𝐊𝐚𝐩𝐢𝐭𝐞𝐥 𝟒
Michael saß reglos auf dem Krankenhausbett, seine Augen fixierten die Infusion, die Tropfen für Tropfen in seine Vene sickerte. Das monotone Tropfen hatte eine beruhigende, fast hypnotische Wirkung, doch seine Gedanken waren alles andere als ruhig. Der sterile Geruch des Zimmers, das grelle Licht – alles wirkte wie ein Schlag ins Gesicht. Sein Körper war erschöpft, sein Geist zermürbt.
Lisa saß auf einem abgenutzten Stuhl neben seinem Bett, ihre schlanken Beine übereinandergeschlagen, während sie gedankenverloren an einem ihrer Fingernägel kaute. Dieses Bild, so unscheinbar es schien, stach ihm ins Herz. Diese Hände hatte er einst gehalten, ihre Finger waren durch seine gekreuzt. Jetzt schien es, als hätte eine unsichtbare Mauer sie voneinander getrennt. Sie trug ihren Ehering nicht mehr. Natürlich nicht. Warum auch?
Er erinnerte sich daran, wie er seinen eigenen Ehering nach der Scheidung noch wochenlang getragen hatte, bis er gezwungen war Debbies zu tragen. Lisa hatte ihren vermutlich gleich nach dem letzten Treffen mit den Anwälten abgelegt– schnell, effizient, endgültig.
„Du weißt, dass das nicht gut ist, oder? Bist du nervös?" Seine Stimme klang rauer, als er beabsichtigt hatte. Er deutete mit einem leichten Kopfnicken auf ihre Hände.
Lisa hob den Blick und musterte ihn mit einem kaum merklichen Stirnrunzeln. „Vielleicht mag ich es einfach, auf meinen Fingern herumzukauen. Schon mal daran gedacht?" Ihre Worte waren von einem sarkastischen Lächeln begleitet, das jedoch nicht die Wärme früherer Tage besaß. Es war ein Schutzschild, klar und unübersehbar.
Michael betrachtete sie schweigend. Ihr Lächeln – so flüchtig, so fremd. Wann hatte sie das letzte Mal wirklich gelächelt? Ein echtes Lächeln, das aus den Tiefen ihres Herzens kam? Es schien, als wäre es in einem anderen Leben gewesen.
„Es ist trotzdem nicht gesund," erwiderte er leise. Seine Worte waren nicht nur an sie, sondern auch an die Vergangenheit gerichtet, an die schmerzhafte Distanz, die sie voneinander trennte.
Lisa ließ sich nicht beirren. „Du meinst wie Schmerztabletten zu schlucken, als wären es Smarties?" Ihre Stimme war scharf, und Michael fühlte die Wucht ihrer Worte wie kleine Nadeln, die seine Haut durchbohrten. Sie wollte treffen, und das tat sie auch. „Du weißt, dass die Kirche dir mit den Drogen helfen könnte."
Scientology – allein das Wort reichte, um ihn in Rage zu versetzen. Er dachte an all die Male, als Lisa ihm von diesen „Reinigungen" erzählt hatte, die sie dazu gezwungen hatten, die traumatischsten Momente ihres Lebens immer und immer wieder zu durchleben. Sie hatte danach oft in seinen Armen gelegen, untröstlich, während Tränen über ihre Wangen liefen. Er hatte es gehasst, ihre Hilflosigkeit, den Schmerz, den sie mit sich trug – und die Machtlosigkeit, die ihn lähmte.
„Das erklärt natürlich, warum du trinkst," murmelte er schließlich. Seine Worte waren schwer vor Zynismus. „Du bist wieder im eisernen Griff von Scientology, nicht wahr?"
Lisa rollte mit den Augen, ihr Körper versteifte sich merklich. „Ein einfaches Nein hätte gereicht."
„Du kennst meine Meinung dazu," sagte Michael und schüttelte den Kopf. „Ich halte nichts von Methoden, die dich ins Krankenhaus bringen." Seine Stimme wurde fester, als er an den Tag zurückdachte, an dem Lisa nach einer dieser „Reinigungen" zusammengebrochen war. Sie hatte sich so lange übergeben, bis ihr Körper schließlich aufgegeben hatte.
Lisa wandte den Blick ab, ihre Augen fixierten den Boden. Ihre Schultern wirkten plötzlich schmal, verletzlich. „Dieses Mal hat es mir geholfen," sagte sie leise. „Mach dir keine Sorgen um mich."
Michael öffnete den Mund, um zu antworten, doch ein Klopfen an der Tür unterbrach ihn. Eine Krankenschwester trat ein, brachte das Abendessen und wechselte routiniert die Infusion. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Zimmer wieder.
Michael betrachtete das Tablett vor sich. Trockene Scheiben Weißbrot, abgepackter Aufschnitt und etwas, das entfernt an Kartoffelpüree erinnerte. Es war ein Spiegel seiner Stimmung – farblos, fade, leer.
„Echte Sterneküche," bemerkte Lisa trocken, als Michael sich mit dem Tablett an den kleinen Tisch setzte.
„Hast du schon zu Abend gegessen?" fragte er mit einem leichten Grinsen, das jedoch nicht seine Augen erreichte.
„Keine Chance, Jackson. Du wirst mir deinen Fraß nicht andrehen," konterte Lisa, ebenfalls mit einem kleinen Lächeln.
„So schlimm ist es doch gar nicht," entgegnete Michael und öffnete einen der Aufstriche. „Ich möchte nur sicherstellen, dass mein Gast nicht hungrig bleibt. Also?"
Lisa ließ ihren Blick über das Tablett schweifen. Schließlich griff sie nach einer Scheibe Toast.
Die Minuten vergingen, während sie in seltsamer Harmonie zusammen aßen. Es war, als wäre die Zeit für einen Moment eingefroren. Michael spürte einen Hauch von Frieden, so fragil, dass er Angst hatte, ihn zu zerbrechen.
„Wenn ich hier raus bin, lade ich dich zu einem richtigen Essen ein," sagte er schließlich. „So als Freunde."
Lisa hob eine Augenbraue. „Wir sind jetzt also Freunde?"
„Warum nicht?" Er lächelte. Dieses Lächeln war echt, aber es war voller Sehnsucht, voller Hoffnung, dass sie ihm nicht wieder entwischen würde.
Sie erwiderte das Lächeln zögerlich. Vielleicht, nur vielleicht, könnten sie es wirklich versuchen. Freunde sein. Ein neues Kapitel beginnen.
Doch die Vergangenheit hing wie ein Schatten über ihnen, und beide wussten, dass es keine einfachen Antworten gab.
„Wann kommst du hier raus?"
„Ich weiß noch nicht. Lange wird es aber sicher nicht mehr dauern. Morgen erfahre ich sicher mehr."
Lisa nickte langsam, ihre Augen ruhten auf den weißen Laken seines Krankenhausbetts. „Klingt doch gut", sagte sie schließlich. Ihre Stimme klang beiläufig, aber Michael erkannte die Spannung darin. „Hattest du schon viele Besucher?"
Michael zögerte, die Antwort schien auf seiner Zunge zu brennen. „Nur meinen Manager... und meine Kinder."
Die Worte hingen für einen Moment in der Luft, schwer und unausgesprochen mit Bedeutung aufgeladen. Michael beobachtete Lisa genau, suchte nach einer Regung in ihrem Gesicht.
Lisa blinzelte, aber ihre Augen verrieten sie. Dieses Funkeln in seinen eigenen Augen, das aufflammte, als er von seinen Kindern sprach, schnitt tief in ihre Brust.
„Stimmt." Ihre Stimme war ruhig, fast zu ruhig. „Ich habe dir noch gar nicht gratuliert."
Michael nickte. „Danke. Prince und Paris... sie sind alles für mich. Sie sind einfach perfekt."
Das Funkeln wuchs, erhellte sein Gesicht in einer Weise, die Lisa beinahe unerträglich fand. Perfekt? Wie konnten sie perfekt sein, wenn sie von ihr stammten? Debbie. Dieser verdammten Schlange.
„Ja, die Bilder gingen nicht an mir vorbei." Ihre Worte waren schärfer, als sie beabsichtigt hatte, und Michael hob den Kopf.
„Was meinst du?" Er wusste, dass etwas in ihr tobte, doch er hatte keine Lust, es zu entschlüsseln.
Sie meinte die zahllosen Fotos, die wie Spott von den Seiten der Magazine starrten. Ihre Mutter hatte sie ihr fast liebevoll unter die Nase gehalten.
„Schau mal, sie sehen so glücklich aus." Die Stimme von Priscilla hallte in ihrem Kopf. „Sie haben noch eine Tochter bekommen. Ist das nicht wundervoll?"
Ja, Mutter, dachte Lisa bitter. Wundervoll. Debbie sah so glücklich aus, wie sich an Michael kuschelte, dass Lisa schon fast schlecht wurde. Diese Familie – sein neues Glück – war wie ein Messer, das sich tief in ihre Eingeweide bohrte.
„Die Fotos von dir und Debbie mit den Kindern. Du weißt schon... glückliche Familie."
Michael starrte sie an, seine Augen blitzten auf. „Ist das dein verdammter Ernst, Lisa?"
Die Schärfe seiner Worte ließ sie zusammenzucken, aber sie hielt seinem Blick stand. Was hatte er erwartet? Dass sie jubelte? Dass sie applaudierte, weil er mit diesem Parasiten Kinder gezeugt hatte?
Sie atmete ein, lang und kontrolliert. „Ich freue mich, dass du glücklich bist, Michael."
Sein Blick wurde kälter, härter. Glücklich? Wie konnte sie es wagen, dieses Wort in den Mund zu nehmen? Lisa hatte sich ihre Position selbst zerstört. Sie hatte allein die Entscheidung getroffen keine gemeinsamen Kinder zu bekommen.
Er erinnerte sich an die Nacht, als er die leere Schachtel der Anti-Baby-Pille gefunden hatte. Ein unscheinbares Ding, das dennoch alles verraten hatte. Die Gespräche über Namen, über die Vorstellung, wie ein Kind von ihnen aussehen würde – alles Lügen.
Die Erinnerung brannte wie Säure in seinen Adern. Sie hatte ihn belogen – von vorne bis hinten verarscht. Warum sollte er ein schlechtes Gewissen haben, weil er Debbies Angebot angenommen hat?
Vermutlich hätte er Lisas Loyalität zu ihm nicht einmal angezweifelt, als sie mit Keough nach Hawaii geflogen war, hätte er nicht nur wenige Wochen zuvor dieses verdammte Ding gefunden. Nur Gott weiß, was sie damals getrieben haben. Bei dem Gedanken wurde ihm schlecht. Schließlich waren sie zu dieser Zeit noch verheiratet gewesen.
Sie hatte immer behauptet, dass es für die Kinder gewesen wäre. Doch warum ist sie dann nicht mit Ben und Riley alleine geflogen, sondern gemeinsam mit ihrem Exmann?
Und warum verdammt war dann wenige Tage später ein Bild in sämtlichen Medien abgebildet, auf dem sie ihre Lippen auf seine presste?
„Ich sollte jetzt gehen." Ihre Worte waren plötzlich leise, wie der letzte Atemzug eines sterbenden Tieres.
Michael nickte. Vielleicht war es besser so.
Doch als sie aufstand, ihre Sonnenbrille nahm und zur Tür ging, wollte er etwas sagen, sie aufhalten, irgendetwas, das diese Leere in ihm füllte.
Aber er tat es nicht.
Stattdessen blieb er sitzen, starrte auf den Platz, den sie gerade verlassen hatte, und fragte sich, wie aus all der Liebe solch ein giftiges Chaos hatte werden können.
Lisa verließ das Zimmer, ihre Absätze klackten leise auf dem Krankenhausboden. Michael lauschte dem Echo, bis es sich im Nichts verlor. Die Stille, die folgte, war schwer – nicht nur im Raum, sondern tief in seiner Brust. Er spürte, wie die Einsamkeit sich in ihm ausbreitete wie eine dunkle, kalte Flut.
Er griff nach dem Plastikbecher mit Wasser auf dem Nachttisch, seine Hand zitterte leicht. Der sterile Geschmack des Wassers ließ ihn nicht weniger ausgelaugt fühlen. Sein Blick fiel wieder auf den leeren Stuhl ihm gegenüber. Freunde sein, hatte er gesagt. Aber wie konnte man Freunde sein, wenn die Vergangenheit wie ein untoter Geist zwischen ihnen stand und jedes Wort vergiftete?
Die Tür öffnete sich abrupt, und die Krankenschwester von vorhin trat erneut ein. „Mister Jackson, wie fühlen Sie sich?" fragte sie routiniert, während sie das Protokoll auf ihrem Klemmbrett prüfte.
„Wie ein Millionär in einem Fünf-Sterne-Hotel," murmelte er trocken, seine Stimme klang hohl. Die Schwester lächelte höflich, ließ die Bemerkung jedoch unkommentiert.
„Ihr Arzt möchte morgen früh mit Ihnen sprechen. Es gibt Neuigkeiten zu Ihrer Behandlung."
Michael nickte, ohne wirklich zu registrieren, was sie sagte. Seine Gedanken waren bereits wieder bei Lisa, bei ihrer sarkastischen Art, ihrem verletzten Stolz – und den Fehlern, die er immer wieder vor seinem geistigen Auge durchlebte.
Nachdem die Krankenschwester gegangen war, ließ Michael seinen Kopf zurück gegen die Kissen fallen. Das monotone Piepen der Geräte war jetzt das einzige Geräusch im Raum. Die Stille, die Lisa hinterlassen hatte, war bedrückender als jeder Streit.
Er starrte an die Decke, zählte die kleinen Löcher in den weißen Platten, um seine Gedanken zu ordnen. Doch es half nichts. Lisas Gesicht drängte sich immer wieder in sein Bewusstsein, ihr Blick, der so viele unausgesprochene Worte enthielt, dass es ihn fast erdrückte.
„Was hast du erwartet?" murmelte er leise zu sich selbst. Dass sie zurückkommt, als wäre nichts gewesen? Dass sie ihn mit offenen Armen empfängt?
Er schloss die Augen und atmete tief durch. Die Erinnerungen waren unbarmherzig, sie zeigten ihm jedes Detail: die gemeinsamen Abende, die Lachen, die Tränen – und schließlich die unausweichliche Kluft, die sich zwischen ihnen aufgetan hatte.
Sein Blick wanderte zum Fenster, dumpfe Geräusche klangen schon seit Stunden durch die dicken Wände des Krankenhaues. Er richtete sich mühsam auf und zog die Vorhänge beiseite. Draußen, jenseits des Krankenhausparks, konnte er die Menge sehen. Tausende Menschen standen dort, dicht an dicht gedrängt, manche mit Schildern, andere mit Kerzen. Ein Meer aus Gesichtern, das sich in alle Richtungen erstreckte, so weit er sehen konnte.
Die Lichter von Kameras blitzten auf, und er erkannte Reporter, die mitten in der Menge standen, Mikrofone in der Hand, während Fans ihnen entgegenjubelten. Manche sangen, andere riefen seinen Namen in die kalte Nachtluft, und einige hielten sogar große Banner in die Höhe. „We love you, Michael!" war in fetten, leuchtenden Buchstaben auf einem davon zu lesen.
Michael blieb mit der Hand an der Fensterscheibe stehen, sein Atem ließ die Scheibe kurzzeitig beschlagen. Diese Menschen waren hier, weil sie an ihn glaubten, weil sie ihn brauchten – oder vielleicht, weil sie ein Stück Hoffnung suchten, die sie selbst verloren hatten.
Die Wärme und Hingabe, die sie ihm entgegenbrachten, rührte ihn auf eine Art, die er nur schwer in Worte fassen konnte.
Das dumpfe Gefühl der Einsamkeit, das Lisa hinterlassen hatte, wurde nun von einem anderen Gefühl abgelöst: Verantwortung. Er zwang sich zu einem Lächeln und öffnete das Fenster.
Das Brüllen der Menge wurde ohrenbetäubend und dröhnte in seinem Kopf. Tausende Augenpaare richteten sich auf ihn, Tausende Kehlen riefen seinen Namen. Er winkte ihnen zu, blieb eine Weile am Fenster stehen, bis er es schließlich wieder schloss, sich umdrehte und langsam wieder auf das Bett sinken ließ, während seine Gedanken wie ein Wirbelsturm tobten.
Es war immer so gewesen, sein ganzes Leben lang. Menschen hatten zu ihm aufgesehen, in ihm einen Retter, einen Helden, einen Gott gesehen. Aber was sie nicht sahen, war die Zerbrechlichkeit, die er in sich trug – die Last, die ihn jedes Mal ein Stück weiter zerbrach.
Denn in Wahrheit war er nichts davon. Er war kein Retter, kein Held, und schon gar kein Gott. Er war ein Mensch, einer mit Fehlern, Ängsten und einer Vergangenheit, die er nicht abschütteln konnte, egal wie oft er es versuchte.
Plötzlich klopfte es an der Tür. Sie öffnete sich, bevor er antworten konnte, und sein Manager trat ein, die Stirn in Falten gelegt.
Frank DiLeo zog sich einen Stuhl heran und setzte sich. Er legte einen dicken Aktenordner auf den Nachttisch und schob ihn in Michaels Richtung. „Ich weiß, es ist nicht der beste Zeitpunkt, aber es gibt Dinge, die wir besprechen müssen."
Michael öffnete die Augen wieder, fixierte den Ordner, ohne ihn zu berühren. „Was für Dinge?"
„Deine Karriere." Frank faltete die Hände vor sich. „Du bist im Krankenhaus, und draußen stehen Tausende Menschen, die wissen wollen, was mit dir passiert. Es gibt Gerüchte, die wir kontrollieren müssen – Gerüchte über deinen Gesundheitszustand, deine Familie, und... andere Dinge."
„Andere Dinge?" Michaels Stimme war ruhig, aber seine Augen blitzten gefährlich. „Sprich es aus."
Frank zögerte, dann seufzte er. „Die Sache mit Miss Presley. Es gibt Fotos von ihr, als sie das Krankenhaus verlassen hat. Die Medien spekulieren, warum sie hier war."
Michael schloss die Augen, als wollte er die Welt aussperren. „Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist noch mehr Drama."
„Ich verstehe das. Ich bin auf deiner Seite, "sagte Frank, „aber du weißt, wie das Spiel funktioniert. Wenn wir nicht die Kontrolle übernehmen, tun es andere für uns. Es wäre gut, eine Stellungnahme abzugeben."
Michael lachte bitter. „Eine Stellungnahme? Soll ich sagen: ‚Hallo, hier ist Michael. Ich bin im Krankenhaus, weil ich zu viele Pillen geschluckt habe, meine Ex-Frau hasst mich, und meine Kinder...'" Er stockte, bevor er weitersprach. „Meine Kinder werden in all das hineingezogen."
„Wir können das verhindern," versicherte ihm Frank. „Aber nur, wenn wir proaktiv sind."
Michael starrte an die Decke, seine Gedanken wirbelten. Das Gewicht der Öffentlichkeit, der Verantwortung und seiner eigenen zerbrochenen Beziehungen lastete schwer auf ihm. Schließlich nickte er langsam. „Mach, was du machen musst. Aber am Ende interessiert sich doch sowieso niemand für die Wahrheit."
Frank seufzte, erhob sich und griff nach dem Ordner. „Ich verspreche, dass ich alles tue, um die Situation unter Kontrolle zu halten."
Dann sah er Michael an. „Und? Wie lief es mit der Eisprinzessin?"
Michael fand es fast amüsant, dass seine Umgebung Lisa genauso wenig leiden konnte, wie Lisa sie.
„Wie immer," sagte Michael und ließ den Kopf gegen die kühle Wand sinken. „Wir tanzen unseren endlosen Tanz zwischen Hoffnung und Gift."
„ Vielleicht ist es Zeit, diesen Tanz zu beenden, MJ- endgültig."
Michael schwieg, ließ die Worte durch sich hindurchfließen. Vielleicht hatte Frank recht. Vielleicht war es Zeit, die Vergangenheit endgültig ruhen zu lassen.
Er deutete mit einem leichten Kopfnicken auf das Fenster. ,,Sag ihnen, sie sollen nach Hause gehen," meinte er. „Es ist kalt, sie werden krank. Sie sollten bei ihren Familien sein."
Der Manager nickte, aber sein Gesichtsausdruck verriet, dass er wusste, wie wenig diese Worte bewirken würden. „Ich werde sehen, was ich tun kann."
Als die Tür hinter ihm ins Schloss fiel, blieb Michael allein zurück. Die Worte von Frank hallten in seinem Kopf nach. Kontrolle. Ein Wort, das ihm seit Jahren entglitten war.
Es war immer dasselbe Spiel gewesen. Die Welt da draußen, jene Millionen von Menschen, hatte ihn entweder als Retter oder Monster gesehen. Es gab keinen Zwischenraum, keine Grauzone, keinen Ort, an dem er einfach nur er selbst sein konnte.
„King of Pop oder König der Freaks?" – solche Überschriften brannten sich in sein Gedächtnis ein. Es war nicht genug, dass sie ihn kritisierten; sie wollten ihn zerlegen, jede Facette seines Lebens durchleuchten, als wären sie dazu berechtigt. Sie hatten ihn zu einem Mythos aufgebaut, nur um ihn später mit der gleichen Leidenschaft zu zerstören.
Jede Bewegung, jede Entscheidung, jeder Fehler wurde ausgeschlachtet. Wenn er sich zurückzog, hieß es, er hätte etwas zu verbergen. Wenn er in der Öffentlichkeit erschien, machten sie sich lustig über sein Aussehen, seine Gesten, seine Stimme. Sein Gesicht war auf jedem Titelblatt, sein Name ein Magnet für Klicks und Schlagzeilen. Ein Held, ein Monster, ein Mann – keiner wusste, was er wirklich war, aber das hinderte niemanden daran, ihn zu beurteilen.
Die Skandale, ob wahr oder falsch, wurden zu einem Teil seines Lebens. Sie sprachen von chirurgischen Eingriffen, als wäre sein Gesicht ein öffentliches Gut. Sie behaupteten, er sei seltsam, entfremdet, ein Kind im Körper eines Mannes – ein Freak, der sich der normalen Welt entzog.
Und dann waren da die Anschuldigungen, die ihn endgültig von einem Helden zu einem Monster machten. Sie hatten ihn nicht einfach in Frage gestellt, sie hatten ihn verurteilt, ohne jemals die Wahrheit zu kennen. Der Prozess, der medialen Hexenjagd gleichkam, hatte ihm den letzten Rest seiner ohnehin brüchigen Seele geraubt. Egal, was die Gerichte sagten – die Medien hatten längst ihr Urteil gefällt.
Michael schloss die Augen, sein Kopf lehnte schwer an der Wand. Diese Welt, die ihn so leidenschaftlich liebte und hasste, hatte ihn zerstört. Er fragte sich, ob die Menschen, die die Geschichten schrieben, ihn jemals als echten Menschen sahen – oder ob er für sie nichts weiter war als eine Projektionsfläche für ihre Fantasien, Hoffnungen und Albträume.
Egal, was er tat, die Welt würde immer zuschauen. Aber im Moment fühlte er sich wie der einzige Mensch auf der Erde.
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