9. Kapitel
Felix POV:
Hyunjins Körper spannte sich neben mir an, als das Knurren aus dem Unterholz immer näher kam. Selbst das Plätschern des Bachs war plötzlich wie ausgelöscht, und die Welt um uns herum schien den Atem anzuhalten.
„Bleib hinter mir", befahl er mit tiefer Stimme.
Ich biss die Zähne zusammen. „Das kannst du vergessen."
Meine Beine zitterten noch immer leicht vor Erschöpfung, aber ich würde mich von keinem Alpha bevormunden lassen - schon gar nicht von ihm.
„Felix, das ist kein verdammtes Spiel", knurrte er und warf mir einen warnenden Blick zu.
Ich hatte gerade Luft geholt, um eine bissige Antwort zu geben, als sich das Unterholz mit einem lauten Rascheln öffnete. Zwei glühende Augen starrten uns aus dem Schatten entgegen, gefolgt von einem gewaltigen, braun-rotem Wolf. Sein Fell glänzte im Licht der untergehenden Sonne, und seine Zähne waren entblößt in einem grausamen Grinsen.
Mein Herz schlug gegen meine Rippen. Ich kannte diesen Wolf. Er gehörte zu einem der wilden Rudel, das tief im Wald hauste und keinen Unterschied zwischen Freund und Feind machte.
„Mist", murmelte ich.
Hyunjin knurrte tief in seiner Kehle, seine Haltung auf Angriff ausgerichtet. „Denk ja nicht daran, einzugreifen, Felix."
Ich spürte den inneren Kampf in mir - mein verletzter Stolz gegen den vernünftigen Teil, der wusste, dass ich in meinem Zustand keine Chance hatte.
Zähneknirschend wich ich einen Schritt zurück.
Der rote Wolf spannte sich zum Sprung an, und in einem Herzschlag war Hyunjin in Bewegung. Er verwandelte sich mit einer fließenden Bewegung, Muskeln dehnten sich, Knochen knackten, und in weniger als einem Wimpernschlag stand ein gewaltiger, pechschwarzer Wolf an meiner Seite.
Ich hatte Hyunjin bereits in seiner Wolfsform gesehen, aber diesmal war es anders. Seine Ausstrahlung war atemberaubend, und selbst ich verspürte den Drang, den Kopf zu senken und mich unterzuordnen.
Der feindliche Wolf stürzte sich auf ihn, und die beiden kollidierten mit einem ohrenbetäubenden Knall. Fell und Zähne blitzten auf, und ich konnte kaum folgen, so schnell bewegten sie sich.
Ich wollte eingreifen, irgendetwas tun, aber mein Körper war wie gelähmt. Jeder Muskel in mir schrie, dass ich wegrennen sollte, doch ich blieb wie angewurzelt stehen.
Hyunjin war ein erfahrener Kämpfer, das wurde schnell klar. Er wich den Angriffen des schwarzen Wolfs geschickt aus und setzte gezielte Hiebe mit seinen Klauen. Doch der andere Wolf war brutal und unberechenbar.
Ein ersticktes Jaulen entwich meiner Kehle, als ich sah, wie die Zähne des Gegners sich tief in Hyunjins Schulter gruben. Blut spritzte, und Hyunjin taumelte zur Seite.
„Hyunjin!" schrie ich, konnte mich aber kaum bewegen.
Der schwarze Wolf fing sich und schlug mit einem letzten, kraftvollen Hieb zu. Seine Klauen rissen eine blutige Spur über die Flanke des Gegners, der daraufhin jaulend das Weite suchte.
Schwer atmend stand Hyunjin über den blutigen Blättern, sein Fell zerzaust und rot getränkt.
Ich riss mich aus meiner Schockstarre und hinkte zu ihm. „Setz dich hin."
„Ich komme klar", knurrte er.
„Ach ja? Du blutest wie ein verdammter Springbrunnen."
„Ist nur eine Schramme."
„Eine Schramme?" Ich funkelte ihn an. „Du kannst entweder freiwillig sitzen bleiben, oder ich zieh dich höchstpersönlich auf den Boden."
Hyunjin schnaubte und ließ sich widerwillig gegen einen Baumstamm sinken.
Ich kniete mich neben ihn und zog die Heilkräuter aus meiner Tasche. „Halt still."
„Das ist unnötig."
„Halt still oder ich stopf dir die Kräuter direkt in die Fresse."
Trotz des Schmerzes huschte ein amüsierter Funkeln über seine Augen. „Du bist ja richtig charmant."
„Das sagen viele", murmelte ich und begann, seine Wunde zu reinigen.
Hyunjin verzog das Gesicht, als die Heilkräuter ihre Wirkung entfalteten, sagte aber nichts. Sein Stolz war wirklich unerschütterlich.
„Wieso hast du dich überhaupt auf diesen Kampf eingelassen?", wollte ich schließlich wissen.
„Weil du zu langsam warst", antwortete er trocken.
„Danke auch."
„Keine Ursache."
Ich schüttelte den Kopf und konzentrierte mich auf die Behandlung. Sein Atem wurde ruhiger, und für einen Moment schien die Spannung zwischen uns zu verblassen.
„Das sollte halten", sagte ich schließlich und richtete mich auf. „Aber du solltest dich nicht zu viel bewegen."
„Das klingt wie ein Befehl."
„Sieh es als freundlichen Rat."
Hyunjin stand langsam auf, noch etwas wacklig, aber er hielt sich auf den Beinen. „Ich hasse es, von dir abhängig zu sein."
„Das freut mich zu hören", erwiderte ich mit einem schiefen Grinsen.
Unsere Blicke trafen sich, und ich spürte, dass sich etwas zwischen uns veränderte. Es war nur ein flüchtiger Moment, aber es ließ mein Herz schneller schlagen.
Hyunjin räusperte sich und sah weg. „Wir sehen uns."
„Versuch, nicht wieder halb tot vor mir aufzutauchen."
„Keine Versprechen."
Er verschwand im Unterholz, und ich blieb allein zurück. Trotz allem konnte ich nicht leugnen, dass mir seine Anwesenheit fehlte - und das machte mir mehr Angst, als ich zugeben wollte.
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- Du solltest zu dem Alpha und ihm etwas zu Essen geben. Er hat dein Leben jetzt mehrfach gerettet. Er ist jetzt nur wegen dir verletzt -
Normalerweise war mein innerer Wolf eher ruhig und sprach selten zu mir. Ihn jetzt so deutlich zu hören verwunderte mich, zugegebenermaßen.
„Man. Er ist sowieso schon viel zu oft in meiner Nähe, dafür, dass er mich töten wollte. Was habe ich davon, wenn ich ihm helfe?"
Von außen betrachtet wirkte er vermutlich so, als würde ich Selbstgespräche führen - was im Grunde ja auch der Fall war, da Yuri, mein Wolf, fest mit mir verbunden war und wir quasi eine Person waren.
Doch nun schwieg genau dieser eigensinnige Wolf und hinterließ bei mir ein schlechtes Gewissen. Yuri hatte ja recht, Hyunjin hatte mir innerhalb des letzten Tages zwei mal das Leben gerettet, obwohl seine Aufgabe eher das Gegenteil besagte.
„Ah verdammt!" Ich lief vorsichtig zu einer Lichtung, von der ich wusste, dass sie gute Beeren und leckere Rinde beheimatete. Als ich dort ankam war es mittlerweile schon dunkel, doch dank meiner guten Sehkraft erkannte ich trotzdem noch alles.
Schnell verwandelte ich mich zurück, schnappte mir ein großes Blatt und faltete es so, dass es zu einer kleinen Schale umfunktioniert wurde. Ich suchte rasch reife Brombeeren zusammen und freute mich, als ich sogar noch einige wilde Himbeeren fand.
All diese Früchte landeten in meinem improvisierten Korb, denn ich sanft in das Maul nahm, nachdem ich wieder in meine Wolfsform gewechselt war. Dass ich einer der wenigen Omegas war, die problemlos zwischen ihren zwei Erscheinungen wechseln konnte, erleichterte mir das Leben ungemein.
Mit meinem empfindlichen Nase spürte ich ihn relativ schnell auf und folgte seiner intensiven Geruchsspur. Sie führte mich zu einem kleinen Felsvorsprung, unter dem es sich der schwarze Wolf gemütlich gemacht hatte. Scheinbar schlief er gerade auch nicht, da seine spitzen Ohren sofort zuckten und ersehnen Kopf in meine Richtung drehte, sobald ich näher an ihn trat.
„Na kleiner Omega? Hattest du etwa schon Sehnsucht nach mir oder warum suchst du mich auf?" Tsk, dass ich nicht lache... „Bild dir das gerne ein selbstverliebter Alpha."
Er richtete sich in eine Sitzende Position auf, sodass wir gleich groß waren. Normalerweise überragte der Alpha mich nämlich schon ein Stück.
„Oder hast du dich mit dem Gedanken abgefunden zu sterben und bist jetzt hier, damit ich dein lächerliches Leben beenden kann und du mein Mitternachts-Snack wirst?"
Die Art und Weise, wie er diese Worte aussprach, ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken fahren. Die Sätze waren ernst gemeint, er will mich immer noch töten.
Und irgendwie hinterließ dieser Gedanke einen Stich in meinem Brustkorb. Dabei war es so dumm. Natürlich will er mich tot sehen, dass ist sein Auftrag vom Alpha Rat...
„Ich hab dir etwas zu Essen mitgebracht, weil Yuri mir ein schlechtes Gewissen gemacht hat. Also hier du Arschloch, hoffe du erstickst daran!"
Ich warf ihm den gefüllten Korb vor die Pfoten und wollte mich schon umdrehen, und endlich von dieser arrogant stinkenden Kreatur wegkommen, als ein einziges Wort meinen Körper zu innehalten brachte.
„Bleib."
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