Kapitel 1
,,Eljero, gehst du Alissia schnell wickeln?", fragte ich ihn, da ich noch unser Essen vorbereiten musste. Unser Alltag hatte sich ziemlich gut eingependelt, nach den ersten Wochen, seit dem er weg war. Oh nein Chiara, du denkst jetzt nicht schon wieder an ihn.
Ich wollte nicht schon wieder heulen, keine einzige Träne mehr an ihn vergießen. Er war ein riesengroßes Arschloch, der mich im Stich ließ, als ich ihn am meisten gebraucht hätte, er verdiente meine Trauer nicht. Nicht eine Sekunde länger, als die letzten acht Monate schon.
Dieses Ziel setzte ich mir zumindest seit gestern. Seitdem ich beschlossen hatte, ihm keine einzige Nachricht mehr auf seine Mailbox zu sprechen. Anfänglich versuchte ich ihn telefonisch zu erreichen, mit täglich mehreren anrufen, doch dies hatte ich schon länger aufgegeben, weswegen ich eine neue Taktik für mich entdeckt hatte. Eine welche mir half, die Dinge so gut es ging zu verarbeiten. Wahrscheinlich entsprach meine Variante auch ein wenig der Verdrängung, doch so lange sie mir zumindest ein wenig half, sah ich darin kein Problem.
Täglich sprach ich ihm – sowie auch noch gestern – eine Nachricht auf seine Mailbox. Ich berichtete über meinen Tag, meine Gefühle und wie sehr ich mir wünschte, dass er zurückkehren würde zu mir. Doch er hörte sie nie an, ich bekam nie eine Antwort darauf und meine Gefühle der Trauer verschwanden immer weiter und wurden mit Wut ersetzt.
Zumindest redete ich mir dies ein, damit ich mich nicht schlecht fühlte, wenn ich Eljero näher kam. Wie verstanden und gut und immer wieder entstanden diese Zärtlichkeiten zwischen uns. Es waren Berührungen, Umarmungen und auch schon den ein oder anderen Kuss. Das einzige, was ich mir selbst verbat, war Sex. Es fühlte sich nicht richtig an für mich, es war erst zu wenig Zeit vergangen. Mein Kopf war noch zu verwirrt und mein Herz konnte ihn nicht vollständig loslassen, auch wenn Eljero sich schon einen kleinen Teil meines Herzens geschnappt hatte.
,,Klar, was kochst du?", hakte er bei mir nach, als er dicht hinter mich trat, sodass ich seine harte Brust in meinem Rücken spüren konnte. ,,Ich brate gerade nur ein bisschen Gemüse an, für unsere Burger", log ich ihn an. ,,Oh nein, nicht schon wieder Fast Food, oder? Du weißt, ich mag kein ungesundes Essen", stöhnte er an meine Schulter.
Nevio hätte dies nie gesagt, er liebte es, wenn er oder ich kochte, was meist irgendwelchem ungesunden Tötungsmitteln waren, sowie Eljero es nannte. Merda, ich dachte schon wieder an ihn, ich musste ihn echt aus meinem Kopf schlagen. Den Plan, nicht andauernd an ihn zu denken, klappte anscheinend nicht so gut, wie erhofft.
,,Keine Sorge, es ist nur Bruschetta", sprach ich zu ihm, als ich gerade die Tomaten und Peperonis in der Pfanne noch ein wenig anbriet, während ich die verschiedensten Gewürze dazu gab. ,,Du hast einfach einen guten Essensgeschmack, abgesehen von den Tötungsmitteln", sprach er von hinten an mein Ohr, hinter welches er sanfte Küsse hauchte. Hier so mit ihm zu stehen, fühlte sich gut an und doch zeitgleich irgendwie falsch, ich konnte es kaum beschreiben.
,,Nur beim Essen?", wollte ich grinsend von ihm wissen. ,,Nicht nur, auch bei mir, aber bei anderen Leuten nicht", sprach er. Ich wusste genau, wenn er mit anderen Leuten meinte. Und ich konnte ihm nicht mal dagegen stimmen, denn er hatte irgendwie ja recht. Schließlich hatte er mir das Herz auf schmerzhafteste Weise zerbrochen und dabei noch herausgerissen.
,,Bei dir also?", erkundigte ich mich neckend, damit er nicht bemerkte, was seine kurze Erwähnung unbewusst von ihm immer wieder aufs neue in mir auslöste. Er sollte weiterhin das glauben, dass ich ihm mit viel Mühe auftischte. Ich hatte nicht umsonst ihn Monate angelogen, indem ich ihm sagte, dass ich über ihn hinweg war und nur im Stillen weinte, wenn ich alleine war. So wie ich ihm die Nachrichten auf die Mailbox alles verschwieg, ich hatte das Gefühl, dass ich es mit mir alleine ausmachen musste. Er konnte mir nicht helfen, er mochte es schließlich auch nicht über ihn zu sprechen, genauso wie Ilaria, die ihn seit er mich verlassen hatte, auch verabscheute.
Ich konnte es ihnen nicht übel nehmen, doch dies waren Gründe, die es für mich nicht zuließen auf sie zuzugehen und mich den beiden zu öffnen. Also blieb nur noch die eine Option zurück, entweder ich zerbrach daran, was wegen Alissia nicht infrage kam oder eben, dass ich alles verleugnete, den Schmerz und die Trauer so gut es ging. Verdrängung und alles mit mir alleine ausmachen, war also das einzige, was übrig blieb.
,,Natürlich, ich meine sieh mich an. Jeder würde sterben, um an meiner Seite zu stehen oder ein Kind von mir zu haben. Ich würde bestimmt eine Menge Frauen kennen, die mich so haben wollen würde, sie du mich hast." Toll, danke schön Eljero, dass du mir wieder vor Augen führtest, was für ein Glück ich doch hatte. Er war ziemlich oft ein Arsch, auch wenn er es meist nicht so meinte, wie er es sagte. Aber dennoch waren es einfach Dinge, die mich davon abhielten, mich fallen zu lassen. Ich wollte nicht wieder hart, ohne Fallschirm aufkommen.
,,Witzig. Aber na los, verschwinde. Alissia will nicht ewig darauf warten, damit du ihr die Windel wechselst und ich brauche meine Ruhe zum Kochen", schickte ich ihn weg. Dies war natürlich gelogen, zumindest die Ruhe beim Kochen. Das mit Alissia nicht, da sie größtenteils ziemlich ungeduldig war. Dabei kam sie genau nach Eljero, denn ich war im Gegensatz zu ihm, ein ruhiges Kind. Zumindest durch die Geschichten, die ich von meinen, sowie seinen Eltern zu hören bekam, mit welchen wir uns einmal im Monat trafen.
,,Wenn du es so wünscht, dann mache ich das doch immer", grinste er noch, als er von mir wegtrat und aus der Küche verschwand. Tief durchatmend stützte ich mich am Tresen ab, als ich den kurzen Moment nutzte, um mal ganz tief durchzuatmen. Die Herdplatte schaltete ich aus, bevor ich meinen Kopf nach draußen richtete, auf das große Fenster, von welchem ich einen perfekten Blick raus auf die Straße hatte.
Doch dabei fiel mir eine Gestalt in der leichten winterlichen Abenddämmerung auf, welche schnell an dem Eingang des Tores vorbeihuschte. Dies war nichts Besonderes, viele Menschen gingen schnell an dem Haus von Eljero vorbei, da es nicht unbedingt einladen wirkte von außen. Das besondere war die vertraute Statut, welche mir zu bekannt vorkam.
War das etwa Nevio? War er hier, wieder da? Schnell ließ ich alles stehen und liegen und rannte heraus. ,,Nevio?", schrie ich fraglich nach der Person, als ich zum Tor herunterrannte. Die Männer von Eljero starrten mich nur komisch an, taten aber nichts weiter, weswegen ich ihnen auch keinerlei Beachtung schenkte.
Mein Herz schlug aufgeregt in meiner Brust, während mein Puls immer höher anstieg, mit meiner Nervosität, doch auch ein Gefühl von Freude war da. Wenn er wirklich da war, was würde ich sagen? Ich hatte keine Ahnung, was sagte man einer Person, die einfach so abgehauen war und nur einen Brief hinterließ?
Doch all die Freude und Überlegungen, was ich wohl tun würde, wenn er es wirklich war, wurde in dem Moment zunichtegemacht, als ich eine Menschen verlassene Straße auffand.
Täuschte ich mich jetzt etwa schon und bildete ihn mir sogar ein, nur um nah bei ihm zu sein? Das konnte doch nicht sein, ich musste ihn vollständig aus meinem Kopf und aus meinem Herzen bekommen. Ich spürte zwar, wie sich alles schmerzhaft in mir zusammenzog bei diesem Gedanken, doch es ging nicht anders. Ich musste ihn hinter mir lassen, meine Vergangenheit, um nach vorne zu blicken, in die Zukunft mit Eljero und nicht mit Nevio.
Niedergeschlagen, mit gesenktem Kopf drehte ich mich herum und wollte wieder nach drinnen verschwinden. Jedoch hielt mich eine Hand von meinem Vorhaben ab, die mich fest packte. Ein Schrei wollte meine Kehle verlassen, er entkam aber nicht, da sich eine zweite Hand fest auf meine Lippen presste, sodass kein Laut sie verlassen konnte. Merda, die Wachleute hatten von drinnen gar keine Chance mich so nah an der Mauer zu erkennen, welche ich nur eine Millisekunde später hart an meinem Rücken spürte. Eine unbeschreibliche Angst durchfuhr mich, während mein Körper enorm zitterte.
Erschrocken sahen meine Augen hoch zu der Gestalt, die mich fest an die Wand presste. Worauf ich sie nur noch mehr weiten musste, als ich erkannte, in wessen Augen ich starrte.
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