
27. Von Reinblütern und Squibs
Die Gänge und Räume von Hogwarts füllten sich wieder mit Schülern, die tiefe Spuren in der Schneedecke, die das Schlossgelände immer noch in ein weißes Wunderland kleidete, hinterließen.
Augusta beneidete die Quidditch-Spieler absolut nicht, die von ihrem Kapitän schon wieder zum Training geschleppt wurden. Nach ihrer Stunde Kräuterkunde, wo sie fast die vereisten Stufen hinuntergerutscht war, nur um dann in ein Gewächshaus mit tropischem Klima zu kommen, hatte sie sich in die warme Bibliothek verzogen. Da der Unterricht gerade erst wieder begonnen hatte, gab es nur eine Handvoll Schüler, die jetzt Hausaufgaben machten. Augusta entdeckte auch ein paar Hufflepuff-Siebtklässler und erinnerte sich daran, dass sie sich auch für die UTZs vorbereiten musste. Den praktischen Teil würde sie wohl ohne Probleme schaffen, aber für den theoretischen musste sie sich vorbereiten, auch wenn sie nicht dieselben Noten brauchte wie beim ersten Mal. Sie wollte das Praktikum im Ministerium nicht mehr, dementsprechend mussten ihre Noten auch nicht mehr so gut sein. Dennoch war sie nicht in der Bibliothek, um zu lernen.
Augusta warf einen schnellen Blick über die Schulter, ob gerade jemand hinsah, bevor sie zwischen zwei Regalen verschwand. Was sie nachschauen wollte, war im hinteren Teil der Bibliothek, der düster und leer war. Sie sah das Bild in ihrer Hand an, mit dem jungen Tom und Neve, die sich miteinander unterhielten. An seiner Hand trug Tom unübersehbar den schweren Goldring, der der Gaunt Familie gehörte. Derselben Familie, der schon das Medaillon von Slytherin gehört hatte, bis es von Merope Gaunt verkauft worden war. Augusta wusste, dass sie die letzten Nachfahren von Slytherin waren und deshalb Objekte von solchem Wert besaßen, und es war definitiv einen Versuch wert, ihnen mal einen Besuch abzustatten, wie sie es bei Neve getan hatte. Vermutlich hatte Tom auch bei ihnen das Gedächtnis verändert, als er den Ring gestohlen hatte, aber vielleicht hatten sie trotzdem nützliche Informationen, wo sich der Ring befinden könnte (wenn er nicht bei den Lestranges war). Es fehlte ihr immer noch der Standort von zwei Horkruxen.
Die Gaunts gehörten zu den Unantastbaren 28, zu denen auch Regulus gehörte, und so sah sie sich dieses Reinblüterverzeichnis an, das in den 30ern entstanden war. Sie hatte Glück und die Gaunts waren nicht besonders vermehrungsfreudig gewesen. Als dieses Verzeichnis entstand, lebte nur noch eine einzige Person dieser Familie, nämlich ein gewisser Morfin Gaunt, Sohn von Vorlost und Pleione Gaunt. Von dem Alter her müsste er wohl der Bruder von dieser Merope Gaunt gewesen sein, die 1926 das Medaillon an Mr Burke verkauft hatte. Augusta fragte sich, was wohl mit ihr in diesen wenigen Jahren bis zur Entstehung des Verzeichnisses passiert war.
In den 40 Jahren seit der Entstehung hatte Morfin sicher weitere Gaunts gezeugt und die musste sie jetzt finden. . . oder vielleicht doch nicht. Sie blickte wieder auf das Bild von Tom und Neve, es musste irgendwann Ende der 40er aufgenommen worden sein und da hatte er den Ring schon, er trug ihn seit seiner Schulzeit. Sie würde sich also auf Morfin Gaunt konzentrieren.
Bevor sie das Buch zuklappte, blätterte sie noch im noblen und gar alten Haus der Blacks. Der riesige Stammbaum, der von ihrem reinen Blut zeugte, zog sich über die ganze Seite, bis zur jüngsten Generation in den 30ern, wo auch Regulus Eltern aufgelistet waren. Toujours Pur war das Familien-Motto. . . immer rein. . . Augusta klappte das Buch wieder zusammen. Ihre Gedanken hingen bei Regulus, dem einzigen männlichen Erbe dieses reinblütigen Hauses. Augusta würde nicht zulassen, dass er verschwindet oder umkommt. . . Ihre Finger strichen über die lederne Oberfläche. . . und dann würde er irgendeine reinblütige Hexe heiraten und reinblütige Kinder haben und dieses Toujours pur weiterführen. So, wie es von ihm erwartet wurde.
Regulus mochte seinem Bruder ähnlich sehen, aber er war nicht sein Bruder, er würde nicht rebellieren gegen seine Familie, gegen seine Herkunft, er würde nie jemand wie einen Werwolf lieben. . . oder ein Schlammblut.
Sie schüttelte den Kopf, es spielte auch keine Rolle, wieso interessierte sie sich überhaupt dafür?
Mit großen Schritten lief sie durch die Bibliothek. Immerhin schien Regulus nicht ganz den Ideologien seiner Familie zu folgen, vielleicht gab es doch eine Möglichkeit. . .
Leise Stimmen drangen an Augustas Ohr und holte sie aus ihren Gedanken. Sie verzog kaum merklich das Gesicht, sicher war es irgendein Pärchen, das hier hinten ein stilles Plätzchen gefunden hatte.
Ein gezischtes "Lass es!", ließ sie dann doch aufhorchen, das war eindeutig Rheas Stimme. Augusta blieb für ein paar Sekunden stehen, um eine Entscheidung zu treffen, bevor sie sich umdrehte und mit leisen Schritten durch den Gang lief. Sie brauchte nicht lange, bis sie Rheas blonde Haar im Halbdunklen sah.
"Ich sagte nein und jetzt geh", konnte sie die Slytherin fauchen hören. Sie war mit dem Rücken zu Wand und ihr Freund - Hüter des Hufflepuff-Teams und in ihrem Jahrgang - stand vor ihr. Ein Arm war um Rheas Hüfte geschlungen, die andere Hand lag auf ihrem Bein, direkt wo der Rock aufhörte.
"Aber ich habe dich so vermisst über die Ferien", meinte der Hufflepuff und wollte sie küssen.
"Georgi!", sagte Rhea erneut und wich seinem Kuss aus.
"Willst du mich verarschen?", sagte Augusta laut und die beiden sahen überrascht zu ihr. Augusta sah zu Rhea. "Hast du das Gefühl, ich schreibe den Zaubertränke-Aufsatz alleine, während du hier hinten mit so einem Typen rummachst?", rief sie aufgebracht. Rhea sah sie kurz erstaunt an, bevor sie begriff und sich an Georgi vorbeiquetschte.
Augusta funkelte sie immer noch böse an, als sie zu ihr in den Gang trat und warf einen letzten Blick auf Georgi, bevor sie ihn zurückließen.
"Alles klar?", fragte Augusta leise, als sie sich etwas entfernt hatten.
"Mmh", bestätigte Rhea und warf ihr seidenes Haar über die Schulter. "Georgie ist manchmal etwas überschwänglich."
"Überschwänglich", wiederholte Augusta. Nicht die Wortwahl, die sie getroffen hätte.
Rhea warf ihr einen Seitenblick zu. "Nicht, dass du so etwas kennen würdest", gab sie zurück und reckte das Kinn.
"Dass ein Typ ungefragt seine Hand mein Bein hochschiebt? Ja, da entgeht mir wirklich etwas."
Rhea blieb abrupt stehen und sah die andere Slytherin wütend an, doch ihre grünen Augen wirkten glasig. "Misch dich nicht in meine Sachen ein!"
Augusta verschränkte die Arme. "Dann geh zurück."
"Was?"
"Dann geh zurück", wiederholte Augusta und betonte dabei jedes Wort stärker als nötig. Da hatte sie ihr wirklich gerade geholfen und das war der Dank.
Rhea antwortete nicht sofort, sondern verschränkte nur wie Augusta die Arme. Da Augusta fast eine Handbreite größer war, musste sie hochschauen. "Was läuft bei dir falsch?"
"Weniger als du denkst, aber mehr als die Leute glauben." Sie verzog die Lippen zu einem kurzen, sarkastischen Lächeln. "Und jetzt pack diese Laune wieder ein, Stoker! Ich habe dir bei Austen geholfen und jetzt bei Oborin, sei etwas dankbarer."
Rhea öffnete den Mund, bevor sie aber wieder die Lippen zusammenpresste. Sie reckte das Kinn. "Das mit Georgi geht dich nichts an und bei Austen habe ich deine Hilfe nicht gebraucht."
"Du hast mir bereits gedankt für die Hilfe mit Austen", rief Augusta ihr noch hinterher, während Rhea bereits in den belebteren Teil der Bibliothek stapfte.
Doch während Augusta der Slytherin hinterher sah, fragte sie sich, was sie und die anderen Slytherin-Mädchen eigentlich gegen Rhea hatten. Klar war sie manchmal zickig, aber wer war das nicht und so oft konnten sie gut nebeneinander arbeiten. Augusta fragte sich wirklich, ob es vielleicht eine Frage des Blutstatus war. Sie wusste nicht, ob Rhea mit ihrer als Blackwood geborenen Mutter immer noch als Reinblut galt, obwohl ihre Mutter eine Squib war oder nicht. Aber von Regulus wusste sie, dass reinblütige Familien ihre Squib-Kinder meistens aus dem Stammbaum strichen und/oder totschwiegen, von da her, war Rhea den Reinblütern wohl nicht allzu wohl gesonnen, was auch auf Gegenseitigkeit beruhen konnte. Ein Squib ist eine Schande für eine reinblütige Familie, wurde ihr mal erklärt.
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