Fragen und überlegte Antworten
Nachdem wir uns den Rest des Hauses angesehen hatten aber bevor wir zum Essen kommen sollten nahm ich meine Jungs (ohne Mycroft, nach seinem Verrat gehörte er nicht mehr dazu) zur Seite um ihnen meine Entscheidung mitzuteilen. „Wir werden die Wahrheit soweit beugen wie wir können, wir lassen Sachen weg oder beschönigen das ein oder andere aber was ich nicht tun möchte ist Lügen. Meine Vergangenheit ist ein Teil von mir, es wird Zeit das ich sie annehme."
Als John daraufhin viel zu hoffnungsvoll aussah fügte ich zur Klarstellung lieber gleich noch an das das nicht bedeutete dass ich eine Therapie wollte. Er wirkte ein wenig geknickt aber fing sich recht schnell wieder, das war weder der Ort oder die Zeit um diese Diskussion wieder aufzunehmen.
Wir saßen an dem Esstisch in der Küche, es war gemütlich, ich hatte befürchtet Sherlocks Eltern wären unnahbar oder kalt, das wir an einer riesen Tafel essen würden und dabei schweigen herrschte. Die Holmes Brüder waren aber die einzigen die gelangweilt und unnahbar wirkten. Dennoch war die Stimmung angenehm, Violet erzählte uns woher sie das Rezept für den Auflauf hatte den sie servierte. Das ein ehemaliger Schulkamerad von Mycroft im Herbst heiraten würde und sie eingeladen hatte, ein stiller Vorwurf welcher vom Eismann gekonnt ignoriert wurde.
Es war so eine leichte Atmosphäre besonders als John anfing von seinen Abenteuern mit dem weltweit einzigen Consulting Detektiv zu erzählen, ich hatte immer geglaubt das der Blog schon interessant war aber ihn zu hören war noch einmal ganz anders. Als ich lachen musste als er wieder vom Sonnensystem sprach spürte ich nicht zum ersten Mal Sherlocks Augen auf mir, er hielt meinen Blick als ich zu ihm sah. Ich verlor mich kurz in seinen ausdruckstarken Augen.
Deshalb traf es mich auch wie ein Peitschenhieb als die Frage kam vor der ich mich gefürchtet hatte, wie hatte ich vergessen können dass ich hier nicht wirklich hin gehörte.
„Wie habt ihr euch kennen gelernt?" sie sprachen damit uns beide an, ein Blick zu Sherlock sagte mir deutlich das er bereit war, was auch immer zu tun sollte ich es wünschen, ich müsste es ihm nur signalisieren. Unter dem Tisch drückte ich seine Hand, nahm all meinen Mut zusammen und beschloss so nah an der Wahrheit zu bleiben wie möglich.
„Ich hatte Anfang Januar einen wirklich schlechten Tag und Sherlock muss es mir angesehen haben, denn er hielt auf seinem Weg zum Laden inne und nahm sich die Zeit meinen Tag zu retten." Oder eben auch mein ganzes Leben.
Mycroft schnaubte aber hielt den Rand. Ich wusste ja selbst das das nach etwas klang das Sherlock nicht tun würde aber das war der netteste Weg zu umschreiben was passiert war. Ich hatte nicht gelogen, nur untertrieben.
„In Ordnung" verdammt sie kannte ihren Sohn, die Skepsis war wohl angebracht, ich wusste es wäre glaubwürdiger gewesen zu sagen das ich als Klientin zu ihm gekommen war und daraufhin hätte er sich in mich verliebt. Obwohl wenn das möglich wäre, es wäre bestimmt schon passiert. Ich meine, in seinen Jahren als Detektiv muss er doch hunderten schönen und begehrenswerten Frauen begegnet sein. Ich war nichts besonders aber sie Umstände unseres Zusammentreffens und unsere Liebe waren es.
„Da sind sie aber schnell eingezogen. Was haben ihre Eltern dazu gesagt?" gleich zwei Preisfragen innerhalb von fünf Minuten. Ich konnte es ihnen aber nicht verübeln, ich sah meinem Alter entsprechend aus, da war es naheliegend anzunehmen das meine Eltern noch lebten und eine Meinung darüber hatten wenn ihre Tochter zu einem Mann zog den sie kaum kannte.
Ich räusperte mich, es tat auch nach all den Jahren und den Entwicklungen der letzten Wochen immer noch weh die Worte auszusprechen „Meine Eltern sind tot. Meine Pflegeeltern waren" Monster, ich stockte wissend das ich das nicht sagen konnte und griff mir instinktiv an die Stelle an der Dave meinen Arm gebrochen hatte, als ich das merkte zwang ich meine Hände wieder nach unten. Blickkontakt zu halten hatte ich damit auch aufgegeben. „Sie waren froh als ich nicht mehr ihr Problem war." das nahm ich zumindest an, Sue und ich hatten nicht angehalten um nach ihrer Meinung zu fragen.
„Pflegefamilie?" Mrs Holmes klang bestürzt, das war besser als die Reaktionen mit denen ich gerechnet hatte. Namentlich Abscheu und Misstrauen. „Sie hatten also keine Familie die sie aufnehmen konnte." logische Schlussfolgerung, keine dumme Frage danach, langsam erkannte ich die Holmes Begabung. Ich nickte dennoch zur Bestätigung ihrer Worte. Tapfer jegliche Emotionen zurückdrängend.
Sie fasste wieder an den Arm ihres Mannes und ich hatte das Gefühl sie würde gerne meine Hand tätscheln. „So ganz allein auf der Welt." so konnte man es auch beschreiben aber so richtig allein war ich nur eine Zeit lang gewesen. Nach Sue, vor meiner Rettung.
„Nicht mehr" sagte John neben mir, er legte mir eine Hand auf die Schulter und hatte recht mit dem was er sagte, ich hatte drei Menschen in meinem Leben die es kümmerte was mit mir passierte. So viele waren es zeitgleich noch nie gewesen fiel mir auf.
Violet hatte bestimmt noch mehr Fragen, nicht das ich es ihr verübeln konnte meine Antworten waren für alles andere zu wage gewesen aber sie hielt sich zurück. Entweder weil sie mir ansah das ich mit mir kämpfte darüber zu sprechen oder sie hatte Sherlocks Blick gesehen.
Wahrscheinlich das zweite den sie wartete bis wir allein waren um ihre Fragen wieder aufzunehmen. Ich hatte nach dem Essen angeboten ihr beim Abräumen des Tisches und dem Abwasch des Geschirrs zu helfen, was sie dankend angenommen hatte. Auf Sherlocks fragenden Blick hin hatte ich ihm zu verstehen gegeben das es in Ordnung war, er könnte mich ruhig alleine lassen. Vielleicht fiel es mir ja leichter zu sprechen ohne die anderen acht Augen auf mir.
„Sie kommen ursprünglich aber nicht aus London oder?" erstaunt sah ich sie an, ich hatte mir immer eingebildet zu sprechen wie ein Kind Londons, ich hoffte sie meinte nur einen Dialekt und nicht das sie magischer Weise hören konnte das ich in Estland geboren und teilweise aufgezogen wurde.
„Wir hatten ein hübsches kleines Haus in Parr" wieder keine direkte Antwort, ich wurde dort nicht geboren auch wenn ich das immer angenommen hatte. Aber so log ich auch nicht. Zu sagen Rebecca war in Parr geboren würde auch komisch klingen, ich hatte wenig Lust in einer Zwangsjacke abgeholt zu werden weil ich von mir in der dritten Person sprach.
„Schöne kleine Stadt, ich glaube gelesen zu haben das es dort erst vor kurzem eine Explosion in einem kleinen Landhaus gegeben hat." mir fiel beinah der Teller aus der Hand den ich abtrocknen sollte. Vorher hätte ich mich retten können aber diese Reaktion sagte ihr wohl alles. Verdammt, sie war gut. Oder ich war schlecht. Wahrscheinlich ein wenig von Beidem.
„J-Ja das habe i-ich auch gehört." wortwörtlich hatte ich die Explosion gehört, ich nahm einen tiefen Atemzug als mich die Erinnerung daran zu übermannen drohte, beinah konnte ich den Rauch riechen. Die Hitze auf meinem Gesicht spüren. Sie nahm mir den Teller aus der Hand „Ich glaube der ist trocken genug." sie lächelte mich immer noch an, warum war sie nicht beunruhigter, wenn sie doch wusste das ich mehr Informationen verschwieg als ich teilte.
„Ist in Ordnung, ich weiß das sie meinem Sohn nicht weh tun werden. Und irgendwann, wenn wir uns besser kennen, erzählen sie mir vielleicht ihre Geheimnisse. Bis dahin kann ich damit zufrieden sein das sie so viel Anstand hatten nicht zu lügen." oh ja, sie war ihre Mutter. Ich lächelte auch wenn ich immer noch ein wenig zittrig war.
Und das reichte ihr anscheinend, sie begann wieder von allem zu erzählen was ihr so in den Sinn kam.
*
Ich war beeindruckt, meine Mutter hatte nicht nur durch unsere beschönigte Version gesehen, nein sogar die Explosion hatte sie mit uns in Verbindung gebracht. Wenn ich ehrlich mit mir war musste ich zugeben dass ich sie unterschätzt hatte. Aber es war nicht zu unserem Nachteil, Rebecca wirkte sogar regelrecht erleichtert. Ich hatte sie mir geschnappt noch bevor wir zu irgendeiner anderen Sache gezwungen werden konnten.
Schon wieder machte es mir weniger aus als sonst etwas zu tun das entgegen meiner normalen Gewohnheiten war. Es war richtig gewesen ihr nichts von dem Päckchen sowie dessen Inhalt zu sagen, auch ich hatte nicht gelogen, nur eine Information weggelassen und sie in dem Glauben gelassen dieser Ausflug diente ihrer Erholung. Wenn ich sah wie sie bei unserem Spaziergang an der frischen Landluft aufblühte war es das wert.
Ob meine Eltern sie mochten oder nicht bedeutete mir so wenig wie die Tatsache das Mycroft es nicht tat. Ihre Meinung über Rebecca oder über die Art unserer Beziehung würde an eben jener nichts ändern. Ich würde lediglich Aufpassen das sie nicht verletzt wurde, egal auf welche Weise. Sie war meine Frau und das war meine Aufgabe.
*
(20.06.2015 – Hampshire, England)
Es war stockdunkel, demnach mitten in der Nacht als ich aufwachte. Bei dem kleinen Bett hatte mein Lockenkopf Glück das mich nur der unbändige Durst nach Orangensaft geweckt hatte und kein Alptraum. Der Rest meines ersten Tages mit der Kernfamilie Holmes war gut verlaufen, mir wurden keine weiteren Fragen zu meiner Vergangenheit gestellt und aufgrund des allgemeinen Grummelns der Brüder wurden auch keine peinlichen Kindheits- oder Jugendgeschichten erzählt. Schade eigentlich.
Mycroft hatte sich die meiste Zeit über mit seinem Laptop in seinem Zimmer eingebunkert, nicht das ich ihn unbedingt um mich brauchte. Ich war lange mit Sherlock spazieren gewesen, er hatte mir gezeigt wo er als kleiner Junge Pirat gespielt hatte, nun da ich ein klares Bild davon hatte wie er ausgesehen hatte, konnte ich es mir beinah wie in einem Film vor meinen Augen vorstellen.
Danach hatte ich zusammen mit John, Mrs Holmes bei der Vorbereitung für das Abendessen geholfen. Welches an sich eine entspannte Sache gewesen war, so viele regelmäßige Mahlzeiten würden mich noch verfetten wenn das so weiter ging. Denn Violet schien nur glücklich zu sein wenn sie mir etwas zu essen anbieten konnte und ich es annahm. Im Fernsehen hieß es immer nur Großmütter taten sowas.
Auch deshalb bewegte ich mich langsam unter den Decken hervor, sie hatten gesagt ich solle mich wie zu Hause fühlen also würden sie bestimmt nichts dagegen haben wenn ich mir etwas zu trinken nahm. Mit nackten Füßen ging ich so leise wie möglich aus dem Zimmer, die Treppe hinunter in die Küche. Kurz fröstelte es mich in meinem kurzen Pyjamas als ich den Kühlschrak öffnete.
„Jeah" sagte ich im Singsang als ich tatsächlich O-Saft fand. „So viel Freude über ein wenig Saft" erschrocken drehte ich mich um, die kühle Flasche gegen meine Brust drückend. Als ich jedoch erkannte das dort kein messerstechender Fremder hinter mir stand sondern Siger Holmes entspannte ich mich wieder etwas.
„Oh ja" sagte ich als mir einfiel das er mich ja angesprochen hatte, ich schloss den Kühlschrank und wand mich wieder zu ihm „Ich hoffe es macht ihnen nichts aus" er winkte ab und holte mir sogar ein Glas aus dem Schrank. Mir fiel auf das ich mit ihm noch nicht wirklich gesprochen hatte, er war ruhiger als seine Frau, Gegensätze ziehen sich ja bekanntlich an.
„Ich hoffe ich habe sie nicht geweckt" das war das letzte was ich gewollt hatte. Auch hier beruhigte er mich „Ich habe einen leichten Schlaf, wir wohnen schon so viele Jahre allein in diesem Haus, da hört man jedes Geräusch in der Nacht" er setzte sich auf einen der Stühle, ich tat es ihm nach, er schien sich unterhalten zu wollen.
„Auch das tapsen von so leisen Füßen." ich musste kurz lachen aber bemühte mich leise zu sein. Der kühle Saft in dieser warmen Nacht war eine Genugtuung, ich nahm noch einen Schluck. „Ich bin ganz froh das sie es sind die ich hier erwischt habe."
„Wirklich?" fragte ich unsicher, er hatte nicht so gewirkt als hätte er unbedingt mit mir reden müssen am Tag zuvor aber er war nett und nichts an seinem Gesichtsausdruck beunruhigte mich.
„Ja, wissen sie, ich habe sie beobachtet." das er das sagen konnte und es hinbekam das es nicht merkwürdig oder gruselig rüberkam war erstaunlich aber vielleicht war es auch die Tatsache das ich es gewohnt war von Holmes Männern unter die Lupe genommen zu werden, das ich so ruhig bleiben konnte.
„Und auch Sherlock" fügte er an „Wenn er sie ansieht, so habe ich ihn noch nie gesehen. Er liebt sie." ich bekam rosa Wangen und verträumte Augen bei der Erinnerung seiner Stimme als er mir genau das Gestanden hatte. Aber noch bevor ich etwas erwidern konnte sprach Siger weiter, er hatte mir anscheint mehr zu sagen also hörte ich zu.
„Ich hatte immer Angst dass eines Tages eine Frau kommen und meinen Jungen ausnutzen würde. Er ist brillant und ich weiß auch das er sich für Gewöhnlich nichts aus derlei Dingen macht aber dennoch....als Eltern macht man sich immer Sorgen. Egal wie erwachsen oder schlau die Kinder werden."
Ich wollte ihm sagen dass ich lieber sterben würde als Sherlock weh zu tun oder ihn gar auszunutzen, ich wusste alles sah danach aus. Ich hatte keinen Job und lebte bei ihm, er kaufte auch all meine Sachen aber sollte ich das Gefühl bekommen das er diese Dinge tat weil er sich verpflichtet fühlte oder das er es nicht mehr wollte würde ich gehen, ich könnte allein Leben, auf der Straße zur Not. Wir hatten diese Abmachung getroffen um mich von der Sucht loszubekommen, das war seine Entscheidung gewesen aber das konnte ich ja so nicht seinem Vater sagen.
„Ich wollte ihnen Danken" das überraschte mich etwas, er sah es mir wahrscheinlich an oder er wollte so wie so weiter sprechen „Seit heute habe ich diese Sorge nicht mehr. Denn wenn sie ihn ansehen, strahlen ihre Augen beinah noch mehr als seine. Sie lieben ihn auch."
„Das tue ich" bestätigte ich ihm, ich würde es auf jede Bibel der Welt schwören denn es war die Wahrheit, eine der wenigen die mir geblieben waren.
„Und sie kennen seine Dämonen" ich zog leicht sie Stirn in Falten über diesen Themenwechsel doch dann sah ich wohin sein Blick ging, meine Arme, ich hatte mich so wohl gefühlt das mir nicht aufgefallen war das ich meine Narben zu schau trug. Erschrocken zog ich meine Arme an mich, was sinnlos war, hatte er sie doch längst gesehen. Und er wusste was sie bedeuteten, besonders die in meinen Armbeugen. „Ist in Ordnung, sie müssen mir nichts darüber sagen. Ich denke es ist von Vorteil das sie aus erster Hand wissen was mein Sohn durchgemacht hat und ich weiß mit Sicherheit das sein Bruder sie nicht in seiner Nähe gelassen hätte wenn sie ihn in dieses Problem zurückbringen würden."
„Ich würde lieber Sterben als Sherlock das anzutun" das war einer der Gründe warum ich auch in den gefährlichsten Nächten nicht nachgab, das Risiko war zu groß das wenn ich fiel, er fiel.
Er sah zufrieden aus als er lächelte danach tätschelte er meine Hand und sagte dann mit einem funkeln in den Augen das ihn jünger wirken ließ „Na wollen wir mal nicht gleich vom schlimmsten ausgehen. Ich kann beruhigter schlafen jetzt da ich weiß das mein Jüngster endlich einen, auch für ihn, guten Grund hat seine Finger davon zu lassen."
So hatte ich das noch nie betrachtet. Er war mein Grund stark zu bleiben aber dass er auch stark für mich blieb? Ich wusste zu wenige Details über seine Drogenzeit um zu wissen wann und ob er ohne mich in den letzten sechs Monaten schwach geworden wäre.
„Schlafen sie gut Rebecca" er stand auf und ging genau so leise wie er gekommen war. Ich lächelte, drei von vier Holmes die mich mochten war mehr als ich zu hoffen gewagt hatte, es war auch schön zu hören das die Liebe zwischen mir und Sherlock so hell strahlte das sie auch für andere, nicht nur kriminelle Superhirne, zu sehen war.
Ich trank meinen Saft aus, wusch das Glas auf und stelle alles wieder an seinen Platz bevor ich zurück ins Bett ging.
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