18. Kapitel
Hyunjin POV:
Das Mondlicht brach durch die dichten Baumwipfel und warf silberne Muster auf den Waldboden. Das Geräusch der Verfolger war inzwischen unerträglich laut. Ketten klirrten, Stiefel trampelten durch das Unterholz, und die Bäume schienen vor Aufregung zu flüstern.
Der metallische Geschmack von Anstrengung lag schwer auf meiner Zunge. Mein Atem brannte in meiner Kehle, und meine Beine schmerzten bei jedem Schritt. Das Knacken von Ästen hinter uns verriet, dass die Stadtwachen nicht locker ließen. Sie waren schneller als erwartet.
Ich warf einen kurzen Blick auf Felix, der direkt neben mir rannte. Sein Gesicht war angespannt, Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Er wirkte erschöpft, aber er hielt sich auf den Beinen.
„Wenn wir den Fluss erreichen, könnten wir sie abschütteln."
Felix nickte schwach, sagte aber nichts. Sein Gesicht war eine Maske aus Schweiß und Dreck.
Plötzlich ertönte ein lauter Ruf hinter ihnen. „Da vorne sind sie!"
Ich spürte, wie das Adrenalin durch meine Adern schoss. „Schneller!"
Wir rannten, unsere Schritte ein chaotisches Trommeln auf dem Waldboden. Die Äste peitschten gegen unsere Gesichter, und der ekelhafte Geschmack von Angst lag in der Luft.
Doch dann - eine Lichtung. Offen und gefährlich.
„Wir müssen durch", sagte ich entschlossen.
Felix zögerte. „Das ist ein verdammter Todesstoß."
„Bleib dicht bei mir", befahl ich meinem Omega, ohne langsamer zu werden.
Wir brachen aus dem Schutz der Bäume und sprinteten über die Lichtung. Der Mond warf unsere Schatten wie Zielscheiben auf das Gras.
Ein Pfeil zischte durch die Luft und bohrte sich in den Boden nur wenige Zentimeter neben Felix' Pfote.
„Verdammt!", fluchte er und sprang zur Seite.
Ich drehte mich um und zog Felix mit mir in Deckung hinter einem verrottetem Baumstamm.
„Sie haben Bogenschützen?" Felix keuchte und rieb seinen schmutzigen Kopf übers weiche Gras.
Ich biss die Zähne zusammen. „Sie haben alles."
Ein zweiter Pfeil prallte gegen den Baumstamm, gefolgt von dem dumpfen Geräusch von Schritten, die näher kamen.
„Wir können nicht ewig hierbleiben", murmelte Felix und zog die Klauen aus.
Ich nickte langsam. „Dann kämpfen wir."
Felix sah mich scharf an. „Ernsthaft? Gegen wie viele, zwanzig?"
„Mehr Optionen haben wir nicht."
Felix funkelte mich an, seine Augen glühten vor Entschlossenheit. „Na schön. Lass uns ein paar Knochen brechen."
Die ersten Wachen brachen durch das Dickicht. Ihre Augen leuchteten im Mondlicht, und ihre Waffen funkelten bedrohlich.
Ich sprang vor und rammte einem Wächter die Schulter gegen die Brust. Das Geräusch von splitterndem Knochen erfüllte die Luft. Er stürzte zu Boden, doch sofort sprangen zwei weitere auf mich zu.
Ein Schwert glitt über meinen Arm und hinterließ eine blutige Spur. Der Schmerz war heftig, aber ich konnte ihn nicht zulassen. Mit einem wilden Knurren schlug ich zu und trieb meine Klauen in die Seite eines weiteren Angreifers.
Neben mir kämpfte Felix mit einer Wildheit, die mich überraschte. Seine Bewegungen waren schnell und gezielt, doch ich sah, dass seine Kräfte nachließen.
Ein Wächter rammte ihm das Knie in den Magen, und er fiel keuchend zu Boden.
„Felix!" Ich wollte zu ihm, doch ein weiterer Angriff hielt mich zurück.
Schwerter klirrten, und meine Muskeln brannten vor Erschöpfung. Meine Sicht verschwamm.
Wir waren in der Unterzahl. Geschwächt.
Ein Schild prallte gegen meine Seite, und ich wurde nach hinten geschleudert.
„Das war's", murmelte Felix zwischen zwei keuchenden Atemzügen. „Wir sind erledigt."
Ich wollte widersprechen, doch tief in mir wusste ich, dass er recht hatte. Unsere Körper waren schwer, unsere Bewegungen langsamer geworden. Die Wachen drängten uns immer weiter zurück.
Plötzlich durchbrach ein durchdringendes Heulen die Nacht.
Es war kein Wolf aus deren Gruppe - der Ton war wild, rau und voller Zorn.
Die Wachen hielten inne, und auch Felix und ich erstarrten.
Dann brach die Hölle los.
Fünf Wölfe stürmten aus dem Schatten des Waldes. Ihr Fell glänzte im Mondlicht, und ihre Augen funkelten gefährlich. Sie bewegten sich wie Schatten, schnell und tödlich.
Ein massiver dunkelbrauner Wolf rammte eine Gruppe von Wachen zu Boden, während ein grauer Wolf mit scharfen Zähnen durch die Reihen der Angreifer pflügte.
Ich starrte fassungslos. Wer waren sie?
Eine Wache versuchte, mich anzugreifen, doch der braune Wolf war schneller. Mit einem einzigen Hieb schleuderte er den Angreifer zu Boden.
Felix keuchte neben mir. „Das kann nicht wahr sein."
„Ich weiß", murmelte ich, ohne den Blick von den kämpfenden Wölfen zu nehmen.
Das Gemetzel dauerte nicht lange. Die wenigen überlebenden Wachen flohen in den Wald und ließen ihre gefallenen Kameraden zurück.
Die fünf Wölfe blieben stehen, ihre Körper angespannt und wachsam.
Ich wollte etwas sagen, doch meine Kehle war trocken.
Einer der Wölfe - ein weißer mit stechenden goldenen Augen - sah mich an. Für einen Moment schien die Welt stillzustehen.
Dann drehten sich die Fremden um und verschwanden im Schatten des Waldes, ohne ein Wort zu sagen.
Felix starrte ihnen hinterher. „Wer zum Teufel waren die?"
Ich konnte nur den Kopf schütteln. „Keine Ahnung."
Doch eine Sache war klar: Unsere Rettung hatte einen hohen Preis. Und ich wusste nicht, ob wir bereit waren, ihn zu zahlen.
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Der bittere Geschmack von Erschöpfung lag schwer auf meiner Zunge. Mein Atem ging stoßweise, und jeder Muskel meines Körpers brannte. Neben mir taumelte Felix, sein Gesicht schweißnass und angespannt. Die Wachen waren zwar vorerst fort, doch wir waren weder sicher noch in einem Zustand, weiterzukämpfen.
„Wir brauchen eine Pause", keuchte Felix schließlich und stützte sich an einem Baum ab. Sein Brustkorb hob und senkte sich in einem schnellen Rhythmus.
Ich wollte widersprechen. Jede Faser meines Instinkts schrie danach, weiterzulaufen, mehr Abstand zwischen uns und die Verfolger zu bringen. Aber Felix hatte recht. Wenn wir nicht bald zur Ruhe kamen, würden wir uns selbst zu Tode hetzen.
„Da vorne", murmelte ich und deutete auf eine kleine Senke zwischen dichtstehenden Bäumen. „Dort können wir uns verstecken."
Felix nickte stumm und stolperte hinter mir her. Der Wald war hier dichter, die Schatten tief und undurchdringlich. Der Duft von feuchtem Moos und Erde hing in der Luft.
Als wir schließlich die Senke erreichten, ließ sich Felix schwer auf den Boden fallen. Er lehnte sich gegen einen Baum und schloss die Augen.
„Verdammter Mist", fluchte mein Begleiter wütend. „Ich hasse es, wenn ich Recht behalte."
Ich ließ mich neben ihm nieder und leckte mir über die schmerzende Schulter. Das Blut hatte aufgehört zu fließen, aber die Wunde pochte unangenehm.
„Hättest du nicht recht gehabt, wären wir jetzt tot", erwiderte ich trocken.
Felix öffnete ein Auge und grinste schwach. „Na, immerhin bin ich ein lebendiger Besserwisser."
Ein Lächeln zuckte über meine Lippen, doch es hielt nicht lange an. Die Dunkelheit des Waldes umhüllte uns, und die Kälte kroch in unsere Glieder.
„Wir brauchen ein Feuer", sagte ich schließlich.
Felix verzog das Gesicht. „Zu gefährlich. Das Licht könnte uns verraten."
Ich seufzte. Er hatte recht, aber ohne Wärme würden wir die Nacht kaum überstehen.
„Dann müssen wir uns anders warmhalten", murmelte ich widerwillig.
Felix warf mir einen zweideutigen Blick zu, sagte aber nichts.
Stattdessen sammelte ich einige dicke Äste und legte sie als improvisierte Barriere um uns herum. Sie würde uns zwar nicht vor einem Angriff schützen, aber vielleicht etwas den Wind abhalten.
„Hast du was zu essen?", fragte er schließlich.
Ich durchsuchte meine Taschen und förderte ein paar zerdrückte Nüsse und Trockenfleisch zutage. „Das ist alles."
Felix verzog das Gesicht. „Großartig. Ein Festmahl."
Trotz seiner Bemerkung griff er nach dem Trockenfleisch und biss energisch hinein. Ich kaute an einer Handvoll Nüssen herum und versuchte, den knurrenden Hunger in meinem Magen zu ignorieren.
„Wenn das vorbei ist," sagte Felix plötzlich, „werde ich ein ganzes Wildschwein alleine verschlingen."
Ich lachte leise. „Ich werde dich daran erinnern."
Ein Moment der Stille breitete sich aus. Der Wald war voller Geräusche - das Rascheln von Blättern, das entfernte Rufen einer Eule, das Knacken von Zweigen im Wind. Doch zwischen Felix und mir herrschte eine seltsame Ruhe.
„Glaubst du, sie kommen zurück?" fragte Felix schließlich leise.
Ich wusste, dass er die fünf Wölfe meinte, die uns geholfen hatten.
„Keine Ahnung", antwortete ich ehrlich. „Aber ich will nicht darauf wetten."
Felix nickte und zog die Knie an die Brust.
Die Stunden zogen sich dahin. Die Kälte biss in unsere Haut, und meine Augenlider wurden schwer. Trotz der Gefahr war die Erschöpfung stärker.
Ich weiß nicht, wie lange ich geschlafen hatte, als ein Geräusch mich weckte.
Mein Kopf schnellte hoch, und mein Blick wanderte durch die Dunkelheit. Felix neben mir war ebenfalls aufgewacht und hatte sich angespannt aufgerichtet.
„Hast du das gehört?", flüsterte er.
Ich nickte und fuhr instinktiv meine Klauen aus.
Das Geräusch von Schritten drang durch die Dunkelheit. Nicht hastig und schwer wie die von Wachen, sondern leise und kontrolliert.
Ein Schatten bewegte sich zwischen den Bäumen, und dann trat eine Gestalt ins Mondlicht.
Es war einer der Wölfe, die uns gerettet hatten. Sein Fell glänzte hell im fahlen Licht, und seine Augen leuchteten golden.
Er blieb reglos stehen und starrte uns an.
Felix spannte sich an. „Was will er?"
„Keine Ahnung", murmelte ich, ohne den Blick von dem Wolf abzuwenden.
Der Wolf bewegte sich nicht. Er stand einfach nur da, still und aufmerksam.
Eine seltsame Spannung lag in der Luft, und mein Herz schlug schneller.
Was wollte er?
Und warum fühlte ich, dass diese Begegnung alles verändern könnte?
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