Beschäftigungen, ungeschickt und ungewollt
(25.05.2015 – London, England)
Ich hatte Rebecca nichts von der Textnachricht erzählt, auch von denen die dieser gefolgt waren. Ich hatte ihr Strahlen gerade erst zurückbekommen, ich würde es nicht schon wieder verlieren. Das wollte er, uns Angst machen, eine dunkle Wolke über uns sein, das würde ich ihm nicht gönnen. Mit wachsamem Blick aber ohne ihr den Eindruck zu geben es sei etwas falsch wachte ich über sie.
Ein Bild hatte sie beim Einkaufen mit Mrs Hudson gezeigt, das andere war von John auf seinem Weg in die Klinik. Auch ihm hatte ich nichts gesagt, es reichte wenn ich es wusste, kein Grund die Sorgen meiner Mitbewohner zu vergrößern. Die meiste Zeit verschloss ich einfach die Tür vor diesen Drohungen, es gab schöneres was ich mit meiner Zeit anfangen konnte.
Meiner Frau, wie ich sie nur in meinen Gedanken nannte, ihr Lied vorzuspielen zum Beispiel. Der Arzt in unserem Leben hatte darauf bestanden das Rebecca ein kreatives Outlet für ihre Gefühle fand also versuchten wir es diesen Nachmittag mit Malerei. Besser gesagt sie malte und ich sorgte für eine künstlerische Atmosphäre.
Sie hatte Farbe in den Haaren, einen Pinsel in der Hand, die Staffelei vor sich und zog die Stirn in Falten, am liebsten wollte ich diese mit meinem Daumen glätten. Hilfesuchend sah sie mich aus großen blauen Augen an, irgendwie hatte sie es geschafft Farbe überall zu verteilen, sie hatte sie auf dem aussortierten Hemd (eines von meinen) das sie trug, auf ihren Beinen, dem Boden (welcher mit Zeitungen ausgelegt worden war), der Staffelei, ihren Fingern, dem Pinselgriff und ich glaubte sogar einen Spritzer an der Decke zu sehen.
„Ich bekomme langsam das Gefühl das ich komplett Talentfrei bin" sie sah auf ihr eigenes Bild, den Kopf schräg legend, die Augen zusammenkneifend. Ich trat hinter sie und musste ihr zustimmen. Das würde wohl nichts werden. „Offenkundig" es machte keinen Sinn zu Lügen, sie wusste es und sie wusste auch dass ich es wusste.
Ich legte meine Geige zur Seite, meine Hände legte ich danach auf ihre Schultern, ganz zweifelsfrei auch etwas Farbe aufnehmend. „Nur aus wissenschaftlichem Interesse: Was hast du versucht zu malen?"
Es entlockte ihr ein Lachen, sie schlug eine ihrer Hände vors Gesicht, die ohne Pinsel darin. „Eine Katze" presste sie hervor, so sehr ich mich auch anstrengte, ich sah in diesem wirr warr aus Farben, Formen und Pinselstrichen nichts was auch nur ansatzweise wie ein Tier aussah.
„Mr. Whiskers?" erinnerte ich sie an unsere Alibi Katze, besser gesagt die Katze von Scott Kingsley. „Ja aber das sieht mehr nach Schrödingers Katze aus" ich war verwirrt, wer war das schon wieder? Einer dieser Schauspieler denen sie auf Instagram folgte? Meine Unwissenheit musste deutlich auf meinem Gesicht zu sehen sein. Lachte sie mich etwa aus?
„Gut zu wissen das das Sonnensystem und die Könige Englands nicht das einzige waren, was aus dem Gedächtnis Palast gelöscht wurde." Nach einem kurzen Augenrollen stimmte ich auf ihr Lachen mit ein, wie könnte ich beleidigt sein wenn es sie glücklich machte das ich nicht alles wusste.
Als wir uns wieder beruhigt hatten wischte sie sich über die Augen, rieb etwas rosa Farbe mit ihrem Ärmel auf ihre Wangen. "Mit etwas Glück können wir beide auch dieses Bild aus unserem Gedächtnis löschen" sie deutete auf ihre Malerei. Das nicht mal John das Bild behalten wollte und nicht mal diskutierte als wir vorschlugen die Malerei sein zu lassen zeigte wohl nochmals deutlich wie schrecklich ihre, nennen wir es mal, Kunst geworden war.
Die Prinzessin kann ja nicht alles können. - JM
*
(27.05.2015 – London, England)
„Hallo?" ich war alleine, meine Stimme war leise, rau und ich hatte das Gefühl jeder Atemzug war ein Kampf. Es war dunkel und so kalt, ich erkannte wo ich war. Gleich würde ich meinen Kopf drehen und Sue würde nicht mehr da sein. Ich hatte sie nicht gehen hören, nicht mitbekommen was passiert war, warum die einzige Schwester die ich je hatte, der einzige Mensch der bis dato geschworen hatte mich niemals zu verlassen, genau das getan hatte. Es war wie ein Fluch der über mir lag, alles was ich den Menschen in meinem Leben brachte war Tod und Schmerz.
Die Szene schiftete, ich befand mich auf der Brücke, doch es war nicht jener Morgen, es war früher als das. Ich sah eine dunkle Figur in der Mitte stehen, ich ging auf ihn zu, obwohl ich das nicht wollte, der Traum trieb mich voran, das Herz schlug mir bis zum Hals, ich wollte das nicht aber ich hatte keine Kontrolle. Ich wusste auch hier was passieren würde, ich kniff die Augen zusammen, dies war ein Traum, besser gesagt eine Erinnerung. Keine die ich nochmals durchleben wollte. Zeig mir etwas anderes, schrie ich mich selbst an, Fingernägel in meine Handflächen bohrend, ob ich wohl abdrücke davon hätte sollte ich Aufwachen?
Was ich als nächstes sah ließ mich daran zweifeln ob es eine gute Idee gewesen war meinen Verstand herauszufordern sich etwas Neues auszudenken. Ich war in einem karg eingerichteten Raum, alles war grau, das Licht das durch das Fenster kam wirkte falsch, unnatürlich. Ich stand vor einem Spiegel, mein Haar war kürzer und es war von einem hellen Blond, die Narben auf meinen Armen waren verschwunden. Endlich gehorchte mir mein Körper, ich brach aus meiner Starre, der kühle Ausdruck auf meinem Gesicht wich einem keuchenden Atemzug und dem Ausdruck von Entsetzen sowie Verwirrung.
„Rebecca" schnell drehte ich mich um, sah in alle Richtungen aber da war niemand der hätte sprechen können. „Hinter dir" hörte ich die Stimme sagen, ein Akzent in ihrer Aussprache der Wörter den ich noch nie gehört hatte. Langsam, es hinauszögernd, drehte ich mich zurück zum Spiegel. Und ich sah mich selbst, nicht diese Version von mir, nein im Spiegel stand ich, braunes schulterlanges Haar, Narben auf den Unterarmen und den Armbeugen, dünner als der Körper den ich trug, der ohne Narben.
„Glaubst du an Schicksal Rebecca?" sie beugte sich etwas nach vorn, als wöllte sie mir damit ein Geheimnis verraten, ihr Lächeln sah gefährlich aus, dabei trug sie es auf meinem Gesicht. „Ich glaube dass ich träume" erwiderte ich, mich besinnend dass ich das kontrollieren konnte. Doch anscheinend war dem nicht so, so sehr ich auch wollte ich konnte nicht aufwachen oder die Szene verändern. Belustigt schaute sie mich an, wie ich versuchte und scheiterte.
„Du hast dich gefragt ob es mich gibt, tief in deinem Inneren, hinter einer Tür eingeschlossen. Und nun fürchtest du dich vor der Antwort."
Mit einem keuchen erwachte ich endlich und drückte sogleich mein Gesicht in mein Kissen, ich schrie, es musste raus, ich hatte das Gefühl das ich sie hinausbrüllen musste. Die Tränen die dabei aus meinen Augen fielen wurden von der weichen Baumwolle ausgesogen, mein Hals fing an zu schmerzen, meine ganzen Muskeln fühlten sich angespannt, fast schon überanstrengt an. Mein Kopf schmerzte, ich war so müde, ich war fertig, ich wollte nicht mehr.
Bevor ich rausbekommen konnte ob es möglich war sich mit seinem eigenen Kissen selbst zu ersticken besann ich mich eines Besseren. Ich setzte mich auf, das Kissen an meine Brust klammernd. Ich war alleine, die Stelle neben mir war kühl, er war also schon länger wach, wir waren zusammen ins Bett gegangen aber er schlief nicht immer die ganze Nacht durch, vielleicht war er auch ausgezogen weil er meine Alpträume satt hatte, verübeln könnte ich es ihm nicht. Wer würde nicht eine Nacht auf der Couch vorziehen wenn die alternative war neben einer Frau zu schlafen die öfter als nicht schweißgebadet und schreiend erwachte.
An schlaf war nicht mehr zu denken, ich stand also auf und ging auf leisen Sohlen ins Wohnzimmer. Stolz auf mich das ich den Messern in der Küche nur einen kurzen Blick zuwarf. Sherlock war anscheinend ausgegangen, er war nirgends zusehen. Demnach begnügte ich mich damit seinen Morgenmantel anzuziehen, mich auf seinem Sessel zusammenzurollen und Fern zu sehen.
Sein Geruch auf dem dunkelblauen Kleidungsstück war nur ein schwacher Trost für sein fehlen aber ich musste mich zufrieden geben mit dem was ich hatte. Und in diesem Moment war das alles was mich in der Spur hielt.
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