Liebevolle Gesten
Tills Sicht: Jetzt war es raus. Ich hatte es Martha erzählt. Und sie war die Erste, der ich alles aber auch wirklich alles erzählte. Die einzige, die wusste, wie sehr ich es bereue. Die einzige, die mich je hat weinen sehen. Um ehrlich zu sein, habe ich schon lange nicht mehr geweint, erst recht nicht vor einer anderen Person. Dafür war und bin ich einfach zu verschlossen. Aber es tat gut, jemandem zu zeigen, dass auch ich Gefühle habe, Schuldgefühle, Trauer und so vieles mehr. Martha saß mir einfach nur gegenüber. Mit einem offenen Mund, saß sie da, sagte nichts, bewegte sich nicht und starrte mich einfach nur an. Ich hatte Angst, Angst was sie jetzt über mich dachte. Vielleicht denkt sie ja, dass ich ein gefühlskaltes Monster bin, dem die Gefühle und die Gesundheit anderer am Arsch vorbei gehen. Und ja für andere schien es vielleicht wirklich so zu sein, aber manche wussten eigentlich, dass ich es nicht war. Das auch ich mir Sorgen um andere machte und mich um sie kümmern würde, würde es ihnen schlecht gehen. Das ich alles andere als gefühlslos bin. Eine dieser Personen ist Martha. Am Anfang wollte ich sie von mir stoßen aber jetzt will ich sie nie wieder los lassen, sie nicht verlieren oder gar verletzt sehen. Und davor habe ich auch Angst. Angst , dass die geht, mich alleine lässt, mir nicht glaubt, das sich es bereue oder mich immer noch als ein Monster sieht. Bei dem Gedanken, sie zu verlieren ,musste ich wieder anfangen zu weinen. Die Tränen liefen über meine Wangen, bis sie an meinem Kinn abtropften und auf meiner Jeans landeten. Mein Blick war ausdruckslos. So fühlte es sich zumindest an. Ich war verwirrt... Nein, nicht ich sondern meine Gefühle. Ich war traurig, weil ich an die alten Zeiten erinnert wurde. Wütend, dass ich es erzählt habe und Martha dadurch vielleicht verlieren könnte. Wütend und verletzt, weil sie mir immer noch keine Reaktion zeigte. Glücklich, weil ich es endlich alles ausgesprochen hatte, was mich schon seit 3 Jahren beschäftigte. Aber vorallem beherrschte die Angst meinen Körper. Angst Martha, die immer noch regungslos vor mir saß ,zu verlieren. Mit meinen Worten verstörrt und abgestoßen zu haben. Es vergingen bestimmt 10 Minuten, die ich einfach nur wartete, endlich eine Reaktion von Martha zu bekommen, bis ich mich entschied zu gehen. Da ihr Arm schon lange nicht mehr um mich lag war es leicht aufzustehen. Ich wischte mir meine letzten Tränen weg, nahm meine Tasche und wollte gerade gehen, als mich eine Hand an meinem Arm packte. Ich drehte mich um und sah zu Martha, die mich anlächelte. Ich war verwirrt. Sie zeigte so lange keine Reaktion und jetzt lächelte sie mich an. Ich stellte meine Tasche wieder ab und setzte mich wieder neben Martha, welche sich gerade einen Stift aus ihrem Etui fischte und den Block in ihre Hand nahm. Das ist jetzt nicht ihr Ernst oder?! Sie will wirklich so tun, als hätte es mein Geständnis nicht gegeben. Ich war enttäuscht, enttäuscht, dass sie es nicht schätzte, wie viel Überwindung mich dieses Gespräch gekostet hatte. Martha rückte näher an mich herran, damit ich auf den Block gucken konnte. "Bisherige Probleme" war das Erste was sie schrieb. Darunter folgten die Worte "Streit, keine Akzeptanz, kindische Streiche, fehlende Offenheit, Rache, Arroganz, zu viel Stolz, Verteidigung, Verbissenheit, Kampfhund und Turnbeutel Streite..." Ich schaute sie nur entgeistert an. Wollte sie mir jetzt auch noch alles aufführen, was nicht nur die letzten Jahre sondern auch die letzten Tage falsch gelaufen war? Aber antstatt zu stoppen schrieb sie weiter. "Bisherige gute Sachen: Versöhungen, neue Freundschaften, entstandene Offenheit und Ehrlichkeit, eine neue Gemeinschaft wurde geschaffen, Lernpatenschaften (die benötigt werden) sind entstanden, aufregende neue Erfahrungen, seit kurzem sind alle glücklich ,aber das wichtigste: es gibt nun das Kampfhund-Turnbeutel Duo" Ich musste jetzt doch ein wenig Schmunzeln. Alles was sie davor geschrieben hatte war zwar schön, von wegen ,es würden sich nun alle verstehen und wir hätten nun alle die Situation akzeptiert, aber das wichtigste, so wie sie es sagte, war wohl unsere Freundschaft. Es waren nicht viele Worte, aber es war für mich die Bestätigung, die ich brauchte, um zu wissen, dass sie mir glaubte und mich nicht wegstoßen würde. Ich sah auf und guckte Martha in die Augen. Sie waren glasig und als sich unsere Blicke trafen, konnte sie ihre Tränen wohl nicht mehr zurückhalten denn sie flossen ihr einzeln über die Wangen. Auch meine Tränen wollten nicht mehr an ihrem Platz bleiben und liefen ebenfalls an meinem Gesicht runter. Diese Situation war so absurt. Martha und ich sitzen beide auf der Tischtennisplatten und heulen, weil ich ihr etwas aus meiner Vergangenheit erzählt hatte und sie mir eben indirekt gesagt hatte, dass sie es mir nicht übel nimmt. Für manche könnte es vielleicht übertrieben rüberkommen aber sie ist mir so wichtig, ich könnte jetzt schon nicht mehr ohne sie leben. Zumindest wäre ich wohl nicht mehr so glücklich, wie ich es jetzt bin, denn so glücklich war ich schon lange nicht mehr. Mit einem Mal fiel mir Martha um den Hals, ihre Arme um meinen Hals geschlungen, ihr Gesicht in meiner Schulter vergraben und ihr Körper so nah, dass sie fast auf meinem Schoß saß. Etwas unsicher und langsam legte ich meine Arme um ihren Oberkörper und vergrub auch mein Gesicht in ihrer Schulter. Langsam begann ich mit einer Hand ihren Rücken auf und ab zu fahren. Durch ihre Nähe beruhigte ich mich ein wenig. Diese Umarmung war so anders, als die ,die ich jemals erlebt hatte. Sie war so viel inniger, emotionaler, vertrauter und so beruhigend. Ein seltsames Kribbeln begann sich in meinem Bauch breit zu machen, bis es mein schnell und unkontrolliert schlagendes Herz erreichte. Mir wurde warm, aber auf eine positive Art. Ich fühlte mich wohl und geborgen, wie bei einem Zuhause. Ich drückte Martha noch enger an mich. Zum ersten Mal traute ich mich wieder tief einzuatmen und sofort roch ich Marthas ganz eigenen Geruch. Er passte zu ihr. Sie roch nicht wie die meisten Mädchen, die ich kannte, nach irgendeinem komischen Parfüme. Sie roch gut und ich konnte nicht einmal definieren wonach sie roch. Ich wusste nur, dass ich ihren Geruch, ihre Nähe, ihre Stimme, ihre Augen, ihre Berührungen, ihren Körper ,einfach Martha nie wieder missen will. Doch da gab es einen Hacken und dieser hieß Kasimir. Kasimir ist Marthas Freund und eigentlich hat nur er das Recht sie so innig umarmen zu dürfen ,wie ich es gerade tat. So schwer es mir auch fiel, aber ich löste mich langsam von Martha ,die ebenfalls aufgehört hatte zu weinen. Wir lächelten uns einfach nur an, bis ich eine Frage stellte, die eigentlich schon längst beantwortet war, aber einerseits wollte ich es von ihr noch einmal hören und andererseits wollte ich ihr die Möglichkeit geben mir Fragen zu stellen. "Heißt das du denkst nicht ich bin ein Monster?" Der Schock über meine Frage war ich förmlich ins Gesicht geschrieben. Sie nahm meine Hände in ihre Hände und guckte mir eindringlich in die Augen. "Okay ,jetzt hör mir mal ganz genau zu Till! Du. Bist. Kein. Monster. Okay?! Ja du hast einen oder mehrere Fehler gemacht und die Kinder von früher können dir wahrscheinlich nicht verzeihen oder vergessen, was du getan hast, aber ich bin nicht eines dieser Kinder. Und du bist nicht mehr der Till von früher. Der Till, der hier vor mir sitzt ist alles andere als ein Monster. Du sorgst dich um andere Menschen, du bemühst dich zu besser, du bereust was du getan hast und du bist ein so unglaublich guter Freund. Hier vor mir könnte gerade alles sitzen aber ganz sicher kein Monster. Selbst wenn es Leute sagen sollten du bist es nicht. Niemals!" "Also verzeihst du mir?" "Was soll ich dir denn verzeihen? Du hast mir nichts getan! Ganz im Gegenteil. Okay... Wenn du es jetzt einmal brauchst, dann bitte... Ich schütte dir hiermit mein Herz aus. Till du bist mir unglaublich wichtig geworden, dass es mir fast schon Angst macht, wie wichtig du mir bist. Ich fühle mich selten so sicher, geborgen, verstanden und angenommen wie ich eben bin ,wie bei dir. Ich kann mir jetzt schon nicht mehr ein Leben ohne dich vorstellen. Ich weiß nicht was es ist aber irgendwas macht unser Freundschaft so unglaublich wichtig für mich, dass sie mir nach so kurzer Zeit so wichtig ist. Ich habe sogar manchmal darüber nachgedacht ob du mein Seelenverwandter bist, ich weiß das klingt komisch und du kannst auch gerne lachen, aber wie kann es sonst so sein, dass du mir so wichtig bist, dass ich dir so vertraue, dass ich am liebsten immer bei dir sein will und dass ich dich nie wieder verlieren will. Wenn du mich los werden willst, muss ersteinmal die Welt untergehen und dann gucken wir weiter! Hast du jetzt endlich begriffen, dass du mich nicht mehr los wirst, dass du Menschen wichtig bist, die dich nicht als Monster sehen?!" Ich glaubte es selber kaum aber ich hatte schon wieder angefangen zu weinen. Ohne auch nur ein Wort zu sagen zog ich Martha wieder in eine Umarmung. In dieser verweilten wir deutlich länger und wir lösten uns erst, als Martha die Uhrzeit bemerkte und wir leider zurück mussten. Meine Augen waren zwar rot und ein wenig geschwollen, aber das war mir egal, wir gingen trotzdem zurück in die Klasse. Auf dem Weg dorthin schwiegen wir die ganze Zeit, bis ich diese durchbrach. "Danke!" "Wofür?" "Wofür wohl?! Für deine ehrliche Rede." "Achso, ist doch klar." "Nein, überhaupt nicht. Du bist mir auch sehr wichtig." Wir lächelten uns einfach nur noch an, bis wir vor dem Klassenraum standen und ich mir mit der flachen Hand gegen die Stirn schlug. "Oh Kacke!" "Was ist?" "Naja, wir haben nichts geschrieben." "Doch." "Ja aber das ist nicht das was sie wollte. Außerdem sind es ja eher Worte, die die Situation zwischen uns, beschreiben." "Oh... Egal jetzt könne wir auch nichts ändern." "Schön, dass du da so locker siehst." "Ja das tue..." In dem Moment wurde die Tür aufgerissen und Frau Stocker stand vor uns. "Ah endlich seid ihr da, ich wollte euch schon suchen gehen." Ihr Blick haftete an mir und meinen Augen, die noch deutlich zeigten, dass ich geweint hatte. "Alles okay Till?" "Jetzt schon." Ich lächelte Martha an und sie mich. Frau Stocker schaute wie gerade eben auch schon verwirrt zwischen uns beiden hin und her. "Na dann kommt rein." Als wir wieder auf unseren Plätzen saßen konnte ich die Blicke der anderen auf mir spüren, aber ich ignorierte sie gekonnt. "Also ich möchte, dass ihr in den Gruppen noch weiterhin an den Listen arbeitet. In unserer nächsten Stunde sammel ich die Blätter dann ein und zusammen mit Herrn Chung gucke ich dann welche Wünsche wir sogar erfüllen können. Wir wissen, dass es für euch nicht einfach ist, deshalb wollen wir euch eure Wünsch so gut es geht zu erfüllen." In dem Moment klingelte auch schon die Schulglocke und die Pause begann.
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