
Kapitel 1
Ich erinnere mich an diesen einen Tag, der mein Leben für immer veränderte, als wäre er gestern gewesen. Dieser eine verdammte Tag, von dem ich damals nie gedacht hätte, dass ich ihn bereuen würde. Aber damals wirkte alles einfach zu schön um wahr zu sein.
Es war ein angenehmer Spätsommerabend und ich hatte meinen Vater wieder zu einer dieser Spendengalen des Museums, für das er arbeitete, begleitet. Wie jedes Jahr war das Museum wieder atemberaubend dekoriert und versprühte einen eleganten Charme. Sogar eine kleine, stilvolle Band spielte in einer Ecke zur Unterhaltung der Gäste.
Kaum, dass wir dort ankamen, war mein Vater auch schon von mehreren seiner Kollegen umringt, die mit ihm über sein neustes Ausgrabungsprojekt reden wollten. Er konnte mir nur noch ein entschuldigendes Lächeln zuwerfen, ehe sie ihn auch schon gänzlich vereinnahmten.
Belustigt schüttelte ich den Kopf, denn mittlerweile war ich das schon gewohnt. Mein Vater war Archäologe und zählte nicht umsonst zu den Besten des Museums. Fast jedes Mal, wenn wir hier auftauchten dauerte es keine fünf Minuten und ich stand alleine da. Ich nahm es ihm aber nie übel, denn ich wusste wie wichtig ihm das hier war.
Begleitungslos schlenderte ich durch die Menge und begrüßte ab und zu ein Paar Leute, die ich durch meinen Vater kannte. Wobei, viele waren das nicht gerade und wenn waren sie auch alle um die fünfzehn Jahre älter. Seit ich meinen Vater hier her begleitete, hatte ich vielleicht zweimal jemanden in meinem Alter getroffen. Eine ziemlich enttäuschende Quote, wenn man bedachte, dass ich meinen Vater nun schon seit sieben Jahren begleitete.
Doch mittlerweile wusste ich, wie ich damit umgehen sollte und hatte meinen eigenen kleinen Ablauf. Also steuerte ich zielstrebig einen von den Kellnern mit den Tabletts voller Champagnergläser an und schnappte mir eines der Gläser. Knapp nickte ich ihm dankend zu und schlenderte weiter, bis ich die hell ausgeleuchteten Glaskästen mit den neusten Exponaten erreichte.
Langsam hob ich meine Hand und nahm einen kleinen Schluck der goldenen Flüssigkeit, während mein Blick erst über eine Art seltsam geformte Vase flog und dann zu dem kleinen Zettel mit den Infos zu diesem Stück. Sanft prickelte der Alkohol in meinem Mund und hinterließ einen angenehmen Geschmack.
Gemächlich schritt ich einen Glaskasten nach dem anderen ab, während meine Gedanken in meine Kindheit abdrifteten. Früher war ich immer ganz aufgeregt wenn mein Vater wieder von einer Ausgrabung zurückkam. Dann erzählte er mir immer die wildesten Geschichten, von gefährlichen Flüchen, die auf den Artefakten lagen, oder mysteriösen Tempeln, die von Göttern bewacht wurden. Je älter ich wurde, desto mehr erinnerten die Geschichten an Indiana Jones. Selbst jetzt noch, obwohl ich mittlerweile erwachsen war, probierte er es manchmal immer noch.
„Hätte nicht gedacht jemanden in meinem Alter hier zu treffen", riss mich plötzlich eine Stimme aus meinen Gedanken und vor Schreck verschüttete ich ein wenig meines Champagners auf den Glaskasten vor mir. Mir gegenüber, auf der anderen Seite des Kastens, stand auf einmal ein Mann, der mich interessiert musterte. Schnell flog mein Blick über seine elegante Kleidung, die an ihm jedoch einen lässigen Charm versprühte und wanderte dann weiter hoch über sein Gesicht. Seine Haut war, ähnlich wie meine, sonnengeküsst, sein Kiefer war definiert, doch nicht unangenehm kantig und seine Augen waren so dunkelblau wie das Meer an einem regnerischen Tag.
„Entschuldige bitte, ich wollte dich nicht erschrecken", ein keckes Lächeln umspielte seine Lippen. Elegant zog er ein Tuch aus seiner Jackettasche, beugte sich leicht in meine Richtung und wischte vorsichtig das Glas sauber. Als er sich wieder aufrichtete, traf sein Blick erneut auf meinen. Dieses Blau seiner Augen zog mich in einen ungekannten Bann, doch ich versuchte mich zusammenzureißen.
„Wer bist du?" Ich hatte ihn noch nie auf einer der Galen hier gesehen, da war ich mir sicher.
„Wo hab ich nur meine Manieren gelassen?" Erneut stahl sich ein freches Lächeln auf sein Gesicht und er kam um den Glaskasten herum auf mich zu. Erst als er vor mir stand, fiel mir auf, dass er einen guten Kopf größer war als ich, obwohl ich hohe Schuhe trug.
„Cassiel Marro. Stets zu deinen Diensten." Galant hielt er mir die Hand hin, welche ich zögerlich ergriff. Meine Finger streiften kühles Metall und als mein Blick kurz auf unsere Hände zuckte, entdeckte ich einen silbernen Ring an seinem Zeigefinger.
Cassiel Marro. Irgendwie kam mir der Name bekannt vor, doch mir fiel nicht ein woher. Schließlich war es ja auch kein typischer Name. Grübelnd ließ ich seine Hand wieder los und spürte seinen neugierigen Blick auf mir.
„Warum meinst du, dass ich deine Dienste gebrauchen könnte Cassiel?", fragte ich ihn direkt. Bei anderen Mädchen mochte der Spruch vielleicht funktioniert haben, aber nicht bei mir.
Damit schien er nicht gerechnet zu haben, denn kurz zuckte Überraschung über sein Gesicht. Doch schneller als ich schauen konnte, hatte er sich wieder gefangen und ein schlagfertiges Grinsen erschien.
„Vielleicht um dich daran zu erinnern, dass man bei einer neuen Begegnung der anderen Person seinen Namen sagt."
Verdutzt lachte ich auf. „Ich bin Ivy. Ivy Garcia."
„Ein sehr schöner Name", komplimentierte er mich. Dann trat plötzlich Erkenntnis auf sein Gesicht und sein Blick zuckte auf der Suche nach jemandem durch den Raum. „Du bist also des Archäologen Tochter."
Misstrauisch zog ich die Augenbrauen zusammen und verschränkte die Arme vor der Brust. Seine Worte wirkten sonderbar auf mich. „Hast du ein Problem damit?"
Als er meinen Tonfall hörte, sah er mich wieder an und musste bei meinem Anblick kurz lachen. „Nein, ich habe kein Problem damit. Ich fand es nur interessant, das ist alles. Ich habe nicht gewusst, dass er eine Tochter hat."
„Aha", war meine einzige Antwort, denn ich wusste nicht was ich mit seiner anfangen sollte.
Cassiel schien das zu spüren denn er ging sogleich auf mich ein. „Hey, es tut mir leid. Das klang komisch und generell habe ich das Gefühl, dass ich gerade keinen besonders guten ersten Eindruck auf dich mache. Wie wäre es also mit einem Treffen? Dann kann ich dir zeigen was für ein toller Typ ich eigentlich bin."
Sprachlos sah ich ihn an. Wie konnte jemand, einfach so, erst den Eindruck einer Entschuldigung erwecken nur um sich am Ende dann wieder selbst in den Himmel zu heben?!
Mein erster Impuls war, ihn abblitzen zu lassen. Doch ein Teil von mir wollte sehen, wie das hier weiter gehen würde. In seinen Augen glitzerte eine Herausforderung, die dummerweise genau den Teil in mir ansprach, der glaubte, dass keine Herausforderung zu groß sei um sie zu meistern.
„Also gut. Aber wenn der Typ den du hier gerade angepriesen hast nicht genau so toll ist wie du sagtest, dann kannst du was erleben."
*****
Das plötzliche Klingeln meines Handys lässt mich aufschrecken. Für einen winzigen Augenblick weiß ich nichts mehr, schwebe nur in einem Dämmerzustand aus schlafen und wachen. Doch schon stürzen die Geschehnisse der letzten Tage wieder auf mich ein, erlauben mir keine Pause, rauben mir die Luft zum Atmen und lassen mein Herz vor Schmerz verkrampfen.
Gegen die Flut aus Gefühlen ankämpfend, greife ich nach meinem Handy und weiß auch ohne darauf zu schauen, wer mich gerade anruft.
Cassiel.
Fast schon mechanisch drücke ich ihn weg während mein Herz laut aufschreit und ich den ersten gequälten Schluchzer in meinem Kissen ersticke.
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