Alte und neue Fälle
(09.02.2015 - London, England)
Ich hatte beschlossen meinem Bruder diesen Fall zu lösen, ich brauchte ihn noch um Rebeccas Vorstrafen auszusortieren. Seine Frage was Rebecca für mich war, impliziert darin, was sie mir bedeutete, hatte ich keiner Antwort gewürdigt. Nur teilweise, weil ich selbst keine wusste. Als Rebecca wieder ins Wohnzimmer kam, ging ich auf sie zu um ihr ihre Kette wieder zu geben.
Sie sammelte ihre Haare in ihren Händen um mir die Arbeit zu erleichtern. Wir waren uns so nahe das ich die Wärme ihres Körpers spüren konnte, ich wusste nicht warum aber jedes Mal wenn ich spürte wie warm sie war überkam mich ein zartes Glücksgefühl. Ich erinnerte mich nur zu gut an das Gefühl ihres ausgekühlten Körpers in meinen Armen. Umso schöner war das Gefühl von warmer Haut unter meinen Fingerspitzen als ich die Kette verschloss.
Sie lächelte als sie sich herumdrehte um mich anzusehen, keinen Schritt zurückweichend. Ihre dunkelblauen Augen waren voller Fragen aber auch Dankbarkeit. Dankbarkeit? ich konnte nicht anders als an ihre Bitte denken zu meinen Ermittlungen mitgenommen zu werden. Sie wollte etwas zurückgeben. Konnte sie nicht sehen das es nichts gab für das ich etwas im Gegenzug erwartete?
Alles was John und ich für die getan hatten, taten wir gern, wir mochten sie in unserer Wohnung, in unseren Leben. Natürlich war es normal sich Gedanken zu machen wie das alles weitergehen sollte aber ich war nicht normal. Ich mochte keine langweiligen Pläne, das war für gewöhnliche Menschen mit gewöhnlichen Leben. Nichts für John und mich und ja auch Rebecca.
Sie war nicht wie John, der Adrenalin und den Reiz der Gefahr brauchte. Mit klarem Blick war sie wahrscheinlich, wie mein Bruder sagen würde ein ganz normaler, wenn auch traumatisierter Goldfisch. Doch wiederstrebte es mir sie so zu sehen.
„Nimmst du den Fall an?" fragte sie leise in die Stille zwischen uns. Die Frage war zeitgleich die Frage ob ich weggehen würde sobald John kam, wie ich es immer tat wenn ich Ermittlungen anstellte. Ich nickte und lies die Stille zurückkehren.
*
Er wollte wahrscheinlich über den Fall nachdenken oder in seinem Gedächtnispalast feucht durchwischen, was auch immer es war, mehr als klar dass er nicht reden wollte. Deshalb setzte ich mich mit Johns Laptop auf das Sofa, während Sherlock sich auf seinen Sessel fallen ließ.
Vor einigen Tagen hatte ich den Blog einer Frau gefunden, die auch eine Suchterkrankung hinter sich hatte, ihre Geschichte war ganz anderes als meine und dennoch waren wir bei derselben, fatalen Lösung gelandet. Es gab mir Kraft über ihren Leidensweg zu lesen und über die Erfahrungen die sie gemacht hatte.
Es war ein wenig wie auf der Straße mit all den anderen Straßenkindern, wir hatten uns gern Geschichten erzählt um die Kälte und den Hunger zu vergessen. Manchmal echte Lebenserfahrungen und manchmal auch vollkommen Ausgedachte Erzählungen, alles Mögliche nur um die Stille zu füllen. Die Erinnerung an platinblondes Haar überkam mich.
„Prinzessin Rebecca" flüsterte Sue in die Nacht hinein. Ihre kleine Schwester hatte ihren Kopf in ihrem Schoß, sie war von einem Albtraum erwacht. Sue hasste es Becca so aufgelöst zu sehen. Sie würde alles dafür tun damit es der kleinen irgendwann besser ging als jetzt. Ihr war klar wie krank das klang, war sie doch diejenige gewesen die Rebecca aus dem Haus ihrer Pflegeeltern in ein Leben auf der Straße gezogen hatte.
Sie war schuld daran das Becca seit zwei Tagen nichts Richtiges gegessen hatte, das sie keinen richtigen Platz zum Schlafen hatten. „war reinen Herzens" sprach sie weiter und wusste das es wahr war. Rebecca war mit ihr gekommen, sie hatte ihr nicht erzählt was Dave getan hatte und dennoch hatte die Kleine gewusst dass es schlimm gewesen war, so schlimm das sie nicht bleiben konnten.
Sie gab Sue nicht die Schuld an ihrer Situation und beschwerte sich so gut wie nie. „Deshalb konnte den Fluch brechen der auf ihrer Schwester lag. Damit hatte der böse Magier nicht gerechnet. Und wie auch sein Fluch wurde auch er zu Asche und vom Wind davongetragen. Die beiden Schwestern lebten daraufhin glücklich bis ans Ende ihrer Tage". Beendete sie die Geschichte die sie seit einer halben Stunde erzählte.
Beide waren Sie eigentlich zu alt für gute Nacht Geschichten aber ihnen war auf die eine oder andere Art die Kindheit gestohlen worden, deshalb kümmerte es sie nicht. „Sue" flüsterte Rebecca in die kalte Nacht hinein „du musst versprechen dass du nicht weggehst."
Damit wurde ihr auch klar um welchen Albtraum Rebeccas es sich gehandelt hatte. Verlustängste kannten sie beide nur zu gut. „Ich würde dich nie Verlassen Becca, du bist alles was ich habe."
Der logische Teil von mir wusste das Sue tot war, ihr Versprechen an mich, mich niemals zu verlassen war ihr Heilig gewesen. Dennoch wollte ich es nicht wahrhaben und versuchte so wenig wie möglich daran zu denken. Ich hoffte, betete das sie frieden hatte, in welcher Form auch immer. Ich wäre nicht einmal Böse wenn sie ein besseres Leben ohne mich gefunden hätte. Na gut ein wenig böse wäre ich ihr wahrscheinlich schon aber nichts gegen die Erleichterung das das hieße das sie noch lebte.
Ich hatte Sherlock weder gebeten sich den Fall meiner Eltern noch Sues Verschwinden anzusehen, jeder andere hätte das wahrscheinlich getan. Es kam mir nicht richtig vor ihn um noch mehr zu bitten. Des Weiteren würde es auch nichts an der Vergangenheit ändern. Was geschehen war, war geschehen und hatte seinen Spuren hinterlassen.
Ich würde es wahrscheinlich zu diesem Zeitpunkt auch nicht verkraften zu viel an diese beiden schlimmsten Tage in meinem Leben zu denken. Geigenspiel drang an meine Ohren, Sherlock hatte gemerkt wie ich abgedriftet war und holte mich zurück. Ein Rettungsring aus Noten.
*
John kam pünktlich nach Hause um mich zu Übernehmen und noch bevor der seine Jacke richtig aus hatte, war Sherlock auch schon die Treppen hinuntergeeilt. Hinein in ein neues Abendteuer. Ich konnte es kaum erwarten davon zu hören. Der klang seiner tiefen Stimme, die über seine Fälle sprach war das beste Mittel gegen Langeweile und Traurigkeit.
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