30.
„Feier deine Ecken und Kanten. Diamanten sind auch nicht rund."
Julie PoV:
Eigentlich hatte ich ja für den nächsten Tag nur geplant das Essen zu machen und dann für ein paar Stunden Masons Familie zu ertragen. Und egal ob ich sie mochte oder nicht, ich wollte ein gutes Bild hinterlassen, um meinem alten Rudel alle Ehre zu machen. Aber dafür wollte ich mich nicht verstellen.
Tja, da hatte ich die Rechnung wohl ohne meinen beschissenen Mate gemacht. Jener wollte nämlich unbedingt alles perfekt machen, damit seine Eltern auch nichts zu Meckern hatten und vor allem, dass sie mich mochten. Es schien ihm überaus wichtig zu sein, aber mir ging sein Gehabe ziemlich schnell auf die Nerven.
Es fing ja schon damit an, dass er das Haus von irgendwelche Putzkräften auf Vordermann bringen ließ, und das schon am frühen Morgen. Und wenn ich sage, früh, dann meine ich auch früh! Ich hab noch geschlafen, da schmiss die Erste schon den Staubsauger an. Die Nächste stürmte einfach in mein Zimmer, welches ich wegen des Deals mit Mason nicht verbarrikadiert hatte, und riss mich so unsanft aus meinem Schlaf.
Ich verstand überhaupt nicht, was diese ältere Frau in meinem Zimmer putzen wollte, immerhin wohnte ich hier noch nicht mal eine Woche und alles war sauber und ordentlich. Außerdem würden seine Eltern doch eh nicht diesen Raum betreten. Also, warum durfte ich nicht ausschlafen?!?
Und auch nach diesem unerfreulichen Morgen, ging meine Stimmung nicht gerade aufwärts. Ich hatte zwar ein leckeres Frühstück bekommen, aber als dann Clarry mit ein paar Einkaufstüten in der Hand aufkreuzte, bekam meine Laune den nächsten Dämpfer verpasst. Mason hatte sie nämlich damit beauftragt, mir angemessene Kleidung für heute Abend zu besorgen, da er anscheinend mitbekommen hatte, dass ich keine Kleider besaß. Aber er empfand es als wichtig, dass ich heute eines anzog.
Auch dies ließ ich mehr oder weniger über mich ergehen. Aber das lag hauptsächlich daran, dass Clarry mit keine schickimicki Kleider gekauft hatte. Während ich also alle Kleider mal anprobierte, die mir einigermaßen gefielen, konnte ich eins nicht vergessen. Snows Idee bezüglich Clarry. Sollte ich es gleich jetzt machen? Einfach so?
Nein, das wäre nicht gerecht. Damit würde ich immerhin ihre Privatsphäre missachten. Ich sollte sie lieber vorher fragen, und ihr auch erklären, warum ich in ihre Seele schauen möchte. Aber vielleicht sollte ich es nicht unbedingt heute machen. Es wäre sicherlich ziemlich unangenehm mit Kopfschmerzen vor Masons Eltern zu sitzen.
Ich hatte mich am Ende zu einem weinrotem Hemdkleid überreden lassen. Es hatte einen Gürtel um die Hüfte, und genau bis dorthin reichten auch nur die Knöpfe. Das Kleid im Ganzen reichte mir etwa bis zur Hälfte meiner Oberschenkel. Dazu hatte Clarry mir eine schwarze Strumpfhose aufgezwungen. Mir wäre ja eine Leggings lieber, das war auch bequemer, aber nein, das war nicht schick genug.
Aber bevor ich diese Sachen endgültig anziehen durfte, musste ich erst in die Wanne, meine Beine rasieren und so weiter. Das volle Pflegeprogramm eben. Aber denkt jetzt nicht, dass ich mit dem Anziehen der Klamotten dann endlich erlöst wurde. Nein. Das wäre ja auch zu schön gewesen.
Clarry schminkte mich nämlich anschließend noch, und frisierte mir zusätzlich noch die Haare. Hierbei übertrieb sie es wenigstens nicht allzu sehr, damit ich mich nicht komplett verstellen musste. Auch das Make-Up blieb dezent.
Bis wir mit all diesen Dingen endlich mal fertig wurden, war es auch schon Mittagszeit. Und da Masons Eltern etwa eine Stunde vor dem Abendessen kommen wollten, beschloss ich schonmal alle Dinge zusammen zu suchen, die ich beim Kochen benötigen würde.
Mason bekam ich erst gegen Nachmittag zu Gesicht. Jener hatte mich einfach den ganzen Tag lang alleine gelassen mit diesen energiegeladenen Putzfrauen. Clarry war nämlich auch gleich verschwunden, als sie hier alles erledigt hatte, und da ich ja immer noch unter Hausarrest stand, konnte ich nicht so einfach gehen.
Und da ich den ganzen Tag lang von den Putzfrauen umher gescheucht wurde, weil ich ihnen imme wieder im Weg stand, zeigte ich Mason die kalte Schulter. Ich hatte die Schnauze gestrichen voll, meine Laune war im Keller und Snow sich auspowern lassen, konnte ich auch noch nicht.
„Ich bin wieder da.", rief mir Mason nun schon zum zehnten Mal zu, aber ich regte mich nicht. Ich hatte beschlossen die kleine hausinterne Bibliothek mit meinen Büchern zu füllen, und da würde ich sicherlich nicht alles stehen und liegen lassen, um Mason zu begrüßen. Das würde ich unter normalen Umständen ja sowieso nicht.
„Hey! Wieso antwortest du mir denn nicht? Geht's dir nicht gut?", fragte Mason, als er die Bibliothek betrat und mich besorgt musterte. Ich schenkte ihm allerdings weiterhin keine Beachtung, sondern konzentrierte mich völlig auf meine kleinen Schätze.
„Julie? Hab ich irgendwas falsch gemacht, oder warum redest du nicht mit mir?", redete der Idiot weiter und kam nun auf mich zu. Als er mich am Arm packte und mich zu sich herum drehte, hätte ich beinahe meine neuste Trilogie fallen gelassen vor Schreck. Nachdem ich mich allerdings wieder gefasst hatte, bedachte ich Mason mit meinem besten Killerblick, sodass er etwas zurück zuckte und mich wieder frei gab.
„Sei froh, dass ich mich an meine Versprechen halte. Sonst hättest du dieses beschissene Essen für deine Eltern nämlich alleine kochen können.", knurrte ich immer noch mies gelaunt und knallte den restlichen Bücherstapel in meiner Hand auf das Fensterbrett zu meiner linken.
„Was ist denn los?"
„Was los ist? Ist das dein scheiß Ernst?! Mein Tag war einfach die Hölle, vor allem mit diesen durchgeknallten Putzfrauen, aber ich konnte ja nicht gehen ohne Begleitschutz. Aber der feine Herr hat sich natürlich den ganzen Tag frei genommen.", fauchte ich stinksauer und versuchte ihn mit meinem Zeigefinger zu erdolchen.
„Aber ich-", weiter kam er nicht mit seiner Entschuldigung, Ausrede oder was auch immer. Ich hatte keine Lust mir diesen Mist anzuhören, also unterbrach ich ihn augenblicklich und stellte klar, was hier Sache war.
„Lass mich heute einfach in Ruhe, komm mir nicht in die Quere und alles ist gut. Ich spiele heute Abend das liebe, brave Mädchen, immerhin habe ich es ja versprochen, aber lass dir lieber mal eine gute Erklärung für meinen mehr als beschissenen Tag einfallen, an dem du die Schuld trägst.", knurrte ich ein letztes Mal, bevor ich den Raum verließ und stattdessen in die Küche ging. Dort fing ich nun auch mal an alles vorzubereiten. Ich hatte diesen Nudelauflauf mit Bolognese noch nie gemacht, also würde es sicherlich etwas mehr Zeit in Anspruch nehmen.
Das erste Problem bestand bei mir schon darin herauszufinden, wie viel Salz ich ins Wasser streuen musste, damit ich die Nudeln in "Salzwasser" bissfest kochen konnte. Eine Piese? Ein Teelöffel, oder doch lieber einen Esslöffel voll? Naja, wird schon keinen Unterschied machen ... und außerdem: Viel hilft viel!
Während also die Nudeln vor sich hin köchelten, machte ich mich ans Schneiden von zwei Zwiebeln und zwei Knoblauchzehen. Das Weinen blieb dabei natürlich auch nicht aus, aber mein wesentlich größeres Problem bestand eher darin, dass ich mir beinahe die Finger abhackte. Und das immer und immer wieder.
Aber ich schaffte es ohne Verletzungen durch diese Phase, und schmiss die kleinen Würfel in eine Pfanne mit Öl.
„Bis hierhin läuft es doch ganz gut.", dachte ich mir ... und wahrscheinlich hatte ich mit nur diesem einen Satz meinen Untergang besiegelt. Denn ab hier ging es nur noch Berg ab.
Danach kamen nämlich diese beschissenen Gewürzen, bei denen man ja abschmecken musste. Da ich allerdings keine Ahnung hatte, wie diese Gewürze schmeckten, die auf der Liste standen, streute ich einfach von allem ein bisschen. Also kam als erstes Tarta, dann Salz, Pfeffer und so ein seltsames Pizzagewürz.
„Scheiße, scheiße, scheiße!", brüllte ich wenige Minuten später, als ich mir nun doch noch in die Finger geschnitten hatte, als ich gerade dabei war Kohlrabi und Möhren in feine Stifte zu schneiden. Schnell quoll das Blut hervor, weshalb ich meine Hand unter Wasser hielt.
„Was ist passiert?", stürmte Mason nun in die Küche. Ich hatte schon mitbekommen, dass er wie ein Wachhund vor der Tür gestanden hatte, sich aber nicht traute herein zu kommen. Gute Entscheidung!
„Ich hab mich nur geschnitten, halb so schlimm. Also kannst du auch gleich wieder verschwinden.", knurrte ich warnend. Ich hatte meine Worte von vorhin ernst gemeint und würde sie auch nicht zurück nehmen. Ich war sauer und wenn er in meine Nähe kam, dann würde ich es an ihm auslassen. Und das versuchte ich gerade noch irgendwie zu verhindern.
Wie ein geschlagener Hund senkte er betroffen den Blick und zog sich schließlich wieder zurück. Allerdings erst, nachdem er mir ein Pflaster hingelegt hatte.
Beim restliche Kochen hatte ich nicht am Chaos gespart, sodass ich mir nun ziemlich sicher war, dass dieses Essen sogar eine Armee außer gefecht setzen konnte. Aber ich hatte mein bestes gegeben und konnte jetzt nur noch hoffen, während die Auflaufform im Ofen verweilte.
Und während ich so wartete, überlegte ich mir schon mal einen Notfallplan. Pizza hatten wir keine mehr nach gestern Abend, aber dafür fertige Lasagne, die man nur noch in den Ofen schieben musste. Das könnte ich als Plan B verwenden.
Den Tisch hatte Mason schon gedeckt und auch einige Getränke in die Küche gestellt, damit nachher alles schnell gehen konnte. Und wenn ich so auf die Uhr sah, dann wurde mir klar, dass Masons Familie in nicht einmal zehn Minuten auf der Türschwelle stehen würden.
Um mich noch etwas abzulenken räumte ich schnell die Küche wieder auf. Diese sah nämlich aus, als wäre ein Sturm hindurch gejagt. Und da ich mir nicht so sicher war, ob Masons Mutter sich nicht doch hier drinnen umschauen würde, wollte ich lieber nicht gleich so wirken, als wäre ich das Chaos in Person.
Und dann war es soweit. Ein kräftiges Klopfen an der Tür riss mich aus meinen Gedanken und ließen mich aufschrecken. Ich sprang regelrecht aus der Küche, um gemeinsam mit Mason die Tür zu öffnen und diesen Abend endlich hinter mich zu bringen.
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