Der Weg zu ihr
Keine Sekunde verstreichen lassend folgte ich meinem besten Freund, verwirrt und mit pochendem Herzen aber gewillt ihn zu unterstützen. Beunruhigte es mich das wir nur in unseren Pyjamas die Treppen hinunter aus dem Haus stürmten? Ja. Würde mich das aufhalten? Nein. Das Leben mit Sherlock Holmes hatte mich schon in verrücktere Situationen gebracht.
Wenigstens hielten wir noch kurz an um uns Schuhe anzuziehen, Barfuß durch London laufen (oder wohin auch immer) war nicht gerade was ich im Kopf hatte für diese Nacht aber wann passierte schon je das von dem ich annahm es würde passieren?
„Sherlock" keuchte ich als ich abrupt zum Stehen kam als eben jener versuchte ein Taxi heran zu winken. „Was haben wir vor?"
Er sah mich einen Moment zögernd an, überlegte wahrscheinlich wie viel er mir von seinem Plan zu diesem Zeitpunkt verraten konnte ohne zu riskieren das ich die ganze Sache beendete beziehungsweise zurück ins Haus ging.
Seine Finale Aussage als er die Tür eines anhaltenden Taxis öffnete war „Wie gut bist du darin Autos aufzubrechen?"
*
„Sherlock das ist Wahnsinn" flüsterte mein Mitbewohner aber ich wusste am liebsten würde er es in die dunkle Nacht hinaus schreien. Aber da wir gerade dabei waren auf das Grundstück meines Bruders einzubrechen beschränkte er seine Lautstärke.
„Ich habe einen Plan" gab ich zurück, nicht das das auf seine Aussage einging, denn ein wenig Wahnsinn war dabei und eine kräftige Portion Verzweiflung spielte auch mit aber ich hatte zu viel zu verlieren als das ich mir Zeit zum Nachdenken und Zweifeln nehmen konnte.
John schien sich Zeit zu schaffen, denn in einen Augen funkelte definitiv ein wenig Zweifel. „Zumindest einen Teil davon" räumte ich also ein, ein wenig Ehrlichkeit jetzt würde ihn vielleicht etwas milde stimmen in Anbetracht dessen was noch kam.
„Wie viel?" er kam gleich zum Punkt mit seiner Frage, ich hatte derweil den Kameraverlauf und die Sensoren des Sicherheitssystems meines Bruders mit Hilfe eines kleinen Programmes gestört das ich von einem meiner Kontakte, für Notfälle in weiser Voraussicht einmal hatte schreiben lassen. Wir waren Geister auf dem Wohnsitz der britischen Regierung, dennoch war Vorsicht geboten.
„Zumindest weis ich was wir als nächstes tun müssen" grinste ich selbstgefällig als ich in die Richtung von Mycrofts Garage sah. Es waren immer die kleinen Dinge die große Männer zu Fall brachten.
In meinem Fall 155cm und im Fall meines Bruders war es noch weniger als das.
*
Mit militärischen Blick hielt ich Ausschau nach möglichen Gefahren oder anderen Umständen die uns auffliegen lassen könnten als Sherlock sich daran machte das Schloss der Garage zu knacken.
Das Haus des Eismannes war wie erwartet riesig, altmodisch und wenn möglich wirkte es ebenso arrogant wie sein Besitzer. Ich wusste immer noch nicht so recht was wir vor hatten aber ich Fragte lieber erstmal nichts, wir waren nahe am Wohnhaus, vielleicht schlief Mycroft mit offenem Fenster, ich wollte lieber nicht riskieren das der kühle Nachtwind meine Stimme in sein Schlafzimmer trug und ihn alarmierte.
Ich hoffte wirklich wir würden sein Auto nicht stehlen aber Sherlock hatte gefragt wie gut ich darin war Autos aufzubrechen, natürlich konnte ich das, ich war Soldat gewesen, wie oft hatten wir uns in gefährlichen Situationen alternative Beförderungsmittel organisieren müssen aber ich hatte wenig Lust dazu. Vielleicht würden wir nur etwas aus dem Fahrzeug stehlen?
Na super so weit war es gekommen. Ich war in meinen Schlafsachen auf das Grundstück eines Regierungsbeamten eingedrungen und überlegte ob ein Diebstahl von Eigentum weniger schlimm was als das stehlen eines ganzen Fahrzeugs.
Bevor ich noch weiter in meine Gedanken und die Abstrusität dieser Situation abtauchen konnte hörte ich hinter mir das klicken des Schlosses. Wir waren drin.
*
Leise Schloss ich die Tür hinter uns, das Schloss war raffiniert gewesen aber nicht annähernd so clever wie ich es angenommen hatte. Mein Bruder mochte eben altmodische Dinge, ein Fingerabdruck Sensor oder so ein Retinascanner hätten mich länger beschäftigt.
„Sherlock was machen wir hier?" flüsterte John nun da wir in der vorgetäuschten Sicherheit der Garage waren. Ich schuldete ihm wohl eine Erklärung.
„Mein Bruder ist ein Genie aber es gibt eine Sache die er nicht hat und noch nie hatte" erklärte ich und genoss es seine Schwachstelle gegen ihn einzusetzen. „Er hat so gut wie keinen Orientierungssinn was Straßen und Verkehrswege angeht. Nicht wenn er sie selbst fahren muss."
„Ich verstehe nicht" ich rollte im Schutze der Dunkelheit meine Augen, natürlich tat er das nicht. „Er lässt sich doch die meiste Zeit so wie so herumfahren."
„Ja aber nicht zu ihr, als er zu uns kam zeigten die Falten in seinem Anzug deutlich das er selbst gefahren war, auch würde er nicht riskieren in so eine Unternehmung zu viele unbeteiligte einzuweihen." Ich zweifelte nicht daran das es nur wenige Menschen auf der Welt gab die wussten das Rebecca noch am Leben war und noch weniger die wussten wo sie sich in diesem Moment aufhielt.
„Das bedeutet im Navigationssystem dieses Wagens ist ihre Adresse gespeichert." Mein Herz sang vor Hoffnung. „Deshalb meine Frage: Wie gut bist du darin Autos aufzuknacken?"
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Diese Erklärung klang logisch, ich musste schmunzeln bei dem Gedanken das der Eismann eine so gewöhnliche Schwäche hatte, niemals hätte ich dies vermutet. Gerade wenn man bedachte wie gut Sherlock die Straßen Londons navigieren konnte und das allein mit der Hilfe seines Gedächtnispalastes.
Ich sah mir den Wagen an, es war ein neues Spitzenmodell, nicht so einfach hineinzukommen ohne das richtige Werkzeug aber ich überlegte, vielleicht musste ich das auch gar nicht. Menschen die Mycroft Holmes kümmerten sich gewiss nicht selbst um den Zustand und die Sauberkeit ihrer Wagen. Dafür hatte er Personal und eben jenes hatte gewiss einen Schlüssel, dieser würde jedoch das Grundstück nicht verlassen, dazu war der Eismann ein zu großer Kontrollfreak.
Ich sah mich so gut es ging in dem Raum um, hier musste es eine Art Schlüsselkasten geben. Sherlock, das wachsame Genie schien meinen Überlegungen gefolgt zu sein. Nach ein paar Minuten hatten wir gefunden was wir suchten.
Mein bester Freund nahm den Schlüssel und schloss die beiden Vordertüren auf altmodische Art und Weise auf um das piepen der Zentralverriegelung zu umgehen.
Wir setzten uns, ich auf den Beifahrersitz und Sherlock auf den Fahrersitz in das Fahrzeug. Seine Finger flogen sofort zu dem Bordcomputer. Dieser kam in einer unangenehmen Intensität zum Leben, ich schloss kurz meine Augen um der Helligkeit entgegen zu treten.
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Meine Finger waren ruhig aber mein Herz pochte unangenehm schnell, ich war meinem Ziel so nah. Ich sah unter Mycrofts gespeicherten Zielen nach, da waren seine Büros, einige Außenposten wie Baskerville, das Haus unserer Eltern und zu guter Letzt ein Ort der Sommer genannt war. Das musste sie sein.
Suvi war Estländisch für Sommer, natürlich konnte er sich einen solchen Wortwitz nicht verkneifen, mein Bastard von einem Bruder.
Ich hatte mein Handy bereit um die Adresse zu speichern, nicht das ich es brauchte meine Erinnerung allein würde genügen aber ich konnte nichts riskieren, nicht in dieser Nacht, nicht wenn es um Rebecca ging.
Doch egal was ich auch versuchte, wie ich auch vorging, das System spuckte die Adresse nicht aus, es zeigte mir auch nicht den Punkt auf der Landkarte wo sie sich befand sondern zeigte mir immer nur die nächste Abbiegung dort hin.
Ich schloss gepeinigt meine Augen, das war nicht gut. Das bedeutete eine enorme Änderung in meinem Plan und eine noch größere Szene die dies verursachen würde. Mit schnellen Worten erklärte ich John was ich festgestellt hatte, nicht das es ihm entgangen war, seine Augen hatten auch an dem kleinen Display geklebt, bevor ich sagte „Damit bleibt uns wohl nur eines übrig" und den Garagenöffner betätigte bevor ich den Motor startete.
*
Blitzschnell und gleichzeitig viel zu langsam wurde mir klar was wir gerade taten, wir stahlen das Auto der britischen Regierung, mitten in der Nacht, welche nunmehr brutal gestört wurde von dem Geräusch des Anlassens. Ich schloss meine Augen als Sherlock mit enormer Geschwindigkeit den Wagen startete, gerade als das Tor sich soweit erhoben hatte das wir darunter durchfahren konnten. Das selbe bei dem großen Metalltor am Rand des Grundstückes.
Natürlich wusste ich warum, ohne mich umzudrehen wusste ich das in dem Herrenhaus hinter uns nunmehr die Lichter angegangen waren und wir in wenigen Minuten wahrscheinlich verfolgt werden würden. Ein guter Vorsprung war alles was uns blieb, gewiss waren mehr Ortungsgeräte im Wageninneren als ich entfernen könnte selbst wenn ich wüsste wie.
Sherlocks Augen funkelten Gefährlich als er weiterfuhr.
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Würde er mir die Polizei auf dem Hals hetzen oder selbst kommen. Oder war der Geheimdienst bereits auf meinen Fersen. So aufregend nicht zu wissen wem ich Gegenübertreten musste um für meine Frau zu kämpfen aber im Endeffekt war es auch einerlei, ich würde nur mit ihr an meiner Seite nach Hause fahren.
„Sherlock" hörte ich John vorsichtig neben mir sagen. Mein Blick verblieb auf der Straße, bei der Geschwindigkeit mit der ich fuhr war es besser so. Es war zwar mitten in der Nacht aber dennoch, ein paar schlaflose Seelen waren dennoch unterwegs. Also brummte ich nur als Zeichen das ich meinen besten Freund durchaus gehört hatte.
Er schien zu überlegen ob die Frage die er mir hatte stellen wollen wirklich angebracht war beziehungsweise wie ich darauf reagieren würde. Wahrscheinlich etwas in der Art ob ich mir das gut überlegt hatte, worauf die Antwort wäre das ich das nicht wusste, ich tat was ich für richtig hielt aber wohin mich das führte lag noch vor uns. Vielleicht wollte er auch wissen ob wir in Schwierigkeiten kommen würden wovon ich ausging aber es kümmerte mich nicht.
Am Ende landete er auf „Warum denkst du hat sie das getan?" seine Stimme war leise, seine Worte vorsichtig ausgesprochen. Es nahm mich einen Moment zurück, ich hatte bereits gesagt das ich es nicht wusste aber das war auch nicht seine Frage gewesen, er wollte wissen was ich dachte.
„Was es auch war das sie dazu getrieben hat. Es muss ihr wichtig sein. Wichtiger als" ich brach ab, denn was ich sagen wollte war wichtiger als ich, ich hasste denn Gedanken das meine Frau etwas in ihrem Leben hatte das ihr mehr bedeutete als ich es tat. Ich war ein besitzergreifender Mann.
Schlimmer als dieser Gedanke war jedoch das ich nicht einmal wusste wer oder was das war. Ich konnte mir nicht ausmalen was passiert sein musste. Welcher Grund wäre gut genug für meine Frau damit sie bei dem Plan meines Bruders mitspielte? Bald würde ich es wissen versuchte ich mich zu beruhigen.
„Eine andere interessante Frage wäre: Was auch immer es war, warum hat mein Bruder ihr geholfen beziehungsweise woher wusste er davon" Der Plan war aus seiner Feder. Daran bestand kein Zweifel, die Mittel und die perfekte Zeit Abstimmung hatte er geliefert und sie hatte einzig ihre Rolle als Julia spielen müssen.
„Das ist wahr" stimme mir John zu. Hinter seinen Augen schien auch er zu grübeln. Denn wir beide wussten alles was Mycroft wichtig war, war England und ich, mehr nicht. Was also konnte sich noch auf diese Liste geschlichen haben? Beziehungsweise wie passten diese Dinge zu seinem Verhalten?
*
Der Rest der Fahrt war still, das Navigationssystem zeigte uns nicht an wie lange wir fahren mussten aber aus Sherlocks Nachforschungen heraus konnte es nicht mehr lange sein. Mit jeder verstreichenden Minute schien Sherlocks Unruhe zu wachsen aber auch ein gewisser Glanz kehrte in seine Augen zurück mit jedem Meter den wir fuhren.
Auch ich konnte es kaum noch erwarten, es war ein anderes Gefühl als vor einer Schlacht aber eine gewisse Ähnlichkeit hatte es dennoch. Sobald wir angekommen waren mussten wir uns beeilen, es gab keinen Zweifel daran das Mycroft uns bereits auf den Fersen war, ich hoffte nur er hatte sie nicht gewarnt aber selbst wenn, wo könnte sie mitten in der Nacht hin.
Also mussten wir sie uns schnell schnappen und davonfahren. So der Plan.
*
In fünfzig Metern befindet sich das Ziel auf der rechten Seite.
Diese Worte durchschnitten die Stille im Fahrzeug wie ein heißes Messer. Mit klopfendem Herzen beobachtete ich die Markierung auf der digitalen Karte näher rücken, ich hob meinen Blick um auf die Häuser zu sehen und erkannte welches gemeint war. Abrupt brachte ich das Auto zum Stillstand.
Verschwendete keinen Gedanken daran es ordnungsgemäß zu parken oder gar abzuschließen. John ging es ähnlich. Kaum hatten die Räder aufgehört sich zu drehen stürmten wir auch schon los.
Es war das einzige Haus ohne einen Wagen oder in einigen Fällen sogar zweien in der Auffahrt. Zudem war der Garten gepflegter als bei den anderen Grundstücken. Mit jedem hastigen Schritt klopfte mein Herz schneller, in ekstatischer Vorfreude las ich, im Schein meiner Taschenlampe, den Namen auf dem Klingelschild. Ein triumphierendes Lächeln schlich sich auf mein Gesicht.
Anne Williams
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