29.
„Lass dich fallen und schau wer dir beim Aufstehen hilft."
Julie PoV:
Die nächste Stunde hatte ich mich komplett Ausgepowert, indem ich die Trainingsgeräte im Keller in vollem Umfang genutzt hatte. Am längsten hatte ich mich bei den Sandsäcken aufgehalten und mir vorgestellt, dass ich anstelle dieses Boxsackes Mason mit meinen Schlägen malträtiert würde. Aber auch dies verlor schließlich seinen Reiz.
Können wir nicht lieber durch den Wald rennen, anstatt hier auf dem Laufband auf der Stelle zu Joggen? Das ist doch soooo öde!, jammerte Snow in meinem Inneren. Sie beklagte sich schon die ganze Zeit, aber ich konnte es nicht ändern. Wenn ich durch den Wald rennen würde, dann sicherlich nur mit Anstands-Wauwau, oder Mason. Und dafür hatte ich gerade keinen Nerv. Also musste ich mich hiermit begnügen.
Tut mir leid, meine Süße, aber ich kann da leider nix machen., entschuldigte ich mich gefühlt zum tausendsten Mal bei meiner inneren Wölfin. Vielleicht würde ich Mason ja nachher noch davon überzeugen können, dass ich mit Clarry mal eine Runde durch den Wald rennen durfte. Sie war mir als Begleitung wesentlich lieber als Mason oder Taylor. Und da könnte ich sie gleich noch etwas besser kennenlernen.
Ich kenne da eine einfachere Methode, um sie schnell etwas besser kennen zu lernen ..., murmelte Snow leise, aber noch gut verständlich, und brachte mich mit ihren Worten völlig aus dem Konzept. Ich stolperte plötzlich über meine eigenen Füße und fiel nach vorne, sodass ich mit dem Knien auf dem Laufband aufschlug, mich aber gerade noch so mit den Händen auffangen konnte, damit mein Kopf nicht ebenfalls Bekanntschaft mit dem Boden machte.
In diesem graziösen Akt hatte ich einen erschrockenen Schrei ausgelassen, der natürlich gleich ein lautes Poltern im Erdgeschoss auslöste. Und keine Minute später stieß Mason auch schon alarmiert die Tür zum Trainingsraum auf. Angriffsbereit musterte er den Raum, bis er registrierte, dass ich allein war. Als er mich dann fragend musterte, verharrte sein Blick an meinen Beinen.
„Was ist passiert?", fragte er ehrlich besorgt und kam nun auf mich zugelaufen. Ich musste meinen Kopf in den Nacken legen, damit ich sein Gesicht sehen konnte, als er schließlich vor mir zum Stehen kam. Aber glücklicherweise musste ich dies nicht lange aushalten, weil Mason vor mir in die Hocke ging.
„Nichts"
„Lüg mich ja nicht an! Du bist eindeutig vom Laufband gefallen, also sag mir den Grund dafür. Du wirst ja wohl kaum nur aus Tollpatschigkeit gefallen sein.", erwiderte er grimmig und sah mir nun ernst in die Augen. Ich seufzte nur erschöpft.
„Snow hat mich abgelenkt.", gestand ich mit leiser Stimme.
„Deine innere Wölfin?"
„Nein, meine imaginäre Freundin. Natürlich meine innere Wölfin, du Idiot.", schnaubte ich abfällig. Hatte ich ihm nicht sogar schon mal von meiner inneren Wölfin erzählt?
„Jetzt werd nicht gleich wieder zickig. Ich bin nicht schuld an deinen Verletzungen.", verteidigte er sich sofort und deutete auf meine Knie. Verwirrt lief ich meinen Blick ebenfalls dorthin schweifen und bemerkte, dass beide Knie aufgeschürft waren und leicht bluteten. Das hatte ich vorher überhaupt nicht wahrgenommen.
Genau! Sei jetzt nicht sauer auf ihn, nur weil ich dich abgelenkt habe. Immerhin ist er hier sofort zu deiner Rettung gekommen., stimmte Snow Mason auch noch zu. Und ich kam nicht umhin einzusehen, dass Mason wirklich sofort alles stehen und liegen gelassen hatte, nur um mich vor was auch immer zu retten, mich zu beschützen. Das war ja schon irgendwie süß.
„Entschuldige.", sagte ich aufrichtig. Kurz sah er mich nur verdattert an, bevor sich ein fettes Grinsen auf seine Lippen schlich.
„Unglaublich! Ich wusste überhaupt nicht, dass dieses Wort in deinem Wortschatz existiert.", kam es mit einer Ernsthaftigkeit über seine Lippen, die mich gleich wieder auf hundertachtzig brachte. Ich wollte gerade alles wieder zurück nehmen und ihn einen Kopf kürzer machen, da nahm er mich plötzlich auf seine Arme und stand mit mir auf. Schnell schlang ich meine Arme um seinen Hals, da ich fürchtete er würde mich sonst noch fallen lassen.
„Was wird das, wenn fertig ist?", fragte ich skeptisch nach. Das mir diese Position unangenehm war, versuchte ich so gut wie möglich zu verbergen.
„Wir müssen dein Knie verarzten. Und der erste Hilfe Koffer ist oben im Bad, also trag ich dich nach oben, oder willst du lieber selber laufen?", erwiderte Mason nur grinsend und machte Anstalten mich wieder abzusetzen, aber ich befürchtete, dass ich nicht wirklich auftreten konnte, also schüttelte ich den Kopf.
Wie eine Braut trug er mich nun also nach oben und setzte mich erst wieder auf den Badewannenrand ab. Dann holte er alles aus dem Koffer, was er benötigte und begann mich zu verarzten. Bei dem Desinfektionsmittel zuckte ich etwas zusammen, was Mason nicht entging, weshalb er noch vorsichtiger wurde.
Ist er nicht süß? Und fürsorglich? Und heiß?, schmachtete Snow in meinem Inneren vor sich hin, sodass ich am liebsten den Kopf schütteln würde, um ihre Stimme zu vertreiben. Ich wollte das nicht hören.
Hey, du kleine Quaselstrippe, wieso bist du denn heute so mitteilsam? Sonst hältst du dich doch auch immer zurück., fragte ich skeptisch nach, während ich Mason immer im Augen behielt. Er brauchte nicht zu wissen, dass ich mich schon wieder mit Snow unterhielt, und erst recht nicht über welches Thema.
Mir ist eben langweilig. Und außerdem muss hier ja mal jemand dafür sorgen, dass ihr beide zueinander findet!, antwortete sie mir auch promt. Damit hatte ich jetzt nicht gerechnet.
Du Verräterin! Hast du es vorhin etwa darauf abgesehen gehabt, dass ich mich verletze und er dann den Retter in der Not spielt?, kam es geschockt von mir. Aber das würde sie mir doch nicht wirklich antun, oder? Manipulieren, ja, das würde ich auch machen, aber nicht sowas hier.
Nein! Niemals! Mein Vorschlag bezüglich unserer Gabe war ernst gemeint., Snow schnaufte sauer. Es kratzte an ihrem Ego, dass ich ihr sowas zutraute, das merkte ich. Aber an eine Entschuldigung konnte ich nicht denken, da ihr Vorschlag mich zu sehr überrascht hatte.
Bitte was? Hast du etwa schon vergessen, was die Konsequenzen dafür sind? Sie konnte doch nicht ernsthaft denken, dass ich das einfach so machen würde. Beim letzten Mal hatte mich diese verfluchte Gabe zwei Tage lang außer Gefecht gesetzt.
Nein, aber Clarry ist kein Alpha oder Beta, also wird es schon nicht so schlimm. Außerdem hast du dann endlich Gewissheit darüber, ob du ihr wirklich vertrauen kannst oder nicht., erklärte Snow sich, was mich kurz stocken ließ. Vielleicht hatte sie ja doch recht ...Ich war mir so unsicher, wegen dieser Beziehung zwischen Clarry und mir. Aber ich brauchte hier jemanden, dem ich alles anvertrauen konnte, ohne befürchten zu müssen, dass derjenige gleich zu Mason rennen und petzen würde. Aber auf der anderen Seite wollte ich auch nicht wieder solche Schmerzen haben ...
„-ulie? Hörst du mir überhaupt zu?", registrierte ich plötzlich Masons Stimme und sah ihn verwundert an. Hatte er etwas gesagt? Oh man, ich war schon wieder völlig in mein Inneres abgetaucht.
„Was?", kam es deshalb recht geistreich von mir, was Mason nur den Kopf schütteln ließ, aber er sagte nichts weiter dazu, was ich ihm hoch anrechnete. Immerhin wusste ich ja wie neugierig er war.
„Ich hab dich gefragt, was du nachher zum Abendessen willst.", wiederholte er sich also noch einmal. Ich überlegte kurz, aber eigentlich war es mir egal, was es zu Essen gab. Also zuckte ich nur mit den Schultern, was ihn wiederum aufseufzen ließ.
„Hast du denn nicht, was du gerne isst?", fragte er mich ruhig, als er einen Verband um mein Knie wickelte. Fasziniert sah ich seinen geschickten Fingern dabei zu, wie er in windeseile mit dem Verbinden fertig war.
„Nicht wirklich. Koch einfach irgendwas, hauptsache es schmeckt. "
Am Abend, kurz bevor es Essen gab, kamen wieder mal Clarry und Taylor vorbei, um uns Gesellschaft zu leisten. Clarry hatte sich sofort angeboten Mason beim Kochen zu helfen, während Taylor im Trainingsraum verschwand. Er würde sich sicherlich nicht so dusselig anstellen wie ich.
„Hey, wieso kochst du eigentlich nicht mit, Julie?", fragte Clarry mich nach einer Weile und sah kurz über ihre Schulter hinweg zu mir. Bis jetzt hatte ich nur beeindruckt dabei zugesehen, wie gut Mason kochen konnte. Und da stellte sich mir natürlich auch die Frage, wieso er nicht morgen für das Essen mit seinen Eltern kochen konnte. Das würde alles soviel leichter machen.
„Weil diese schöne Küche sonst nicht lange stehen, und zusätzlich alle von euch eine Magenverstimmung bekommen würden.", erinnerte ich sie an unser Gespräch von Gestern. Ich war so froh, dass meine Mutter mich hier nicht mehr zwingen konnte zu Kochen. Mit so einer großen Distanz zwischen uns konnte sie ihre Idee, mich zu einem Kochprofie auszubilden, vergessen.
„Ach, so schlimm kannst du doch nicht sein. Dir fehlt bestimmt einfach nur die Übung.", meinte sie freudig strahlend. Wenn sie nur wüsste ...
„Nein, glaub mir, Erfahrung hab ich genug und genau aus diesem Grund weiß ich wovon ich rede.", widersprach ich ihr prompt. Sie sah mich noch für einen Moment ungläubig an, bis sich auf einmal ein unangenehmer Geruch ausbreitete. Es roch ... verbrannt.
„Was machst du denn da Clarry?!", kam es erschrocken von Mason, als er die Brünette vom Herd weg zerrte, wo genau in diesem Moment eine Pfanne entflammte. Auch ich schrak von meinem Stuhl hoch, als schließlich auch noch der Rauchmelder anging. Mason reagierte allerdings schnell genug und legte den Deckel auf die Pfanne, um das Feuer zu ersticken.
„Entschuldigt, ich hab nicht richtig aufgepasst.", schrie Clarry über den Lärm des Feuermelders hinweg. Es war einfach zu laut hier drin. Also ging wir drei nach draußen in den Flur, wo uns auch schon Taylor entgegenkam.
„Piepst da etwa der Rauchmelder?", fragte er verwirrt nach, während er automatisch seine Mate in seine Arme zog, um sie in Sicherheit zu wissen. Ich sah Mason an, dass er genau dies auch gerade tun wollte und wirklich mit sich kämpfen musste, um sich diesen Willen zu verkneifen.
„Nein, weißt du, die Küche parkt gerade Rückwärts ein.", erwiderte ich ironisch. Aber mal ehrlich, ne dümmere Frage konnte er ja wohl nicht stellen.
„Ich geh das Drecksding kurz ausschalten.", meinte Mason, bevor er in den Keller verschwand, wo sicherlich alle Sicherungen waren. Ich fuhr mir indes gestresst durch die Haare.
„Wie wär's wenn wir einfach 'ne Tiefkühlpizza in den Ofen schieben?", schlug ich schließlich vor. Zustimmendes Gemurmel von den anderen reichte mir als Bestätigung, also ging ich wieder in die Küche, in der mittlerweile kein Alarmsignal mehr zu hören war, und schob schnell zwei Pizzen rein. Wenn die fertig waren, dann würde ich noch zwei reinschieben müssen, damit die beiden Kerle auch satt wurden.
Um den rauchigen Geruch aus der Küche zu vertreiben, öffnete ich noch schnell das Fenster, sodass wenig später auch schon eine angenehm frische Luft hinein zog. Erstmal tief durchatmen.
„Tut mir leid, meine Kleine, eigentlich wollte ich dich ja bekochen und verwöhnen.", ertönte die enttäuschte Stimme von Mason plötzlich hinter mir. Mit leicht hängendem Kopf kam er auf mich zu, traute sich anscheinend nicht mir in die Augen zu schauen.
Ich hoffe doch, dass du jetzt nicht schon wieder sauer auf ihn bist., hörte ich eine lauernde Stimme in meinem Inneren. Aber Snow sollte eigentlich wissen, dass ich Mason hierfür nicht die Schuld gab, und auch sonst keinem. Ich war oft genug selbst der Grund, dass das Essen anbrannte, versalzen war oder auch mal die Küche in Brand stand. Also war ich die Letzte, die herummeckern durfte.
„Alles gut.", versicherte ich ihm mit einem kleinen Lächeln, was mir aber irgendwie unangenehm war, weshalb ich es gleich wieder verschwinden ließ. Ihm war es allerdings nicht entgangen. Das erkannte ich daran, dass es um seine Mundwinkel verdächtig zuckte.
„Hier hattest du schonmal einen kleinen Vorgeschmack darauf, wie das Morgen ablaufen wird, wenn ich in der Küche stehe. Also halte lieber schon mal den Feuerlöscher bereit."
„Ach was, du übertreibst.", wank er ab. Er hatte ja keine Ahnung ...
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