Aufkeimender Verdacht
[A/N: In Gedenken an Una Stubbs, unsere geliebte Mrs Hudson]
(29.07.2015 – London, England)
Als die Ärzte mich aus meinem künstlichen und von lebensechten Träumen geplagten Schlaf geweckt hatten, brauchte ich Stunden um wieder richtig bei mir zu sein. Wann immer ich aufgewacht war fühlte ich mich wie erschlagen, die Wirklichkeit lag wie eine tonnenschwere Betondecke auf mir. Mein Transport fühlte sich ausgelaugt an, schrie nach Ruhe und ich war zu benebelt um mich dagegen zu wehren.
Ich erinnerte mich nicht an alle Träume die ich gehabt hatte aber in keinem war meine Frau so lange vorgekommen wie ich es gewollt hatte, das wusste ich, ich fühlte es in meinem blutenden Herzen. Als ich wieder vernünftig wach war, wurde mir einmal mehr klar was ich verloren hatte.
Meine Gedanken glitten zu dem letzten Mal als ich in einem Krankenhaus erwacht war, damals hatte sie wie ein Engel über mich gewacht, sie hatte sich in mein Bett geschlichen und ich hatte ihr gesagt das ich sie liebte. Damals war es mir lächerlich vorgekommen es überhaupt zu erwähnen, dachte ich doch das sie es bereits wusste aber nun da sie fort war wünschte ich mir ich hätte es ihr jeden Tag gesagt.
Wünschte das ich sie in der Liebe gebadet hätte die mein Herz für sie bereithielt. Vielleicht wäre sie dann noch bei mir. Wie ein Echo drangen die Worte aus meiner ersten Drogenvision zu mir durch.
„Was wenn es niemals damit enden sollte das du sie rettest? Sherlock, sieh dir die Fakten an."
Müde senkte ich meinen Kopf zurück auf das flache Kissen. Schloss die Augen, nicht um zu schlafen, sondern um nachzudenken. Bedachte man alle Fakten, all die Dinge die geschehen waren und das ich mir sicher war sie bei mir gespürt zu haben als ich im Koma gelegen hatte kam man zu einem Schluss:
Und nein, ich hatte mir ihre Präsenz an meinem Krankenbett nicht nur eingebildet weil ich es mir so sehr wünschte sie bei mir zu haben. Ich hatte ihre Stimme gehört und ihr Haar so deutlich gerochen das es mich beinah in einen neuen Traum geschleudert hätte. Das konnte nur eines bedeuten.
Sie war nicht wirklich Tod, sie hatte es vorgetäuscht, wie einst ihre Mutter. Ihre Stimme und ihr Geruch hatten mir ein Hinweis sein sollen, mein Verstand hatte mich auf eine versteckte Wahrheit gestoßen.
Die Frage war: Warum sollte sie das tun? Und wie hatte sie es angestellt?
Ich legte meine Hände zusammengefaltet an meine Lippen. Dies war eine gefährliche Überlegung, wenn ich falsch lag (wovon ich nicht ausging) würde mich ihr Verlust erneut wie eine Kugel mitten ins Herz treffen aber wenn ich richtig lag hatte ich noch eine Chance alles grade zu biegen.
*
Nun da Sherlock richtig wach war wusste ich dass wir früher oder später darüber sprechen mussten. Wenn er nach Hause wollte musste ich sicher sein das er nicht erneut versuchen würde mit Drogen seine Sinne zu betäuben oder sich gar Umzubringen. Auch musste ich wissen was genau ihn dazu gebracht hatte sich eine Überdosis zu verabreichen.
Ich seufzte müde in meine Hände, dies würde nicht einfach werden. Er würde mauern, sich jede Information nur unter Androhung der Abschiebung in eine Klinik aus der Nase ziehen lassen und darauf beharren kein Abhängiger zu sein. Das er alles im Griff hatte und wieder in die Baker Street konnte.
Dennoch musste ich zumindest versuchen ein entsprechendes Gespräch zu führen, war ich doch der einzige lebende Mensch der zu ihm durchdringen konnte. Sein Bruder würde es mit seiner kühlen, arroganten, überbeschützenden Art nur schlimmer machen, er hatte vehement darauf bestanden Sherlock nichts von seinem neusten Stalker zu sagen, da er es im Griff hätte und die Sache erledigt wäre. Komisch aber ich hatte aufgegeben verstehen zu wollen was in den Köpfen der Holmes Brüder vor sich ging.
Ich hatte es so lang wie möglich herausgezögert aber ich wusste ich musste früher oder später zu ihm jetzt da Sherlock wieder vollständig erwacht war. Also war ich nun auf dem Weg zu seinem Zimmer, nachdem ich unsere Wohnung vollständig gereinigt hatte (außer Sherlocks Zimmer, ich hing an meinem Leben), Mrs Hudson besucht und an meinem Arbeitsplatz vorbei geschaut hatte. Wie gesagt ich war nicht erpicht auf das was zwangsläufig folgen würde.
*
Ich hatte einige Theorien aber ohne weitere Nachforschungen angestellt zu haben würde ich vorerst nicht weiter kommen. Also musste ich erstmal raus aus diesem Kasten und dann zurück an meine Wände nur das ich nunmehr nach meiner Frau und nicht nach Moriarty suchte. Wenn sie da draußen war würde ich sie finden, würde nicht ruhen bis sie wieder an meiner Seite war, wo sie hingehörte.
Langsam wurde die Tür zu meinem Verließ oder wie die Schwestern es nannten Krankenzimmer geöffnet. John trat ein und ich war froh darum. Das Pflegepersonal konnte mich aus irgendeinem Grund nicht leiden, vielleicht weil ich verlangt hatte zu wissen welches Shampoo jeder einzelne benutzte nur so dass ich ausschließen konnte das der Geruch den ich wahrgenommen hatte kein Zufall gewesen war. Oder es lag daran das ich generell ein schrecklicher Patient war der sich, wenn er sich nicht beschwerte, daran machte flüchten zu wollen.
Aber egal was es war, eines war klar: Niemand in diesem Krankenhaus benutzte in der Zeit meiner Hospitalisierung das süßlich riechende Shampoo das auch Rebecca so geliebt hatte, liebte berichtigte ich mich. Sie lebte und ich würde sie finden. Aus diesem Gedanken heraus lächelte ich meinen Mitbewohner an welcher vorsichtig um die Seite der geöffneten Tür lugte. Er wollte wohl abschätzen wie meine Stimmung war, hatte aus Angst davor bereits alles Mögliche getan seinen Besuch aufzuschieben. Gott sei Dank war ihm der Fensterreiniger ausgegangen sonst hätte ich wohl noch Stunden warten müssen.
Er sah erleichtert aus das ich ihn aus aufmerksamen Augen und mit neutralem Gesichtsausdruck ansah. Mit dieser Erkenntnis ging er mit sicheren Schritten auf mich zu. „Sherlock" grüßte er mich leise und setzte sich dann auf einen der unbequemen Stühle neben meinem Bett, er schien einiges auf der Seele zu haben, ich erkannte es an der Art wie seine Gesichtsmuskeln im Takt seiner Gedanken ihren Ausdruck wechselten.
Anscheinend wusste er nicht wie er dieses Gespräche beginnen sollte, auch deshalb nahm ich ihm diese Entscheidung ab in dem ich mit „Es tut mir leid John" startete. Zum einen weil es das wirklich tat und zum anderen weil ich so schnell wie möglich nach Hause wollte um meine Ermittlungen weiterzuführen beziehungsweise in eine neue Richtung aufzunehmen.
Erstaunt schnellte der Blick meines Mitbewohners zu mir, damit schien er nicht gerechnet zu haben, ich beschloss das es an der Zeit war an meinem Versprechen zu arbeiten ein besserer Freund zu sein.
„Ich hatte gehofft ihr näher zu sein." Gestand ich ihm den Grund für meinen Rückfall, er sah mich geduldig an, gab mir Raum zu sprechen, unterbrach mich nicht mit den Gedanken und der Meinung die er bestimmt zu diesem Thema hatte. Ich war dankbar dafür, es war nicht einfach mich zu öffnen aber wenn es jemand verdient hatte eine Erklärung zu bekommen dann war es mein bester Freund. Der Schmerz an meinen Rippen ließ keinen Zweifel daran das er mir das Leben gerettet hatte. Wie hatte ich mich nur so verschätzen können?
Vielleicht, drang ein nagender Gedanke an mich heran, hatte ich das nicht, vielleicht hatte ein Teil von mir näher bei ihr sein wollen als der Rest von mir. Dies war jedoch jetzt egal, sie lebte und zwangsläufig würde ich sie finden. Dies konnte ich jedoch John noch nicht sagen. Er würde es weder verstehen noch die These für glaubwürdig erachten. Als die Fantasy eines Trauernden würde er es abstempeln und mich in eine Irrenanstalt bringen sollte ich nicht davon ablassen.
„Die Drogen sollten mir helfen sie zu sehen und das Gefühl nachzustellen das sie mir gegeben hat." Führte ich meine Erklärung deshalb weiter. Traurigkeit aber auch Verständnis zeichneten sich auf Johns Gesicht ab. Er hatte immer gewusst wie viel sie mir bedeutet hatte, wahrscheinlich noch bevor ich es mir selbst eingestanden hatte. Der Wunsch sie bei mir spüren zu wollen war deshalb nicht unverständlich für ihn, dennoch hieß er meine Methode nicht gut, das wusste ich ohne ihn ansehen zu müssen.
Dennoch suchte ich seinen Blick, ich fand so viel Zuneigung in seinen blauen Augen das es mich beinah dazu brachte ihm die ganze Wahrheit zu sagen aber die kalte Logik in meinem Kopf hielt mich zurück. Die Zeit dafür würde kommen, wenn ich Beweise hatte, wenn ich mehr wusste als ich es zu diesem Zeitpunkt tat.
„Doch es hat nicht funktioniert." Zumindest nicht wie ich es gewollt hatte, es hatte meine Augen für eine unerkannte Wahrheit geöffnet aber ich würde den Teufel tun das John zu sagen. „Ich werde es niemals wieder tun." Dieser Punkt war wichtig, er musste mir das glauben ansonsten würde er mich nicht aus dem Krankenhaus in die Baker Street kommen lassen. Einen Umweg durch eine sinnlose und überteuerte Entzugsklinik musste ich jedoch unter allen Umständen vermeiden.
Zeit war ein wichtiger Faktor, ich durfte sie nicht verlieren. Auch würde mir eine Therapie beim vierten (ich glaube es wäre dann das vierte mal aber es war auch möglich das ich einige Besuche gelöscht hatte) Mal genauso wenig bringen wie es die vorherigen getan hatten.
John sah mich zweifelnd an, sagte jedoch vorerst kein Wort. Ich musste nachlegen „Es wäre unlogisch. Ich habe eine perfekte Zusammensetzung bewusstseinserweiternderen Drogen gewählt und habe nicht erreicht was ich wollte. Warum sollte ich es erneut versuchen".
Leider brachten meine Worte etwas anderes als Verständnis und Sicherheit in John zum Vorschein, vielmehr hatte ich seine unterschwellig schlummernde Wut geweckt. „Perfekte Zusammensetzung" wiederholte er meine Worte ungläubig und eine Oktave zu hoch. Ich konnte sehen wie es in ihm brodelte, ich stählte mich gegen seinen nunmehr unabwendbaren Ausbruch, welcher in weniger als Zwanzig Sekunden folgen würde.
„Sherlock du wärst fast GESTORBEN" er ballte seine Hände zu Fäusten und stand auf, da er dies im Sitzen anscheinend nicht sagen konnte. „Du lagst sterbend am Boden" und ich hatte den dumpfen Schmerz auf meiner Brust um zu wissen was er als nächstes sagen würde „Ich musste dich WIEDERBELEBEN"
Es besser wissend als eine Erklärung abgeben zu wollen hörte ich ihm aufmerksam zu, bemühte mich darum keinen Gesichtsausdruck zu wählen der seine Rage weiter entfachte. Es tat mir ehrlich leid und ich schämte mich das er dies hatte tun müssen aber wahrscheinlich nicht in dem Ausmaß wie er, oder mein Bruder, dies gerne hätten.
„Nichts davon war in Ordnung oder LOGISCH" er bebte unter seinen Worten, es war eine Sicht die man nicht alle Tage bekam. Er war angespannt wie ein überdehntes Gummiband, zum Reißen bereit. „Weißt du eigentlich wie sehr es uns verletzt hat zu glauben das wir auch dich verlieren würden?"
Daran hatte ich nicht gedacht, er schien genau das von meinem Gesicht lesen zu können. „Aber natürlich hast du daran nicht gedacht. Alles worum es dir ging war bei ihr zu sein oder wenigstens das Gefühl zu haben. Doch weißt du was" er sammelte sich kurz als er pausierte, meinen Blick einfangend. „Selbst Rebecca würde dir hierfür denn Arsch aufreißen. Wie glaubst du würde sie es finden das du einfach Rückfällig wirst?"
Es tat weh ihn diese Worte sagen zu hören auch weil es bedeutete das wenn sie lebte, mein beinah Tod sie nicht zu mir zurückgebracht hatte. Warum hatte sie nicht früher nach mir gesehen, war bei mir geblieben. Wusste sie nicht was ich tat? War sie so weit weg das sie nicht rechtzeitig davon erfahren hatte? Ich durfte nicht daran denken das dies vielleicht ein Argument gegen meine Theorie war, das durfte einfach nicht sein.
Niedergeschlagen sah ich auf meine Hände, ja selbst meine zarte, liebevolle Rebecca würde wohl wenig begeistert von mir sein, auch wenn ich bezweifelte das sie Johns rage erreichen würde. Er wetterte weiter über rücksichtsloses Verhalten, Konsequenzen und allerlei damit verbundene Dinge. Ich hörte mehr oder minder geduldig zu, ließ es über mich ergehen, dies war die mindeste Strafe die ich verdiente.
„Ich habe mich verkalkuliert und es tut mir aufrichtig leid, John." Sagte ich als seine Worte leiser wurden und er sich wieder zu einer Konversation bereit schien. Er setzte ich kraftlos zurück auf seinen Platz. „Wenn ich könnte würde ich es ungeschehen machen aber das kann ich nicht." Gut hier log ich etwas aber ich wusste ich tat es gut genug um nicht erwischt zu werden. „Ich kann dir nur versprechen das ich ab jetzt die Finger davon lassen werde. Trauer ist eine unbekannte Größe in meinem Leben und ich hoffe das du mir helfen kannst damit umzugehen."
Sein Blick wurde nun wieder sanft und verständnisvoll, ich hatte ihn nicht verdient. „Bitte John" flüsterte ich, schmolz mit diesen Worten auch noch den Rest seines Wiederstandes. Er nickte erst langsam und dann deutlicher. „In Ordnung" presste er hervor, sich bemühend seine Emotionen nicht überhand nehmen zu lassen. „Ich helfe dir aber du musst mir versprechen nie wieder so etwas Dummes zu machen. Ich kann euch nicht Beide verlieren."
Ich unterdrückte ein Augenrollen sowie einen Kommentar dazu das ich dies doch bereits versprochen hatte, stattdessen nickte ich bestätigend. Wichtig war das ich aus dem Krankenhaus kam und mich daran machen konnte meine Frau zu suchen. Denn selbst wenn sie mich nicht an meinem beinah Sterbebett besucht hatte liebte ich sie und würde erst ruhen wenn ich sie wieder in meinen Armen hielt.
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