck und ist seit langem im Familienbesitz" erklärte ich wahrheitsgemäß als sie sich in den Sessel fallen ließ und ich den ihr gegenüberliegenden besetzte.
„Nicht alles im Leben muss einen Sinn haben" eröffnete sie mir ein Stück von ihrer persönlichen Weisheit. „Manchmal sollte man auch einfach Dinge tun die einen glücklich machen"
Darin lag vermutlich das Problem. Sie erkannte es zeitgleich mit mir und sah mich aus großen blauen Augen voller Mitgefühl an als sie hauchte.
„Oh Mycroft"
*
Ich war ein schrecklicher Mensch, das ich niemals wirklich gut gewesen war, war mir lange klar gewesen aber ich hatte in all diesen Wochen nie gesehen wie, nicht unglücklich aber fern des Glückes mein bester Freund war.
Er schien diesen Umstand nicht einmal wirklich realisiert zu haben oder ihn gar als wichtig erachtet. Sein ganzes Leben lang hatte er Dinge für andere getan, namentlich Sherlock und seine Eltern, ohne sich zu Fragen was ihn selbst erfüllen würde.
Wie hatte mir dies entgehen können, war es nicht die logische Schlussfolgerung von allem was ich über ihn gelernt hatte?
Gott ich war ein Goldfisch.
Doch einer mit einem Plan, keinem guten oder gar fertigen, gut vielleicht war es auch mehr eine Idee aber auch jene konnten zu guten Dingen werden wenn man sie nur pflegte und am Ende auch umsetzte.
Meine Mission war es nunmehr herauszufinden was den Eismann glücklich machte, es war nur fair und zudem würde es mich ablenken.
Es gab nur Gewinner.
Mein Gesicht schien meine Absichten zu verraten denn mein gegenüber sah mich an als überlegte er ob sich aus dem Fenster zu werfen eine gute Alternative zu dem wäre was ich vorhatte.
*
„Ich glaube nicht das dies eine gute Idee ist"
„Vertrau mir, es war gut genug mich abzulenken als ich auf Entzug war und es hat mich glücklich gemacht"
Ich musste lernen nein zu ihr zu sagen dachte ich im selben Moment in dem ich mich nachgeben fühlte, ich seufzte und setzte mich auf die andere Seite des Bettes in dem sie nunmehr lag.
Sie hatte in ihrer unendlichen Sturheit beschlossen das sie mich glücklich machen wollte, ich war nicht unglücklich aber ich sah kaum Sinn darin Dinge zu tun die keinen direkten Einfluss auf etwas bedeutsames hatten.
Doch ich hätte ebenso gut mit der Wand hinter ihr argumentieren können, sie hatte sich festgefressen an dieser Idee. Ich wusste nicht ob es ein gutes oder schlechtes Zeichen war das sie diese beeinflussende Macht auch auf meinen Bruder hatte.
Waren Holmes Männer nichts als Marionetten in diesen kleinen Händen?
*
Ich versuchte nicht allzu triumphierend zu Grinsen als er sich dazu heranließ sich neben mich zu setzen damit wir uns einen Film ansehen konnten, wie ich einst zu Sherlock gesagt hatte, das machte viel mehr Spaß wenn man es nicht alleine tat.
„Das nächste Mal sollten wir uns Popcorn mit nach oben nehmen"
„Ich werde es auf die Einkaufliste setzen" sein Ton tropfte vor Sarkasmus und doch wusste ich das er es tun würde.
Den Fernseher einschaltend stellte ich zufrieden fest das er einen Netflix Account hatte, wenn ich raten müsste war er weniger als vierundzwanzig Stunden alt.
Er war ein Softie unser Eismann.
Ich spürte ein zustimmendes Flattern in meinem Bauch, breit Lächelnd keuchte ich überrascht aber überglücklich auf, die Ärzte hatten mir zwar versichert das Baby Holmes in Ordnung war aber es machte einen Unterschied ob man etwas gesagt bekam oder ob man es fühlte.
Meine Finger fanden die Stelle und in meinen Augen sammelten sich Tränen purer Freude, nunmehr sah ich erneut zur Seite, zufrieden feststellend das ich nun mein Glück teilen konnte.
„Es bewegt sich" sagte ich atemlos. „Ich hatte solche Angst aber nun.."
„Ich auch" gestand mir Mycroft mit leisen Worten, ich nahm seine Hand und legte sie auf meinen Bauch, er würde nichts spüren können aber trotzdem kam es mir richtig vor. Seine Finger lagen warm auf dem Stoff meiner Bluse.
„Du hast es übrigens geschafft" sagte er, ein ehrliches lächeln auf seinen Lippen „nun bin ich glücklich"
Mein Lachen fühlte sich wie ein Schlag der Befreiung an, es war so unglaublich, die Liebe für seine Familie schien unendlich und tief wie der Ozean.
*
Sie legte ihre Hand über meine, ich fühlte nichts als die veränderte Form ihrer Mitte und die Wärme ihres Körpers unter meinen Fingern aber das Wissen was tatsächlich in ihr wohnte machte diese Geste wertvoller als alles Gold der Bank von England.
Für einen Moment war alles in Ordnung, für einen Augenblick schien alles an seinem Platz zu sein, doch dann verging er und die Erkenntnis das dem nicht so war kam in unsere Gedanken zurück, doch wie immer wusste sie was von Nöten war.
„Denk ja nicht das dich das davor bewahrt mit mir Avengers zu schauen"
*
„Sag mir das es nun vorbei ist" sagte Mycroft später als der Film sich dem Ende zuneigte, besser gesagt die Schlacht vorbei war.
„Du kannst mir nichts vormachen Mycroft Holmes" sagte ich, seinen Blick suchend, findend und haltend. „Es hat dir gefallen"
„Diese Aussage nützt dir nichts wenn du sie nicht beweisen kannst" meinte er und sah zurück auf den Bildschirm.
Ich lachte so sehr über diese trockene Aussage aus seiner Vergangenheit gepaart mit dem sturem Gesichtsausdrucks eines Kindes das man kalt erwischt hatte das ich ganz vergaß ihm meine Worte mit Fakten zu unterlegen.
*
Nach dem Film, über den ich lieber gar nicht nachdenken wollte, hatte ich Becca dazu überreden können noch eine Stunde oder zwei zu schlafen, sie brauchte ihre Ruhe und ich hatte noch einige Dinge die meiner Aufmerksamkeit bedurften.
Ich sah auf mein Mobiltelefon, es war so eingestellt gewesen das nur Anrufe von Anthea oder dem Premierminister selbst durchgestellt wurden, so hatte ich die Anrufe des kleinen blonden Arztes, mit dem mein Bruder zu leben pflegte, verpasst.
Manchmal hatte ich also doch Glück.
Die Ärzte sagten das Sherlock immer noch mit Niemandem sprach, auch das Foto seiner, wie er sie nannte, Frau hatte ihm keinen Mucks entlocken können, nunmehr war es wohl zu Ende gegangen mit der Geduld des ehemaligen Soldaten, beinah wunderte ich mich das er so lange durchgehalten hatte ohne sich zu beschweren.
Dem würde ich jedoch vorerst kein Gehör schenken, ich hatte bei weitem wichtigeres zu tun und ja dazu gehörte auch das anschauen sinnloser Filme mit meiner besten Freundin. Die Anrufe löschend lief ich in mein Arbeitszimmer.
*
Es war schön wieder in London zu sein, selbst wenn sich Mycrofts Anwesen kaum wie die belebte Stadt anfühlte die ich so liebte. Ich hatte auch nie viel Zeit in diesem Teil der Stadt verbracht, dies war die Gegend der Herrenhäuser mit prächtigen Gärten, wo Menschen wie ich schneller vertrieben wurden als wir auch nur unsere Dinge ablegen konnten.
Dieser Teil meiner Vergangenheit fühlte sich sogleich so fern und doch so unumstößlich nahe an, so als würde es mich nie verlassen, dieses Gefühl nichts zu haben und jeden Tag um mein Leben kämpfen zu müssen. Vielleicht weil ich es nun immer noch musste oder weil ich immer noch nichts hatte.
John hatte mir eine Ausbildung schenken wollen damit ich endlich damit beginnen konnte auf eigenen Beinen zu stehen aber diese Chance war mir von Jim Moriarty und seinem Wahnsinn gestohlen worden.
Was nun aus mir werden würde war unklar, Mycroft bestand darauf das ich meinen Unterricht erhielt, zum einen um mich zu beschäftigen aber bestimmt auch weil er von meinem Geburtstagsgeschenk gewusst hatte.
Ich wünschte mir Sherlock, mit ihm an meiner Seite hatte ich mir über derartig, wie er sagen würde, banale Dinge niemals Gedanken gemacht. Ein Blick in seine einzigartigen Augen und all meine Zweifel und Ängste wären vergessen.
Mycroft hatte gesagt ich sollte mich ausruhen, vielleicht noch etwas schlafen aber nun konnte ich nur an den Vater meines Kindes denken, wie sehr ich ihn vermisste, was er meinetwegen durchmachte und wie unsere Zukunft wohl aussehen würde.
Mein Herz brach als ich mir vorstellte wie er in seinem Zimmer in der Klinik saß und niemanden hatte der ihm beistand. Sie sagten das wäre das Beste für ihn aber sie kannten ihn nicht, er war sensibel, selbst wenn er wollte das die ganze Welt das Gegenteil annahm, ich wusste es, auch deshalb brannte der Gedanke wie Säure.
Wäre ich bei ihm würde ich ihn so fest in meine Arme schließen das es unmöglich wäre uns je wieder zu trennen. Wie eine ertrinkende würde ich mich an ihn klammern und um Vergebung bitten.
Für einen Moment wollte ich mich aus dem Haus schleichen und zu ihm fahren, doch ich legte eine Hand auf meinen Bauch und verwarf diese verzweifelte Idee mit einer Träne der Trauer.
Es musste sein, all dies war Nötig, doch das bedeutete nicht das es mir gefiel.
Doch ich hatte meine Besten Freunde: Verdrängung und Mycroft Holmes.
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