Kapitel 15
Überrascht blicken mir zwei Augenpaare entgegen.
„Wie lange hörst du schon zu?", fragt Cassiel und sein Gesichtsausdruck sagt mir, dass ihm die Situation gar nicht gefällt. Wenn es nach ihm geht, hätte ich am Besten kein Wort gehört.
„Lange genug um zu wissen, dass du nach Ausreden suchst um morgen nicht zu diesem Verkauf zu gehen." Scharf sehe ich ihn an. „Und ich lasse mich nicht gerne als Ausrede benutzen."
Amüsiert fährt sich Léon durch die dunklen Haare, während Cassiel so aussieht als hätte er etwas Schlechtes gegessen.
„Ich benutze dich nicht als Ausrede." Ein undefinierbarer Zug huscht um seine Mundwinkel. „Ich mache mir Sorgen."
„Dagegen sage ich doch gar nichts. Aber ich glaube kaum, dass morgen Abend noch die Gefahr besteht, dass mir etwas passiert. Zumindest habe ich nicht geplant so schnell wieder tauchen zu gehen."
Mit meinem Witz versuche ich seine Angespanntheit aufzulockern, bewirke aber genau das Gegenteil.
„Das kannst du nicht wissen", erwidert er in ernster Schlichtheit.
„Lass sie das doch selbst beurteilen", mischt sich Léon wieder ins Gespräch ein. „Wenn es ihr morgen nicht sonderlich gut gehen sollte, kannst du es dir ja noch anders überlegen. Aber ich denke, dass wir uns morgen Abend vielleicht einen Vorteil gegen deinen Vater verschaffen können."
Zwiegespalten flieht Cassiels Blick durch den Raum. Man sieht ihm an, dass er über die Worte seines Freundes nachdenkt. Nebenbei dreht er den Ring an seinem Finger. Eine seiner Angewohnheiten, wenn er über etwas entscheiden soll.
„Außerdem könnten wir morgen bereits Fragen stellen." Léon wirft Cassiel einen langen, bedeutungsvollen Blick zu und dieser scheint sofort zu wissen, worum es geht. Nur ich habe keine Ahnung. Diese Sache müssen sie wohl besprochen haben, als ich noch schlief.
Kaum erfüllen die Worte den Raum, verändert sich Cassiels gesamte Körpersprache. Er drückt den Rücken ein Stück weiter durch, seine Mimik wirkt grimmiger und seine Finger verkrampfen sich um den Ring. Noch bevor er auch nur einen Ton sagt, weiß ich, dass Léon ihn endgültig überzeugt hat.
„Warum hast du das nicht gleich gesagt?" Selbst seine Stimme scheint verändert. Fester. Gefährlicher.
„Ich dachte du kommst selbst drauf", stichelt sein Freund zurück, sichtbar erfreut, dass er siegreich ist.
„Weiht ihr mich auch endlich Mal ein?" Neugierde sprudelt in mir hoch. Erstaunlicherweise geht es mir um einiges Besser als zuvor, obwohl ich mir sicher bin, nicht lange geschlafen zu haben.
Über die Distanz hinweg sehen mich beide an, nicht sicher ob sie es mir wirklich erzählen sollen. Kurzerhand steht Cassiel auf und setzt sich auf einen der Sessel gegenüber der Couch, sodass wir uns besser unterhalten können. Abwartend betrachte ich ihn.
„Mein Vater hat morgen einen Verkauf angesetzt und Léon und mich eingeladen." Das letzte Wort betont er abfällig.
„Okay, aber warum?" Ich weiß, dass Cassiel sich nicht sonderlich gut mit seinem Vater versteht und dass seine Familie nicht nur auf dem legalen Weg Geld verdient. Jedoch verstehe ich diese Einladung, wie er es nennt, nicht.
„Das werden wir morgen wohl herausfinden müssen. Nebst vielen anderen Dingen, die seinem Vater nicht gefallen werden", antwortet eine tiefe Stimme und Léon folgt Cassiels Beispiel. Nun sitzen beide vor mir und ich fühle mich wie in einem schlechten Actionfilm, bei dem die Protagonisten gerade ihr große Besprechung abhalten bevor sie ein Paar böse Typen vermöbeln. Der einzige Unterschied besteht daraus, dass hier keiner laut Cut rufen kann.
Leider.
„Da wir selbst nicht wissen, worum es eigentlich geht, können wir es dir auch nicht sagen", fasst Cassiel das Offensichtliche nochmal zusammen.
„Wow, da wäre ich von alleine nicht drauf gekommen", kommentiere ich trocken und erhasche ein Grinsen von Léon.
„Wie gut, dass ich es gesagt habe", witzelt Cassiel. Dann wird er innerhalb eines Sekundenbruchteils wieder ernst. „Wenn du doch noch Probleme haben solltest, rufst du mich sofort an. Egal wann."
Forsch sieht er mir direkt in die Augen. Es wirkt beinah so, als wöllte er in meine Gedanken eindringen um sicherzugehen, dass ich seiner Aufforderung wirklich Folge leisten würde. Im unendlichen Blau seiner Augen entdecke ich Sorge und den Drang mich in Sicherheit zu wissen.
Tief in mir drin löst sein Blick ein seltsames Gefühl aus. Um mein Herz legt sich eine längst vergessene Wärme, darum bemüht die Bruchstücke nach und nach wieder zusammenzufügen. Ich will ihn berühren, will die alte Vertrautheit zwischen uns wiederhaben, aber dafür ist es noch zu früh. Noch hat neben meinen Gefühlen auch mein Kopf die Kontrolle über mich und der rät mir weiterhin zur Vorsicht.
„Keine Sorge. Wenn etwas sein sollte, werde ich mich schon bei euch melden."
Für einen endlosen Moment sieht Cassiel mir weiter in die Augen, analysiert mich bis ins kleinste Detail. Keine Ahnung was er sucht, denn sonderlich vielschichtig bin ich eigentlich nicht. Zumal ich für ihn sowieso immer ein offenes Buch bin, egal ob ich es will oder nicht.
„Also gut", brummt mein Gegenüber ergeben.
„Perfekt. Da wir das jetzt geklärt haben," Léon klatscht plötzlich in die Hände und ich zucke zusammen, „kannst du endlich dein verschollenes Schauspieltalent ausgraben. Ich bin mir sicher, die Dame würde dich gerne in Action sehen. Nicht wahr?"
Sein unvorbereiteter Themenwechsel ist seltsam, wenn man bedenkt, was die beiden morgen vorhaben. Seine Sprunghaftigkeit bin ich definitiv nicht gewöhnt, aber sie war deswegen nicht unangenehm. Mehr wie eine willkommene Abwechslung zu den letzten Wochen.
„Die Dame würde liebend gerne etwas sehen. Ist nur die Frage, ob in ihm wirklich ein Talent steckt."
Entrüstet schaut mich Cassiel an. „Du wirst schon sehen. Gegen mich wirken die größten Schauspieler wie nichts."
Was eine große Klappe.
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