3. Zukunftsdefinierend und andere Witze
Auf Augustas bleicher Haut waren die Augenringe am nächsten Morgen umso besser zu sehen, als sie beim Frühstück in der Großen Halle saß. Die ganze Nacht lang hatte sie versucht, sich an verschiedene Dinge zu erinnern, von Schicksalen über Lügen zu Geheimnissen. Sie hatte sich vor Jahren ein Notizbuch gebastelt mit den Schicksalen der Leute, die sie kannte. Jane wurde nur namentlich im Tagespropheten in einer Auflistung der Todesopfer einer Auseinandersetzung zwischen Todessern und Auroren erwähnt. Von Artus Tod war nie etwas in der Zeitung und über Regulus Verschwinden berichtete nur eine kleine Spalte einen Monat später, dass der Black-Erbe nach wie vor vermisst wurde. . . Sie sah am Slytherin-Tisch entlang: Am Leben, tot, Askaban, am Leben, tot, verschwunden, wusste sie nicht, konnte man nichts nachweisen, Askaban. . .
"Du siehst nicht aus, als hättest du gut geschlafen", meinte Bartemius Crouch, als er sich zu ihr setzte und so ihre Aufmerksamkeit auf sich zog. Er und die Lestranges würden nach der brutalen Folter eines Auroren-Paares zu lebenslangem Haft in Askaban verurteilt werden. Augusta konnte sich noch erinnern, wie die Titelseite des Tagespropheten ein großes Bild seines Vaters Bartemius Crouch Senior - einem hohen Tier im Ministerium - gezeigt hatte, als die Zeitung über seinen Tod in Askaban berichtete, er starb nicht lange nach seiner Inhaftierung.
Zumindest wurde das gesagt, aber zwei Monate vor Augustas Aufbruch in die Vergangenheit, zierte sein Gesicht plötzlich die Titelseiten. Aufgeregt wurde verkündet, dass er es geschafft hatte, aus Askaban auszubrechen, sich als Alastor Moddy auszugeben und schließlich auf dem Gelände Hogwarts seinen Vater tötete. Es war diese Neuigkeit, die Augusta bestärkt hatte, mit Dumbledore in Kontakt zu treten. Das Bild von ihm zeigte ihn nur Stunden, bevor er von einem Dementor geküsst wurde. Seine Augen waren eingesunken gewesen, aber man konnte darin einen Wahnsinn erkennen, von dem momentan noch nichts zu sehen war. Er wirkte noch jung und ausgelassen. "Was war mit deinem Aussetzer im Zug?", sprach er weiter, als Augusta ihn immer noch musterte.
"Meine Ferien waren nicht wirklich erholsam", erwiderte sie, als der Hamster in ihrem Hirn sie erinnerte, dass sie mal antworten sollte. Sie hatte keine Ahnung mehr, was sie damals in den Ferien getrieben hatte, aber wenn sie an die 17 Jahre seitdem dachte, so waren diese auch nicht sehr erholsam.
"Hat deine Familie dir Stress gemacht?", fragte er und nahm den Stundenplan entgegen. "Reinblütige Familien hier sind immer so verklemmt und steif, ich nehme an, in Amerika sind sie nicht anders."
"Etwas weniger gehemmt", murmelte Augusta und sah auf den Stundeplan. Sie hatte als Wahlfächer Alchemie, Alte Runen und den Apparierkurs (den sie jetzt nicht mehr brauchen würde). In der dritten Klasse hatte sie noch zusätzlich Wahrsagen gehabt, war da aber noch der dritten Stunde wütend rausgestürmt, nachdem sie die Teeblätter vor der ganzen Klasse dreimal falsch deutete.
Als Erstes hatte sie Zauberkunst. Es fühlte sich seltsam an, wieder im Klassenzimmer zu sitzen und darauf zu warten, dass der kleine Zauberer ihnen einen Spruch beibrachte, den Augusta vor Jahren gelernt und vermutlich nie wieder verwendet hatte.
"Wieso habe ich das Fach nochmal weiter belegt?", fragte Dalia, die sich neben Augusta setzte. Augusta lächelte, ihr Schaden war es nicht. Sie hatten einen Deal, Dalia durfte von Augusta abschreiben, dafür musste sie ihr immer ein Alibi liefern und das kam oft genug vor. Sie hatten auch eine ähnliche Abmachung in Verwandlung gehabt, bevor Dalia nach dem fünften Jahr das Fach abgewählt hatte. Von den vier Mädchen in ihrem Jahrgang war sie ihr am nächsten und sie mochte sie überaus. Aber sie würde sie nie als 'beste Freundin' bezeichnen, dieser Platz hatte Regulus und das schon seit dem ersten Jahr. Freundschaftstechnisch waren sie immer auf einer anderen Ebene gewesen und es war auch er gewesen, der sie mehr in die Gruppe ihres Jahrganges holte, da er durch seine Familie schon einige von ihnen gekannt hatte.
"Immerhin lernt man hier wichtige Dinge, nicht so wie in Verteidigung gegen die dunklen Künste", sagte Dalias Zwilling. Augusta hatte sie nie richtig entscheiden können, ob die beiden sich nun ähnlich sahen oder nicht. Beide hatten dasselbe hagere Gesicht mit dem spitzen Kinn, aber Dalias Haare waren länger und dunkler, passend zu ihren großen braunen Augen. Jane trug ihre braunen Haare in einem kinnlangen Bob mit Fransen, ihre Augen waren mandelförmig und grün.
Augusta würde Jane nicht direkt als Freundin bezeichnen, aber sie konnte wirklich nützlich sein und es war besser, sie auf der eigenen Seite zu haben.
Rhea setzte sich stumm in eine andere Reihe, auch mit ihr hatte Augusta nie groß etwas zu tun gehabt und auch mit keinem anderen Mädchen aus ihrem Haus war die Blondine besonders nahe. Es lag hauptsächlich daran, dass sie etwas zickig war. Augusta überlegte, wie sie sich mit 17 verhalten hatte. Emotional? Unreif? Sie wurde mehrfach als arrogant bezeichnet während ihrer Schulzeit, da konnte etwas dran sein. . .
"Wenn er uns jetzt einen Vortrag über die UTZ hält, flippe ich aus", sagte Barty, als er und die Jungs sich in die Reihe hinter ihnen setzten. "Ich will nicht schon wieder hören, wie zukunftsbestimmend die Prüfungen sind, das hatten wir schon bei den ZAGs."
"Was machst du dir Sorgen? Dein Vater ist Chef der Abteilung für Magische Strafverfolgung, ich bin sicher, er kann dir auch einen guten Job trotz schlechter UTZ besorgen." Barty gegenüber war Augusta recht neutral eingestellt, aber als eine Person, die ein Zusammentreffen mit der Magischen Strafverfolgung nicht ausschließen konnte in der Zukunft, war es gut gewesen, nahe beim Sohn des Chefs zu sein. Augusta hatte Barty Crouch Senior sogar einmal bei einem Quidditch-Match kennengelernt.
"Als müsstest du dir Sorgen machen, deine Familie ist wohl genauso einflussreich", gab er zurück und holte sein Buch hervor.
"Vielleicht will ich mich nicht auf den Lorbeeren meiner Familie ausruhen, wie andere Personen", erwiderte sie, als Flitwick ins Zimmer trat und zu seinem Bücherstapel ging. "Außerdem habe ich vor in Großbritannien zu bleiben und meine Familie hat keine Verbindungen hier." Der kleine Zauberer hatte es geschafft, auf den Stapel zu klettern und fing an, ihnen - zum Missmut von Barty - über die Wichtigkeit der UTZ zu erzählen.
"Du hast heute Morgen gar nicht auf mich gewartet", sagte Regulus leise, als er sich zu ihr vorlehnte.
"Wofür? Um dir beim Kaffeetrinken zuzusehen?", gab sie zurück, ohne den Blick von Flitwick zu nehmen. Sie wusste nicht, wie sie sich Regulus gegenüber verhalten sollte. Ihr Hirn wollte immer noch nicht wahrhaben, dass er tatsächlich noch (oder wieder) da war. Ihr Hirn wollte noch nicht wahrhaben, dass sich all die schrecklichen Dinge der letzten Jahre noch nicht abgespielt haben. Und ihr Hirn wollte immer noch nicht wahrhaben, dass es weder ein Traum noch das Nachleben war. Irgendwie fühlte sich alles surreal und wie in einer Trance an.
Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, lehnte Regulus sich wieder zurück. Augusta atmete tief durch. Er war der Einzige, der alle ihre Geheimnisse und Lügen kannte und wenn jemand bemerkte, dass sie sich seltsam verhielt, dann er.
Sie versuchte sich wieder auf Flitwicks Worte zu konzentrieren, wie er über eine Sache sprach, die ihre Zukunft definieren würde. Augusta war sehr nervös vor den Abschlussprüfungen gewesen, jetzt konnte sie sich nicht mal mehr erinnern, was für Noten sie erreicht hatte.
"Wie waren deine Ferien?", fragte Regulus, als sie zusammen in Kräuterkunde gingen und es war Augusta fast unangenehm, dass sie nur zu zweit waren.
"Fühlte sich wie eine Ewigkeit an. Bei dir?"
Er zuckte mit den Schultern. "Nichts Spezielles. . . recht ruhig."
Es waren die zweiten Sommerferien, die er komplett ohne seinen Bruder verbracht hatte. Dieser Nichtsnutz war vor drei Jahren in den Sommerferien abgehauen, vermutlich zu einem seiner Freunde. Wahrscheinlich Potter, ihn und Potter hatte man in Hogwarts selten ohne den anderen gesehen.
Augusta hatte Sirius Black nie wirklich leiden können, gute Abstammung, wohlhabende Familie, hohes Ansehen, beliebt, vielseitig talentiert und gut aussehend, da wird einem die ganze Welt zu Füssen gelegt und er weiß nichts Besseres zu tun, als darauf herumzutrampeln.
Er hatte erst im Sommer seinen Abschluss gemacht und Augusta beneidete ihn nicht um seine Zukunft. Man sagte, er habe die Potters an den dunklen Lord verkauft und einen seiner besten Freunde getötet. Nach dem er Massenmord an mehreren Muggel begangen hatte, kam er nach Askaban, schaffte es nach über zehn Jahren da auszubrechen, spürte Harry Potter in Hogwarts auf und verschwand dann komplett von der Bildfläche. Das war die offizielle Story, aber Augusta wusste, dass bei dieser Version etwas nicht stimmte.
Sie wusste, dass Peter Pettigrew ein Todesser war, zumindest war er das, wenige Monate, bevor James und Lily Potter getötet wurden und sie glaubte auch nicht, dass Sirius dem dunklen Lord freiwillig die Informationen ihres Versteckes überlassen hätte. Aber sie glaubte augenblicklich, dass er nach James Tod den Verstand verloren und Peter und die zwölf Muggel getötet hatte. Sie konnte sich nur zu gut an sich selbst in der Zeit nach Regulus Verschwinden erinnern.
Und dann letztes Jahr tauchte Peter plötzlich wieder auf. . . Nicht offiziell, aber genug Gerüchte sprachen davon, dass man es nicht einfach als Pegasus-Dreck abtun konnte.
Sie sah zu Regulus, der neben ihr lief. Er hatte den Kopf gehoben und genoss die Herbstsonne auf seiner Haut, bevor sie in das Gewächshaus mussten. Zwei totgeglaubte Leute (drei, wenn man sie mit einschloss) waren in den letzten Monaten wieder aufgetaucht. Für eine Sekunde fragte sie sich, ob Regulus in ihrer Gegenwart vielleicht doch noch am Leben war, aber sie verwarf den Gedanken schnell wieder. Über die Implikation, die damit kam, wollte sie nicht nachdenken. Dass er absichtlich ihrem Leben fernblieb, konnte sie sich nicht vorstellen, aber sie kam nicht darüber hinweg, dass ihre Beziehung sich über das siebte Jahr verschlechtert hatte und Augusta wusste bis heute nicht wieso.
Im Gewächshaus setzten sie sich zu Artus, der schon auf sie wartete. Sie und Rhea - die neben einer Hufflepuff sass - waren die Einzigen von Slytherin, die Kräuterkunde weiter belegt hatten und nun waren sie umringt von vorwiegend Hufflepuffs, genügend Ravenclaws und einigen Gryffindors.
Augusta zog den Topf zu sich und sah die Pflanze an. Sie erkannt sie und zog ohne zu überlegen sie die Handschuhe und eine Schutzbrille an.
"Kann mir jemand sagen, was das ist?", fragte Professor Sprout, als die restlichen Schüler sich einen Platz gesucht hatten.
Augustas Hand schoss in die Höhe. "Es ist ein Dornenwerfender Farnwiz", sagte sie. "Unter den Blättern sind grobe Dornen versteckt und wenn der Farnwiz Bedrohung spürt, rollen sich die Blätter schnell ein und schleudern so Dornen in alle Richtungen."
Professor Sprout nickte. "Und wie muss man an die Pflanze herangehen, um nicht von Dornen durchbohrt zu werden?"
"Möglichst innen und nahe beim Stiel, und langsam, damit er sich nicht bedroht fühlt." Augusta grinste zufrieden, als Sprout fünf Punkte für Slytherin gab.
"Du bist so eine Besserwisserin", raunte Artus.
"Ich habe übrigens noch etwas für dich", meinte Regulus, bevor auch Sprout ihnen die Wichtigkeit für die UTZ erklärte. Augusta nahm es nur halb zur Kenntnis, denn ihr Kopf fing wieder mit dem brennenden Schmerz an.
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